Low-hanging fruits.
Vor zwei Wochen habe ich noch überlegt, im Newsletter kurz auf Corona einzugehen. Dann habe ich mich dagegen entschieden. Der Gedanke dahinter: Wird ja gerade eh schon totgeredet, da muss ich nicht auch noch. So it goes.
Stattdessen habe ich da noch amüsiert geschmunzelt. Denn ich hatte noch die Nachricht gelesen, dass sich Weird Al Yankovic, der für seine erfolgreichen Popsong-Parodien berühmt ist (zum Beispiel Smells Like Nirvana oder Amish Paradise), dagegen verwehrte,My Sharona von The Knack umzudichten in My Corona. Kurz darauf sah ich dann, dass WDR 2 Comedy, also ein Format, das nicht unbedingt für seine erfolgreichne Popsong-Parodien berühmt ist, natürlich was produziert hatte? Ganz recht: My Corona.
Typisch dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk! Dachte ich, wie man sich das manchmal halt so denkt. Aber ich muss anerkennen, dass der WDR mir in nachrichtlicher Hinsicht natürlich weit voraus war. Darum gibt es diese Woche eine Ausgabe, die sich eeetwas mehr mit Corona beschäftigt bzw. den Auswirkungen des Virus’ auf Kulturschaffende und joke writing. Mal schauen, was ich in zwei Wochen verpasst haben werde.
Neu bei Setup/Punchline
Peter Wittkamp ist Autor bei der heute show online und hat bei Übermedien geschrieben, dass der Corona-Ausbruch gut für Witzeautor:innen ist, ja sogar mehr: “goldene Zeiten” bedeute. Ähnliches wurde auch behauptet, als Donald Trump US-Präsident wurde. Und das hat der Comedy meiner Meinung nach keine goldenen Zeiten beschert, sondern sehr viel Erwartbarkeit. Ich stimme drum gar nicht mit Wittkamp überein und erkläre im Kommentar warum. Apropos Corona: Immer mehr Open-Mics versuchen es im Internet. Kann das funktionieren, wo Stand-up-Comedy doch unbedingt einen Rückkanal braucht? Ich habe mir das mal angesehen, nämlich bei der Show von Chad Riden aus Nashville, Tennessee. Gelesen habe ich diese Woche: Das Comedy Improvisation Manual der US-amerikanischen Comedy-Gruppe UCB. Fast ein magisches Buch über Comedy. Zurück bleibt aber doch die traurige Erkenntnis, dass man zwar vieles, aber nicht alles aus Büchern lernen kann. Hier geht es zur Rezension. Und noch eine kurze nachgeklappte Nachricht: Netflix verschiebt sein pompös besetztes Comedy-Festival Netflix Is A Joke Fest. |
Comedy-News
- Vulture ist das Comedy-Portal, das ich gerne wäre. Vielleicht irgendwann ja mal! Der neueste Coup: Auf Basis von Comedians, die man gerne mag, empfiehlt das Portal weitere. Besser als jeder Algorithmus.
- Markus Maria Profittlich wurde gestern 60 Jahre alt. Die Stuttgarter Zeitung hat ein nettes kleines Porträt. Profittlich sagt: “Wenn ich manche Youtuber sehe, die mega-flach sind und trotzdem Millionen Follower haben, dann frage ich mich: Wo ist der Geschmack geblieben?” Sowas hat man sich bei der Wochenshow, der Profittlich lange angehörte, ja nie gefragt. Trotzdem irgendwie ein liebenswerter Charakter.
- Wegen schon länger zurückliegender Missbrauchsvorwürfe gab es in letzter Zeit viel Aufregung um Filmemacher und Stand-up-Comedian Woody Allen bzw. gegen Verlagspläne, seine Autobiografie zu veröffentlichen. Florian Schröder bemängelt beim Spiegel: “[W]enn Kunst nur noch von guten Menschen in guten Verlagen für gute Menschen gemacht wird, ist das ihr Ende. […] Das würde bedeuten, wir dürften überhaupt nur noch Kunstwerke von moralisch einwandfreien Künstlern lesen, sehen und hören.” Nein, das hat niemand verlangt. Es geht hier nicht um eine Grundsatzfrage, es geht um Woody Allen. Natürlich wurde der zwar nie verurteilt, aber ganz so eindeutig, wie Schröder den Fall macht, ist er nicht. Und gesellschaftliche Fragen werden nicht nur von Gerichten verhandelt.
- Comedy im Corona-Shutdown: Natürlich ist es richtig und wichtig, jetzt das gesellschaftliche Leben zurückzufahren. Die Auswirkungen auf Künstler:innen sind dennoch gravierend, und es tut sich ungemein viel. Es gibt unzählige Links dazu, darum hier nur ein paar Schlaglichter, die ich weiterempfehlen kann:
– Funktioniert Comedy im Home-Office? Ja, aber noch nicht so toll. (GQ)
– Wie die Absage aller Veranstaltungen Künstler:innen trifft. (jetzt.de)
– Der Guardian beschreibt die schwierige Situation im Vereinten Königreich, Vulture die in den USA. (“It’s Time for Stand-ups to Prepare for the Worst”)
– Autokinos kommen zurück! (L.A. Times)
– Corona könnte das Ende für Impro-Comedy-Gruppe Upright Citizens Brigade bedeuten (Vulture)
– Der WDR öffnet eine digitale Bühne für Satire, Kabarett und Comedy.
- Gar drei interessante Interviews habe ich in den vergangenen Wochen bei der Süddeutschen Zeitung gefunden. Eines mit dem Sänger Max Raabe, in dem er auch über die Grenzen der Ironie spricht (sie hört für Raabe da auf, “wo sie andere verletzt”. Klingt sehr einfach, klärt aber natürlich gar nichts). Dann gibt’s eines mit dem Soziologen Jörg Räwel, der über die “funktionslose Funktion” des Humors spricht, die gerade in Krisenzeiten Bedeutung gewinnt. Und dann noch ein kleines Gespräch mit Comedian und Produzenten-Legende Hugo Egon Balder. Das einfach so.
- Und der Rest: Die erste Folge von Maxi Gstettenbauers True Night Show kann man sich in der One-Mediathek ansehen. Myq Kaplan hat ein neues Album angekündigt. Und GQ hat ein interessantes Porträt von Saturday-Night-Live-Nachwuchstalent Bowen Yang.
Stöber-Tipp: Funny People. Serious Faces
Die Fotografin Carissa Dorson hat Comedians porträtiert und mit ihnen über Comedy gesprochen. Und weil es auch denen natürlich manchmal schwer fällt, sich anderen Menschen gegenüber zu öffnen, hat Dorson sie in einer sicheren Umgebung besucht: zu Hause. Starke Bilder.
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