Banalitätsverdacht.
Ein Freund schrieb mir vor kurzem, das mit dem Stand-up-Magazin sei ja schön und gut, aber er habe sich beim Lesen parallel erstmal durch das Begriffsdickicht googeln müssen. Recht hat er. Der Jargon ist voller Anglizismen (Spot, Line-up, Punchline) und obendrein nicht unbedingt intuitiv: Bomben ist negativ, Killen positiv? But why? Es ist zwar keine riesige Schwelle, aber immerhin eine Schwelle. Schon klar, dass sich manche dann eher abwenden als Jokes zu bouncen.
Für ein kleines Comedy-Lexikon habe ich darum ein paar Begriffe zusammengetragen. Die Definitionen sind nicht hochoffiziell, schließlich gibt es keine DIN-Norm für Comedy (noch nicht!). Aber man kann sich mit der Liste einen ersten Überblick verschaffen. Falls jemand fragt: Auf den in der deutschen Kulturlandschaft sehr wichtigen Begriff „Banalitätsverdacht“ habe ich verzichtet.
Ein blöder Begriff, der den Umgang mit vermeintlich banalen Dingen wie Comedy in Deutschland auf den Punkt bringt: Er nimmt eine Abwertung vor und suggeriert obendrein, dass das vermeintlich Banale verdächtig und anrüchig ist. Schon schade. Denn erstens kann auch das Banale sehr kunstvoll sein. Und zweitens ist das vermeintlich Banale manchmal gar nicht so banal: Auch Comedy kann Kunst sein. Wann, warum, wieso und auf welche Weise, darüber habe ich mit der Berliner Comedienne und Illustratorin Ingrid Wenzel gesprochen.
Neu bei Setup/Punchline…
… gibt es diese Woche ein Interview mit Ingrid Wenzel. Ingrid ist Stand-up-Comedienne und Illustratorin und hat Kunstgeschichte studiert. Ich habe sie gefragt: Kann Comedy denn nun auch Kunst sein? Ist ein Witz ein Kunstwerk? Spoiler: Ja, aber nein, aber irgendwie schon, aber auch nicht. Beziehungsweise kommt es halt drauf an.
Außerdem habe ich ein kleines Lexikon wichtiger Comedy-Begriffe angelegt und eine Liste von Podcasts über Stand-up und die Szene. Shows in München sind schon ziemlich komplett verzeichnet, die Deutschlandkarte, auf der man irgendwann einmal alle Shows finden können soll, ist dagegen noch relativ leer. Ich freue und bedanke mich immer über Hinweise.
Comedy-News
- Disney hat nun auch ein Streaming-Portal gestartet, nämlich Disney+, das 2020 auch nach Deutschland kommt. Da der Konzern gefühlt für 99 Prozent aller Filme verantwortlich ist und seine Produktionen und alles, woran er Rechte hält (z. B. die Simpsons) nun heim holt, schafft das mächtig Betrieb im Streaming-Markt. Netflix etwa hat sich prompt mit Kindersender Nickelodeon verbündet. Wahlweise ist die Rede von „Streaming Wars“ oder sogar der „Streaming Apocalypse“. Die SZ hat einen sehr guten (kostenpflichtigen) Überblick, vox.com einen kostenlosen. Ich glaube zwar nicht, dass das (brave) Disney groß ins (dreckige) Geschäft mit Stand-up-Specials einsteigt, aber man kann das ja mal im Hinterkopf behalten. Interessant auch: When Disney Gains The Simpsons, What Do We All Lose?
- Im Zuge von #metoo räumte Comedian Louis C.K. ein, Frauen sexuell belästigt zu haben, und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Soll er auf die Bühne zurückkehren dürfen? Ob das moralisch in Ordnung ist, darüber ist sich die Gesellschaft uneins (und die Frage lässt sich sicher auch nicht in zwei Sätzen hier beantworten). Ein Veranstalter in Zürich indes hat aus Angst vor negativen Reaktionen C.K.s Auftritt abgesagt. (€) Ein weiteres Schlaglicht: Netflix hat ein Special von Comedian John Crist aus ähnlichen Gründen ausgesetzt. Siehe zur Thematik auch hier: Louis C.K. Accuser Speaks Out. Und: Louis C.K. Doubles Down on the Value of Saying the Wrong Thing.
- Comedian Shahak Shapira hat seit einiger Zeit eine Show auf ZDFneo. In der jüngsten Ausgabe brachte er das schöne Format des Roasts ins deutsche Fernsehen. Kurz gesagt: Er hat Gäste eingeladen, damit ihn diese beleidigen. Länger gesagt: Das ist stellenweise sehr lustig, die Haltung dahinter ist eine sehr liebevolle.
- Die Comedy-Serie Brooklyn 99 über die schrägen Charaktere in einem New Yorker Polizeirevier bekommt eine achte Staffel, bevor die siebte überhaupt veröffentlicht ist.
- „Berlin geht zum Lachen in den Keller“: Der Tagesspiegel hat die englische Stand-up-Szene in Berlin entdeckt, bei der offenbar gilt, Zitat: „Publikumsbeschimpfung gehört zum Programm“. Wusste ich gar nicht. Ist aber ja immer schön, wenn die Szene Aufmerksamkeit von größeren Medien bekommt.
Lese-Tipp: Der Erfinder der Lach-Konserve
Der US-amerikanische Tontechniker Charles Douglass spielte einmal bei einer mäßig lustigen Fernsehshow Lacher vom Band ein und veränderte damit, wie Menschen Comedy-Shows wahrnehmen. Ob ohne Douglass‘ Werk Fernsehen tatsächlich nur halb so lustig wäre, wie es im Artikel heißt? >>> Zum Artikel