Very special.
Ein special ist im Grunde ein fancy englischer Ausdruck für das Programm eines Comedians, mit dem er oder sie dann länger auf Tour ist. Zum Beispiel Paper Tiger von Bill Burr, Liebe von Hagen Rether oder Da sagt der Grünwald Stop. Grobe Richtschnur: In Deutschland dauert so ein Special meistens zwei mal 45 Minuten, klar, wie ein Fußballspiel. In den USA geht es eher Richtung 60 Minuten.
Sowas habe ich unter anderem gelernt, seit ich vor zwei Jahren damit angefangen habe, mich durch die deutsche Stand-up-Szene treiben zu lassen. Ich fand sie aufregend, ich fand sie neu. Und ich finde sie immer noch neu. Darum habe ich dann auch versucht, meine Erkenntnisse in einem Artikel zusammenzutragen.
Das wäre nicht möglich gewesen ohne die Hilfe von Henning Wechsler. Henning lebt in Berlin und steigt als Comedian auf Bühnen. Ich lernte ihn damals kennen, weil er, wie sich das für einen Veranstalter gehört, rauchend vor dem „Zosch“ in Berlin-Mitte herumsaß, wo er jede Woche seine Show „Aufstand Comedy“ abhält. Wir haben dann viel darüber gesprochen, was das eigentlich sein soll, Stand-up, und was ihr Wesen ausmacht. Henning findet, Stand-up-Comedy ist voller Wärme, weil sich die meisten drin wiedererkennen können. Comedians erleben „den gleichen Mist wie wir alle, und jeden Tag taucht neue Verzweiflung auf an den Dingen“, sagt er.
So viel ich durch Henning übrigens über Stand-up gelernt habe: Am Ende kam er in meinem Artikel gar nicht vor. Manchmal tun Journalisten nämlich so, als hätten sie viele kluge Gedanken einfach selbst gehabt. Auch das gehört zur Tragik dieses Lebens. Aber nach den Gesprächen mit Henning weiß ich: Er kann damit umgehen. Immerhin: Als kleines verspätetes Dankeschön widme ich ihm meinen ersten Artikel auf Setup/Punchline. Viel Spaß beim Lesen!
Neu bei Setup/Punchline…
… gibt es diese Woche das genannte Interview mit dem wunderbaren Comedian und Veranstalter Henning Wechsler. „Nur weil man’s sagen darf, ist es noch lange nicht lustig“, fasst er knapp zusammen, womit sich die halbe deutsche Medienlandschaft mit schöner Regelmäßigkeit herumschlägt.
Außerdem habe ich hochoffiziell mitgeteilt, dass es nun endlich losgegangen ist mit dem Magazin hier. Hier geht es zur Nachricht. Und zur Ankündigung, was da alles noch kommen wird. (Kleiner Spoiler: unglaublich viele Fotos von Mikrofonen und Ziegelwänden. Es wird großartig.)
Comedy-News
- Matthias Kalle und Sophie Passmann machen bei der ZEIT den Podcast „Die Schaulustigen“. In der jüngsten Folge haben sie über amerikanische Late-Night-Shows, Stand-up und Comedy in den USA gesprochen. Interessant und kundig, für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr Deutsch-Humor-Bashing.
- In der FAZ gibt es ein Porträt (€) vom zur Zeit unglaublich erfolgreichen Berliner Comedian Felix Lobrecht. Geschmack hin oder her, leider bemüht sich der Artikel nicht so richtig darum, Lobrecht und das Phänomen Stand-up verstehen zu wollen. Zitat: „Auf der Bühne spielt Lobrecht sich selbst, den Proll aus Neukölln […]. Dazu berlinert er ein bisschen und macht Witze, die nicht politisch korrekt sind […]. Das kommt bei den jungen Menschen im Publikum erstaunlich gut an.“ Klar, mehr ist es ja nicht.
- Der Quatsch Comedy Club eröffnet eine Filiale im Münchner Werksviertel und kommt bei der Bekanntgabe natürlich nicht um das Wortspiel „O’glacht is“ herum. Ich bin trotzdem erst einmal gespannt.
- Comedian Chris Tall bekommt zwei neue Shows. Der Rezensent der Süddeutschen findet’s so mittel. Ich habe noch nichts davon gesehen.
- Die New York Times listet die aktuell besten (nach ihrer Einschätzung) Stand-up-Specials auf den gängigen Streaming-Portalen. Außerdem gibt’s einen neuen Trailer zur dritten Staffel von „Marvelous Mrs Maisel“.
- Das kurze Leben des Berliner Kabaretts „Die Katakombe“: Vor 90 Jahren wurde die Kabarettbühne „Die Katakombe“ gegründet. Unter anderem Erich Kästner und Kurt Tucholsky schrieben hier die Texte. Sechs Jahre später machten die Nazis den Laden zu. Ein Stück deutscher Humorgeschichte, vor allem für Leute, die gerne „wird man wohl noch sagen dürfen“ sagen.
Lese-Tipp: The Late, Great Stephen Colbert
Dieser Artikel aus dem amerikanischen Magazin GQ stellt den Talkmaster und Comedian Stephen Colbert vor. Ist zwar schon von 2015, fiel mir aber jüngst wieder ein, weil Colbert darin den schönen Gedanken für Comedians äußert, die ja häufig mal auf der Bühne bomben, also versagen: „You have to learn to love the bomb.“ Seitdem denke ich darüber nach, was das genau bedeutet.