Darf der das?
Als Germanistik-Student habe ich einmal etwas sehr Verwegenes getan. In den Medien war gerade wieder die Debatte am Laufen, ob schlimme Menschen gute Kunst produzieren können. Und ich wollte es nun ein für alle Mal wissen und kaufte mir in einem Antiquariat den Roman Michael von Joseph Goebbels. Ja – der Goebbels. Ich war gespannt: Könnte es sein, dass so ein Mensch auch zu feinen Gedanken fähig ist? In diese Ambivalenz wollte ich eintauchen. Da merkt man als Germanist erst so richtig, dass man lebt.
Was soll ich sagen? Goebbels verwendete als Autor eindeutig zu viele Ausrufezeichen, was ja nie ein gutes Zeichen ist. Und auch der Rest ist wirklich lächerlich schlecht. Man kann, das als Tipp, drauf verzichten, den Roman zu lesen. Was anderes wäre es, würde sich heute rausstellen, dass Goethe in einen schlimmen Skandal verstrickt war. Oder Bach oder Beethoven. Ihr Einfluss war riesig, es gab zahlreiche Epigonen. Man könnte sie aus der Kulturgeschichte nicht einfach aussparen.
Was uns zum Fall Louis CK führt. Ob CK, der sich wegen sexual misconduct im Zuge von #Metoo zurückzog, für die Comedy so wichtig ist wie Goethe für die Literatur, kann man heute noch nicht sagen. Auf jeden Fall ist er unbestritten eine wichtige Figur. „He changed comedy“, sagt etwa der Regisseur Judd Apatow. Können schlimme Menschen also gute Kunst produzieren? Immer noch schwer zu beantworten. Und niemand muss sich das anschauen, der nicht will. Aber die innere Architektur einer Kunstform erschließt sich allein historisch: Wer verstehen will, warum Comedy heute so ist, wie sie ist, der wird um Louis CK kaum herumkommen.
Neu bei Setup/Punchline…
… gibt es diese Woche meinen Kommentar zur Frage: Dürfen wir wieder zu Louis CK lachen? Es scheint manchmal, als wäre die Frage nach der Moral in der Comedy die einzige, die Journalistïnnen umtreibt. Ich finde: Es existiert keine Antwort. Die Frage führt zu nichts. Und sie verkennt zweierlei: einmal, dass Moral keine externe Institution ist, die den Menschen Vorgaben macht, sondern auch eine persönliche Angelegenheit. Und zweitens, dass es Zwischenstufen gibt. Nicht nur bei Meinungen und Bewertungen. Sondern auch beim Lachen. Es gibt nicht nur Null und Eins.
Comedy-News
- Der US-Comedian Pete Davidson hat Zuschauer seiner Show in San Francisco dazu verpflichtet, NDAs zu unterzeichnen, sogenannte non-disclosure agreements. Das heißt: Würde irgendetwas nach draußen dringen, auch nur ein Satz zur Show auf Twitter, würde das eine Million Dollar Strafe kosten. Klar soll vor dem offiziellen Release nichts nach draußen dringen, aber das ist schon eine harte Nummer. Dieser ausgewogene Artikel bei vulture.com behandelt aber auch die andere Seite der Medaille: die um sich greifende Unsitte, dass Zuschauer immer öfter heimlich aufnehmen, filmen, streamen und leaken. Das ist ein Problem: Es untergräbt die Konvention, dass Comedians ihr Material auch erstmal auf Bühnen testen können.
- Bidding war um Ali Wong: Netflix hat die US-amerikanische Stand-upperin für zwei weitere Specials verpflichtet. Der Streaming-Dienst setzte sich gegen HBO durch und zahlt Wong wohl einen zweistelligen Millionenbetrag.
- The Big Bang Theory ging nun auch auf Deutsch zu Ende. Eine Autorin des Spiegel wirft einen Blick zurück und erkennt in der Serie das ganz große Porträt der amerikanischen Gesellschaft (und benutzt dabei außerdem das schöne Wort „Ridikülisieren“). Ich konnte mit TBBT nie groß etwas anfangen, finde aber diese Analyse über die Frauenfeindlichkeit der Serie schlüssiger als den Spiegel-Artikel, der das Thema relativ zügig vom Tisch wischt.
- Aus der Reihe: Kabarettisten verstehen die Welt nicht mehr. Der MDR hat sich von Uwe Steimle getrennt und will die Doku-Sendung „Steimles Welt“ ab 2020 nicht fortführen. Steimle hat wiederholt die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt, etwa in einem Interview mit der ultrarechten Jungen Freiheit. Das ist nun halt einer der schwersten Vorwürfe, die man insbesondere den ÖR machen kann. Nach einer Mahnung Mitte November wunderte sich Steimle, dass sich der MDR nicht schützend vor ihn stellt. ¯\_(ツ)_/¯
- Der Guardian listet „Top 10 Books About Comedy“.
Schau-Tipp: Heroes
Comedians treffen ihre Vorbilder. So fasst das ZDF die sechsteilige Serie „Heroes – Aus dem Leben von Comedians“ zusammen. Das ist mal workshop-mäßiger wie bei Freddi Gralle und Serdar Somuncu (Foto: ZDF/Matthias Ziegler), mal philosophischer wie bei Till Reiners und Josef Hader, durchaus auch mal nervig (Enissa Amani in New York). Aber es zeigt viele Facetten von Comedy, die es bisher so selten im Öffentlich-Rechtlichen zu sehen gab. Zur Serie