Die Doku-Serie Heroes – Aus dem Leben von Comedians bringt junge Comedians mit ihren Vorbildern zusammen. Gemeinsam gehen diese Zweierteams dann ihren je eigenen Ansichten und Einstellungen zu Stand-up und Comedy auf den Grund. Ich finde Heroes äußerst gelungen (meine Rezension gibt es bei der Süddeutschen Zeitung zu lesen), die Serie ist voller intensiver Szenen und aufschlussreicher Gespräche. Hier sind meine Lieblingsmomente:
1. Josef Haders Laudatio auf Till Reiners
Bei der Abschlussshow im Berliner Renaissance-Theater kündigen die Vorbilder „ihre“ Comedians an. Josef Hader etwa Till Reiners. Das klingt dann so: „Ich mache das nicht gern, weil ich junge Kollegen eigentlich nicht mag. Ich hasse sie, diese 1,90 Meter großen, penetrant nach Testosteron stinkenden, Caffè-Latte-verschmierten Vollbartträger, die sich lässig vorkommen, weil sie am Kottbusser Tor wohnen.“
Wer es noch nicht gemerkt hat: Comedy ist mehr als spaßige Lustigkeit, Comedy kann böse sein, und auch Beschimpfung kann lustig sein. Aber: eben nie zum Selbstzweck. Auch das zeigt Haders Auftritt: Sein Witz ist nicht der Text, den ich oben abgetippt habe. Witz bei der Stand-up-Comedy besteht zu großen Teilen auch aus Persönlichkeit. Bei Hader ist das der alte grantige Mann, der einem Kollegen den Erfolg nicht gönnt und bei der Vorstellung fast den falschen Namen sagt. Natürlich ist das ein gespieltes Versehen, aber ein sehr kunstvolles. (Nebenbei gesagt: Hader fasst natürlich auch wunderschön das präpotente Getue jüngerer Comedians zusammen, die aus den falschen Dingen Selbstbewusstsein ziehen. Die Lektion: Auch die alternativen Stürmer&Dränger müssen aufpassen, nicht zum Klischee zu werden.)
2. Enissa Amani erklärt New Yorker Comedians, wer Volker Pispers ist
Wie Amani den anderen Gästen und dem Moderator des Podcasts Race Wars zu erklären versucht, dass es durchaus große und bekannte deutsche Künstler gibt – das ist natürlich von vorne bis hinten zum Scheitern verurteilt. (Und Amani hat da noch nicht mal den Begriff „Kabarett“ eingeführt.) Es ist anstrengend zu sehen und zu hören, wie respektlos alle durcheinander quatschen. (Himmel, wie schwer muss es sein, als Comedian in den USA durchzudringen!)
Niemand lässt Amani ihren Punkt machen. Aber wozu auch? In globaler Hinsicht ist Volker Pispers allein wegen der Sprachbarriere ein Niemand. Heroes zeigt: Die Ära von Netflix und Youtube ist die Ära des globalisierten Humors. Und eben nicht mehr die Zeit von politischen Kabarettisten in geriffelten Pullovern mit Kragen und Brust-Reißverschluss.
3. Der lange Weg zur Bühne
Fünf der sechs Folgen beginnen damit, wie die Comedians durch den Backstage-Bereich des Berliner Renaissance-Theaters laufen. Karge Gänge entlang, vorbei an allerhand Gerümpel, Treppen hinauf. Ganz unerheblich, ob da wirklich der exakte Weg von der Garderobe zur Bühne gezeigt oder alles aus dramatischen Gründen ein wenig gestreckt wird. Der Lauf durch die Katakomben zeigt uns als Zuschauern einen besonderen Moment, den Bühnenkünstler erleben. Da ist Angst, Unbehagen, Lampenfieber: Man wird sich gleich vor vielen, vielen Menschen entblößen. Und zwar ganz allein. Vielleicht sogar als unlustiger, im schlimmsten Fall langweiliger Mensch offenbaren, ohne jede gedankliche Tiefe, der aber meint, er besäße sie. Stand-up ist schwer, verdammt. Aber da sind eben auch: Vorfreude auf den Flow und die Erleichterung. Heroes zeigt in wenigen Sekunden die Bandbreite des Comedian-Daseins.
4. Die Comedy-Diagnose von Christian Ulmen
Die Folge mit Christian Ulmen tanzt aus der Reihe, weil er sich aus irgendwelchen Gründen nicht in das Konzept von Heroes fügen wollte. Stattdessen ist die Folge mit Ulmen, den seine Bewunderer Kawus Kalantar und Daniel Wolfson belagern und nerven, dann recht quatschig. Macht aber nichts. Und Raum für den Austausch über Comedy ist auch. Etwa wenn Ulmen die beiden in seinem Oldtimer herumkutschiert und eine Anekdote über die NDR-Talkshow 3nach9 erzählt. Diese arbeitete sich einmal an Gast Jan Böhmermann ab, Moderatorin Judith Rakers fragte mehrmals überkritisch nach, warum es Witze über Rechtsextremismus brauche. Ulmen sagt dazu in Heroes: „Vielleicht müssen wir es den Leuten doch erklären.“ Dass Lachen eben nicht ausschließlich für „freudvolle Zustimmung“ steht, wie das in Deutschland immer noch viele glauben. „Dass es auch noch etwas anderes sein kann.“
Ulmen spricht an, was Debatten über Humor in Deutschland so anstrengend, Debatten über Satire so gut wie unmöglich macht. Wer lacht, bekennt Farbe, bekennt sich einem Lager zugehörig. Diese Auffassung liegt häufig der Aufregung über Dieter Nuhr oder Jan Böhmermann zugrunde. Und sie verdeckt den Blick auf das Handwerk und die Kunst dahinter. Sie hindert den Humor in Deutschland daran, vielschichtiger zu werden.
5. Marina Franklin und der Kern von Stand-up
Comedienne Enissa Amani trifft in New York auf die Kollegin Marina Franklin. Die berichtet davon, wie sie an Brustkrebs erkrankte und diese Erfahrung auf der Bühne verarbeitete. „Alles, worüber ich auf der Bühne spreche, ist wahr“, sagt sie. „Es sind Geschichten, die erzählt werden müssen.“ Schön, dass Heroes der Weisheit Platz einräumt: Stand-up is about truth.
Was soll das heißen? Sicher nicht, dass Witze besser werden, je mehr sie das Schwere oder Existenzielle zum Thema haben. Je mehr sie von Tod, Trauer oder Krankheit handeln. Und es bedeutet auch nicht, dass jeder auf der Bühne geäußerte Satz logisch und inhaltlich wahr sein muss. Es bedeutet, für Comedians, egal ob sie One-Liner raushauen oder erzählerisch einen langen Bogen schlagen: Verstell dich nicht. Es geht um deine Stimme, deinen Blick auf die Welt, deine Wahrheit. Das Publikum merkt es, wenn du sie noch nicht gefunden hast.
Heroes – Aus dem Leben von Comedians, von David Hadda & Martin Danisch, zu sehen bei 3sat und in der ZDF-Mediathek
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