Andy Kaufman war ein US-amerikanischer Comedian, Entertainer und Künstler. Aber wer war Andy Kaufman? Da wird es schon schwieriger. Aus vollkommener Hilflosigkeit habe ich vor kurzem einer Bekannten erklärt, Kaufman sei so etwas wie ein „amerikanischer Helge Schneider“. Die Bekannte lachte über diese Bezeichnung. Sie kannte Kaufman nicht und das Werk von Helge Schneider nicht besonders gut. Aber sie spürte sofort: Das passt nicht zusammen.
Kaufman war eine Ausnahmeerscheinung, ein Anti-Comedian, ein Künstler, der die Einteilung der Welt in Bühne und Zuschauerraum und in ein Vor und ein Hinter der Kamera nicht hinnahm. Schon die Lektüre des Wikipedia-Eintrags ist ein großer Spaß. Sein Leben gab Anlass zu Bildung kruder Legenden, zum Beispiel der, dass Kaufmans Tod 1984 wie alles in seinem Leben nur vorgetäuscht gewesen sei. Oder dass Andy Kaufman und US-Präsident Donald Trump in Wahrheit ein- und dieselbe Person seien. Oder dass Schauspieler Jim Carrey (The Mask, The Truman Show) und Kaufman in Wahrheit ein- und dieselbe Person seien. Und so weiter.
Filme über Comedy
Wie entsteht Comedy im Film und wie lässt sich das mit der Kamera einfangen? Diese Rubrik widmet sich Spielfilmen und Dokumentationen, die diesen Fragen nachgehen. >>> Weitere Artikel
Bei Carrey kann man das noch halbwegs nachvollziehen. Der spielte Kaufman 1999 im Spielfilm Man on the Moon (deutsch: Der Mondmann). Und verblüffender noch als die optische Ähnlichkeit ist die überzeugende Darstellung selbst kleinster Gesten, Ticks oder Zuckungen der Mundwinkel. Um Man on the Moon soll es hier aber nicht gehen, sondern vielmehr um Jim and Andy von 2017. Das ist nämlich der Film, der zeigt, wie Carrey diese überzeugende Darstellung gelang: Er tat während der gesamten Dreharbeiten so, als wäre er Andy Kaufman.
Es klingt nach einem blöden Witz, aber Carrey hielt das eisern durch, und zum Glück durfte damals ein kleines Filmteam bei den Dreharbeiten dabei sein, um es festzuhalten. Es beginnt bei Kleinigkeiten: So sieht man in Jim and Andy also, wie Carrey sagt: „Why are you calling me Jim? I’m Andy!“ Aber mehr und mehr fällt Carrey damit allen auf die Nerven, von Mitarbeiterïnnen der Produktion, über Nebendarstellerïnnen, hin zu Miloš Forman, dem Regisseur von Man on the Moon, der verzweifelt versucht, mit dem Schauspieler Jim Carrey zu sprechen, was ihm der Carrey/Kaufman aber verweigert. Später sagt Carrey/Kaufman über Jim Carrey: „He has done very, very little work on this project. And yet, he will get a lot of the glory.“
„Jim and Andy“: Ein unrezensierbarer Film
Es ist meiner Meinung nach schwierig bis unmöglich, Jim and Andy zu rezensieren, genauso wie es schwierig ist, Andy Kaufman zu rezensieren. Die Passagen, in denen der echte Jim Carrey über das ganze Projekt spricht, sind zwar interessant, erklären aber eigentlich nicht, warum Carrey so verrückt handelte. Vielleicht muss man sich von derartiger Wut des Verstehens aber befreien und die Fragen aushalten, auf die Jim and Andy keine Antwort gibt. Ohnehin zieht der Film einen Großteil seiner Faszination aus der Prämisse des unglaublich übertriebenen Method Acting von Carrey. Man sitzt beim Schauen ungläubig da und fragt sich: Er wird doch nicht…? Doch, er wird.
Ist das ein tiefer Film über Identität? Einer über die verkommene Filmbranche und ihrer inszenierten heilen Welt? Oder Doku gewordener Kitsch mit pseudo-nachdenklichen Sprüchen? Auf jeden Fall bekommt man in Jim and Andy neben viel unterhaltsamer Irritation auch die Biografien von Kaufman und Carrey mitgeliefert. Man bekommt einen winzigen Eindruck davon, wie mutig und für ihn selbst anstrengend die Anti-Comedy von Kaufman gewesen sein muss.
Am Ende der Dreharbeiten von Man on the Moon hält dann Tony Clifton, eine Art Alter Ego von Kaufman (but not quite), also der Carrey/Kaufman/Clifton, eine Ansprache vor dem versammelten Team. Unter Tränen sagt er: „We should all thank God that Andy Kaufman walked this earth.“ Wer weint da jetzt? Carrey? Clifton? Kaufman? Oder doch wir alle?
Jim and Andy (2017), mit Jim Carrey, Tony Clifton, Bob Zmuda; Regie: Chris Smith, Dauer: 94 Min., zu sehen bei Netflix
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