Im Corona-Frühling 2020 startete Setup/Punchline – „ein Podcast über Stand-up-Comedy“, wie der claim ab Folge eins lautete. Im Herbst ging es in die zweite Staffel: Mit weiteren 16 Comedians sprach ich über eines ihrer Bits, das heißt, ein thematisches Segment an Witzen. Im Vordergrund steht dabei immer der handwerkliche Aspekt. Stand-up ist allerdings eine Kunstform, bei der die Künstler:innen nahezu unverstellt auf der Bühne stehen oder zumindest eine echte Person simulieren. Darum führt auch die Auseinandersetzung mit Handwerklichem schnell hinab in den Kaninchenbau des Inhaltlichen und Persönlichen. Eine zynische Haltung zu einem bestimmten Thema (Religion, Trennung der Eltern etc.) erklärt sich nur aus dem biografischen Hintergrund.
Es sind nur wenige Episoden und die sind obendrein auch relativ kurz (jeweils 20-25 Minuten). Ich empfehle darum natürlich, sich alle anzuhören. Wer das nicht kann oder mag, findet in diesem kleinen Podcastführer eine Hilfestellung für die zweite Staffel. Ein Klick auf die Folgentitel führt euch zur jeweiligen Folge.
#17: David Stockenreitner und der Kleinwüchsige
David Stockenreitner über ein Bit über seine Behinderung, und warum er als Künstler fast nicht umhin kann, diese auf der Bühne zu thematisieren. Gepaart mit Davids (wahrscheinlich österreichischem) Hang zum Grausligen ergeben sich aus dem Thema äußerst abstruse Momente.
#18: Drew Bulkeley und der Berlinstress
Drew Bulkeley ist laut eigener Aussage der „älteste lebendige Comedian in Berlin“ und das ist womöglich sogar wahr: Er sah George Carlin noch live im TV und wurde noch während des ersten Comedybooms Ende der 1970er und in den 1980er Jahren komisch sozialisiert. In dieser Folge spricht Drew über ein Bit über die Anstrengung, die es bedeutet, in Berlin zu leben.
#19: Doro Fesel und das Baby-Dickpic
Doro Fesel spricht über ein Bit über das Kinderhaben, -kriegen und -erziehen in Berlin. Wie reagiert man, wenn man zum x-ten Mal ein Babyfoto aus dem Freundeskreis kommentieren muss? Und sie breitet ihre Enttäuschung darüber aus, dass der Spruch „Fick deine Mutter“ so gut wie nie ernst gemeint ist. Außerdem gehen wir den Fragen nach, warum eine lustige Geschichte allein sich selten für die Stand-up-Bühne eignet und warum Stand-up trotz aller Faszination und Sakralisierung des Alltags eigentlich eine sehr politische Kunstform ist.
#20: Mathias Haze und 44 Chicken-Nuggets
Mathias Haze spricht über ein Bit, in dem er davon erzählt, wie er einmal 44 Chicken-Nuggets aß – und vor allem, wie das eigentlich passieren konnte: Schließlich ist er ein Gegner von Massentierhaltung und würde eigentlich gerne weniger Fleisch essen. Mathias beleuchtet das merkwürdige Verhältnis der Gesellschaft zu Tieren, die sie isst und verachtet, und Tieren, die sie nicht isst und bewundert. Er stellt ein Gedankenexperiment an: Wie könnte nachhaltiger Fleischkonsum eigentlich aussehen? Im Podcast zeichnet er die Entwicklung des Bits nach und spricht ferner über ein besonderes Merkmal der Kunstform Stand-up: Künstler:innen sind natürlich die, die auf der Bühne stehen. Aber auch das Publikum ist wichtig, und zwar oft entscheidender als in einem Kino- oder Theatersaal.
#21: Filiz Taşdan und die spirituelle Bahnfahrt
Filiz Tasdan spricht über ein Bit, in dem sie von ihren Erfahrungen mit Meditation berichtet. Sie erzählt, was sie einmal auf einem Meditations-Retreat erlebt hat und entdeckt, dass Spiritualität oft nicht das Tor zu Achtsamkeit und innerem Frieden ist, sondern vielmehr eine Maske, hinter der sich dieselbe abgründige Leere verbergen kann wie bei allen anderen Menschen auch. Anhand von einem Bit von Comedian Louis CK zeigt sie, warum Stand-up-Comedy gar nicht unbedingt geschrieben sein muss, um Lacher auszulösen. Manchmal kann sie auch „bloß“ aus absurden Gedanken bestehen – klingt so einfach, dabei ist es doch das Allerschwierigste.
#22: Anuschey und KarstenWagner2
Anuschey ist der Künstlername eines Comedians und Veranstalters aus München. Er hat Lehramt studiert, berichtet aber in der heutigen Episode von einer Erfahrung bei einem Nebenjob in einem Callcenter. Aufgrund der wenig originellen E-Mail-Adresse eines Anrufers denkt Anu auf der Bühne über Selbstdarstellung in der Gesellschaft und den Zwang zu Originalität nach. Und er kommt zum Schluss, dass es manchmal einfach lustiger sein kann, auf jemanden einzudreschen und kein Verständnis zu haben. Und es geht um den Schausteller im Künstler, der trotz allem künstlerischen Anspruch doch immer geliebt werden möchte.
#23: Vicki Blau und der Weltfrauentag
Vicki Blau spricht über die Grundfesten von Stand-up-Comedy: Denn die Kunstform ist mit ihrer Kombination von Text und Aufführung zwar ungleich jeder anderen. Andererseits ist sie natürlich auch nicht vom Himmel gefallen. Es wäre sogar vermessen, zu sagen, dass sich Stand-up keine Anleihen bei anderen Formen genommen hat. Die Verwandtschaft zwischen Comedians und Schauspieler:innen ist heikel, beide Gruppen fremdeln damit. Und doch ist sie da. Was also tun? Darüber spricht Vicki im Podcast, und natürlich über ein Bit, nämlich eines über den Weltfrauentag und verschiedene Werbeaktionen, die den Tag gewöhnlich begleiten. Die sind zwar meistens gut gemeint, verfehlen ihr Ziel aber doch deutlich.
#24: Martin Niemeyer und die Kleidermotten
Martin Niemeyer spricht über ein Bit, das er auch 2020 beim Hamburger Comedy Pokal 2020 gespielt hat: Was tun, wenn man Kleidermotten im Schrank hat? Und wie geht man vor, wenn man aus so einer kleinen Alltagsbeobachtung Bedeutung schöpfen und ein paar Minuten für die Bühne ziehen möchte? Wie kommt es, dass jeder Comedian im Laufe der Karriere mal ein Bit über die Deutsche Bahn oder Ikea im Programm hat? Und: warum Comedians manchmal ihr Set auf sich beruhen lassen und einfach mit den Menschen reden müssen.
#25: Kristina Bogansky und der einäugige Uwe
Kristina Bogansky spricht über ihr dreimonatiges Stand-up-Bootcamp, das sie mit sieben Minuten Set in die Welt entließ, und warum sie sich möglichst schnell auch dem kritischen Berliner Publikum aussetzte. Außerdem erklärt sie ihre persönliche Unterscheidung von Stand-up und Comedy. Sie spricht über ein Bit, das sie noch im September 2020 bei Kusskuss Komedy in Berlin gespielt hat: wie sie eigentlich erst viel zu spät, also nach dem Ende der Party, nach Berlin kam, dann nach ihrem Umzug dort auch erst eher rau empfangen wurde, und warum einem das auf dem Land nicht passieren würde.
#26: Manuel Wolff und die Hotel-Klimaanlage
Manuel spricht über ein Bit, das er Anfang 2019 bei der Show I Love Stand-up in Krefeld zum ersten Mal aufgeführt hat und das von einer kafkaesken Auseinandersetzung mit einer Hotel-Klimaanlage handelt. Außerdem geht es darum, dass Regeln in der Kunst eigentlich dazu da sind, um gebrochen zu werden. Und dass sie im künstlerischen Prozess trotzdem hilfreich sind: Denn sie geben einer Bühnennummer ein stabiles Gerüst. Und erst in der Auseinandersetzung mit Regeln zeigt sich auch, wozu ein Comedian imstande ist. Manuel erklärt, warum er Live-Stand-up (egal welcher Qualität) immer Stand-up auf Netflix vorzieht, und wie er einmal ein Jahr an dieselbe US-amerikanische Highschool ging wie der spätere Late-Night-Host Seth Meyers.
#27: Carmen Chraim and little Mahmudi Schmidt
This episode is in English.
Carmen Chraim talks about a bit she played in February 2020, when she played her one hour solo show for the last time. In the bit she talks about German-Arabic relationships and how to improve them in the years to come. As a metaphor for cultures growing more and more accustomed to each other, she introduces the concept of little German-Arabic boy called Mahmudi Schmidt. (Or is it Schmitt? Who knows.) Besides, she explains how heckling at a comedy show made her try stand-up herself and what comedians can learn by hosting shows.
#28: Mai My und der Kathedralen-Körper
Mai My spricht über ein Bit über das besondere Verhältnis von Comedians zu ihren Zuschauer:innen. Schließlich muss erst einmal die Chemie stimmen, bevor gelacht werden kann. Des weiteren geht es in der Aufnahme dann um bescheuerte Anmachsprüche, die sich Mai My als Mensch aus einer Einwandererfamilie anhören muss. Auch erklärt sie, wie es sich lebt, wenn von gleich zwei Seiten Erwartungshaltungen an einen herangetragen werden, nämlich von ihrer vietnamesischen Familie und vom gesellschaftlichen Umfeld in Deutschland. Außerdem geht es um die Frage: Darf man jetzt überhaupt noch Witze über Asiat:innen erzählen?
#29: Elena Wolff und die Verbesserung der Welt
Elena Wolff spricht über ein Set, das schwer auf einen thematischen Nenner zu bringen ist. Comedians schildern Themen durch ihre je eigene, persönlich gefärbte Linse. In dieser Aufnahme sind Persönlichkeit und Themen aber kaum voneinander zu trennen. Am ehesten täte es darum wahrscheinlich die Überschrift: Elena Wolff spricht über das Leben von Elena Wolff. Außerdem geht es: um Sicherheitsgefühle auf der Bühne, geistigen Wankelmut, Sprunghaftigkeit in der Themenwahl und um den individuell-eigenen Anteil an der Misere der Welt.
#30: Michelle Kalt und praktische Genitaltattoos
Michelle Kalt spricht über die schädlichen Nebenwirkungen von Zigaretten und Geschlechtsverkehr. Außerdem geht es um Comedy in der Schweiz, die Stand-up-Szene in Zürich, Stand-up-Schreibspiele in Zeiten von Corona, die Engführung des Publikums (!) und die Schwierigkeit, einzeln geschriebene Witze auf der Bühne in einen großen Zusammenhang zu bringen.
#31: Philipp Uckel und das Wunschgewicht
Philipp Uckel spricht in dieser Episode über ein Bit über sein Wunschgewicht, Pizza-Fressattacken, gesundes Essen, das eben nie schmeckt, und die ständig mäkelnde (bzw. beleidigende) Stimme im Kopf dicker Menschen. Außerdem geht es darum, warum man manchmal liebgewonnene Witze aus dem Programm streichen muss. Der Ausschnitt stammt von einer Aufzeichnung bei Späti Comedy, Anfang 2020 in Berlin.
#32: Toby Käp und das Dreier-Billard
Toby Käp spricht über ein Bit, das er im Sommer 2020 gespielt hat. Dabei geht es vordergründig um seine Vorstellung einer merkwürdigen sexuellen Erfahrung, auf den zweiten Blick aber um die Vorstellung, die eine hetero-normative Gesellschaft von bisexuellen Menschen hat. Und natürlich: um die Erwartungen, die sie an diese Menschen heranträgt. Außerdem erzählt Toby, wie er sich seine Stand-up-Anfänge hilfsweise mit einem Kredit finanziert hat; warum Witzeschreiben ist wie Holzschleifen; und wie man mit geeigneten sprachlichen Bildern Schubladen wieder öffnen kann, in die Menschen andere Menschen gerne einsortieren.