Humor, los jetzt!
In den 1990er Jahren war das Internet dann da. Alle Medien in Deutschland legten sich allmählich Webseiten zu. Und weil man noch nicht wusste, ob das alles auch von Dauer sein würde, setzte man halt mal ein oder zwei Kolleg:innen in ein Büro, schrieb „Online“ an die Tür und wartete ab. Es war ein Ressort wie Wirtschaft oder Sport. Das war natürlich Quatsch, aber man wusste es halt nicht besser und das „Thema“ war gut aufgeräumt.
Daran muss ich denken, seit ich mich intensiver mit dem ganzen Comedykram beschäftige. Auch der Humor kommt mir in Deutschland oft so vor, als wäre er eingesperrt, wie damals das Internet. Meistens hat man nichts mit ihm zu tun. Und wenn man ihn mal braucht, geht man hin und sagt: Jetzt mach mal, Humor! Ist gerade Corona. Los jetzt!
„Der Humor wurde uns geschenkt als Ausweg und Trost“, sagte etwa Eckart von Hirschhausen im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Humor als Hilfe gegen Sorgen und existenzielle Nöte, deswegen holen wir ihn aus seinem Zimmer. Damit er etwas für uns erledigt. Und offenbar nicht: damit wir etwas zu lachen haben. Auch so eine Funktion des Humors, gerne vergessen.
Neu bei Setup/Punchline
Nun ist er endlich da, der Podcast von Setup/Punchline, zumindest die erste Folge. Er heißt Setup/Punchline – Ein Podcast über Stand-up-Comedy. Zum einen, weil das die Wahrheit ist. Und zum anderen, weil manchmal die einfachste Lösung auch die beste ist. In etwa 20-minütigen Folgen erzählen Comedians von ihrem Handwerk. Sie tun das am Beispiel eines Bits, also einer thematischen Einheit an Witzen. Wie hat sich die Nummer entwickelt? Warum sind die Punchlines und Pausen so gesetzt und nicht anders? Welche Zeile funktioniert nie, aber sie können sich einfach nicht davon trennen? In der ersten Folge zu Gast, also über Telefon: die österreichische Comedienne Erika Ratcliffe. Über Erika hab ich an dieser Stelle schon einmal geschrieben. Sie sieht sich als unreligiöser Mensch (und wohnt obendrein im gottlosen Berlin), ist aber im sehr katholischen Österreich aufgewachsen. Darüber spricht sie auch auf der Bühne. Die Folge könnt ihr hier hören oder z. B. auf Spotify (Apple Podcast zickt noch ein wenig) oder über den Podcast-Catcher eurer Wahl. Außerdem gibt’s eine kleine Buchrezension: nämlich über Sick in the Head, ein Sammelband an Interviews, die der Filmemacher Judd Apaptow (u.a. Love) mit Personen aus der US-amerikanischen Comedy-Industrie geführt hat. Die meisten Comedians haben dieses Buch im Regal stehen. Ich vermute, dass es wenige gelesen haben, weil es ein bisschen lieblos zusammengestellt ist. Das ist schade, weil man als Leser:in so vielleicht ein paar gute Stellen verpasst. |
Comedy-News
- In Großbritannien hat ein Witz darüber, bis zu welchem Alter Kinder noch gestillt werden (sollten), der BBC einen schönen Shitstorm beschert. Das Portal Chortle bemüht zur Schlichtung des Streits sogar die Weltgesundheitsorganisation.
- Die US-amerikanische Impro-Gruppe Upright Citizens Brigade schließt ihr Theater und ihr Trainingszentrum in New York. Die Gründer stehen in der Kritik, weil sie mit den Angestellten ziemlich ruppig umgesprungen sein sollen und wohl auch zu wenig Geld ausbezahlt haben. In einem Interview mit dem Hollywood Reporter räumt Gründerin Amy Poehler Fehler ein.
- In der FAZ findet sich ein Totalverriss von Frau Jordan stellt gleich. Ich habe die Serie nicht gesehen, habe mich aber sehr gewundert. Einmal, weil die Rezensentin das Wort „Lesbierin“ benutzt (willkommen in 2020), und dann noch über die Tatsache, dass sie „auch nach zehn Folgen nicht [weiß], ob es hier um Haltung oder Satire gehen soll“. Schön, wenn die Fronten so geklärt sind.
- Funfact: Schauspieler Pat Morita, der in Karate Kid den Mentor aller Mentoren spielte, Mr. Myagi, begann seine Karriere als Stand-up-Comedian. Sein Mentor wiederum: Comedian Redd Foxx.
Hör-Tipp: Comedy History 101
Comedian Harmon Leon und Regisseur Scott Calonico betreiben diesen Podcast über Comedy-Geschichte. Dabei nehmen sie spezielle Blickwinkel ein: Die Geschichte rassistischer britischer Comedians wird beleuchtet, auch die von dead baby jokes. Meine Lieblingsfolge bislang: History of Slipping on a Banana Peel.
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