Good ol’ jokes.
Nichts ist ja so alt wie ein Witz von gestern. Schließlich sind Witze an Menschen, Themen, Stereotype, Auffassungen, Konzepte oder Moden geknüpft, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade in einer Gesellschaft kursieren. Späße über Reichskanzler Bismarck oder rücksichtslose Pferdekutscher? Beim Open-Mic hätte man es damit heute sicherlich schwer.
Beim Karneval oder Fasching ist es anders. Da hört man Witze über Unisex-Toiletten, die AfD oder (ja, immer noch) Doppelnamen von Frauen. Dann kommt das Traschtanten-Duo oder die Putzfrau, die sagt, wie’s ist. Schade eigentlich, aber auch ein Stück weit verständlich. Karneval ist halt ein gesellschaftliches Ritual. Sprachlos gemacht hat mich aber ein Bericht über den Karneval in der belgischen Stadt Aalst. Dort gehört es dazu, dass sich die Einwohnerïnnen mit Hakennasen und Schläfenlocken verkleiden. Antisemitisch? Wir doch nicht, sagen die Aalster. Ist doch nur Spaß.
Nun, es ist keine Frage des Entweder-Oder. Es ist halt beides: ein Spaß (für die Aalster) und zugleich antisemitisch. Was soll die Reaktivierung antisemitischer Klischees denn sein, wenn nicht antisemitisch? Schon merkwürdig, dass Menschen ausgerechnet in so zeitspezifischen Dingen wie Humor auf jahrhundertealte Traditionen vertrauen. Denn selbst wenn der Spaß nicht antisemitisch wäre, wäre er ja mit Sicherheit immer noch eines: ziemlich alt.
Neu bei Setup/Punchline
Die Stand-up-Szene in Deutschland boomt seit Jahren, speziell in München. Immer mehr Shows eröffnen und wer noch nie auf einer war, sollte vielleicht mal hingehen. Nun ist München aber München und alles läuft sehr geordnet ab. Drum fürchten manche, dass die Stand-up-Szene hier schon bald tot sein könnte. Ich habe eine Seite eingerichtet, auf der ich Informationen für Veranstalter (in ganz Deutschland) zusammentrage und die besondere Situation in München samt ein paar lockerer Lösungsvorschläge beleuchte. Die Seite wird laufend aktualisiert. Wenn ihr Fragen habt oder Veranstalter seid und etwas beitragen möchtet, von dem auch andere profitieren: Klickt hier, um eine Mail zu schreiben! Außerdem habe ich eine neue Rubrik eingeführt, in der ich Filme über Comedy bespreche. Es geht los mit der Dokumentation Jim and Andy (2017), quasi ein Doppelporträt der Comedians Jim Carrey und Andy Kaufman. Carrey hat Kaufman Ende der 1990er in Man on the Moon gespielt. Bei den Dreharbeiten tat er so, als wäre er Kaufman. Das ist die simple Prämisse des Films, die alle zur Weißglut trieb. |
Comedy-News
- Ein Nachklapp zu Karneval/Fasching: In der ZEIT schreibt Ulrich Greiner (€), “ein Witz, der allen gefällt, ist keiner”. Geht meiner Meinung nach ein bisschen am Thema vorbei. Das Problem ist nicht der fehlende Konsens über Humor, sondern die Missachtung des Konsens’ über rassistische/sexistische/ableistische etc. Aussagen. Die meisten rassistischen Witze haben eben nicht viel mehr als einen rassistischen Kern. Der einzige Unterschied zu früher ist, dass dieser Kern nun benannt wird bzw. dass die Menschen, die ihn benennen, sich heute Gehör verschaffen können.
- US-Comedian und Podcast-Legende Marc Maron veröffentlicht ein neues Special auf Netflix. Hier geht es zum Trailer. Des Weiteren hier die Trailer zu den Specials von Taylor Tomlinson und Pete Davidson.
- Was deutsche Comedians tun: Maxi Gstettenbauer macht die True Night Show, eine “aufklärerische Late Night mit einer gesunden Portion Pimmelwitze”, wie der Comedian auf Facebook schreibt. Und das Kollektiv RebellComedy dreht für den WDR eine TV-Serie.
- Die Serie Friends kommt für ein Reunion-Special zurück zu HBO, teilt WarnerMedia mit. Und das ganz ohne Drehbuch.
- In Freiburg treffen sich jedes Jahr Veranstalter, Booker und Künstler zur “Kulturbörse”. Die FAZ hat für einen längeren Artikel die Kabarettistin Sonja Pikart begleitet und liefert einen interessanten Einblick in einen von Comedy-Nerds oft vernachlässigten Bereich: die Markttauglichkeit von Künstlern.
- Vor ein paar Ausgaben habe ich die Liste aller Adam-Sandler-Filme bei Vulture empfohlen. Nun hat das Magazin nachgelegt und präsentiert zwei Rankings aller Filme mit Jim Carrey und Will Ferrell. What a life.
Lese-Tipp: Eine späte Stand-up-Karriere
Natalie Levant aus Philadelphia ist 88 Jahre alt und Stand-up-Comedienne. Angefangen hat sie erst mit Anfang 80. Warum auch nicht? Es gibt sicherlich schlechtere Hobbys. Der Philadelphia Inquirer porträtiert Levant (“still slaying Philly crowds”) mit Artikel und Video.