Fett und Fett / Katie Mears / Ari Shaffir

Der Comedy-Newsletter von Setup/Punchline: News über Stand-up, Comedy und Kabarett
Comedy-Newsletter von Setup/Punchline: #Omagate, Eddie Murphy, PCCC*, politisch korrekte Comedy

Low status.

is where comedy lives. Dieser kurze Satz kann erklären, warum zum Beispiel Witze über Jugendliche, die sich bei Fridays For Future engagieren, oft so krampfig daherkommen. Es ist eben auch entscheidend, wer da spricht, nicht nur, was gesagt wird. Und wer junge Menschen schulmeistert, ist eben ein Schulmeister, auch wenn das Schulmeistern im Modus des Witzes geschieht.

Ihr Jugendlichen macht mir Angst und ich schäme mich vor mir selbst! Das ist etwas, was niemand sagt, schon gar nicht auf Bühnen. Aber wie viel kraftvoller wäre das, würden Mittvierziger/Boomer/ältere Menschen so reden. Es wäre low status. Es wäre aufrichtig. Es könnte die Prämisse für großartige, wahrhaftige Witze sein.

Comedy is about truth and pain. Noch so ein Spruch. Vergangene Woche konnte man das live miterleben, in der Talkshow von Markus Lanz: Der Comedian Atze Schröder entschuldigte sich bei einer Holocaust-Überlebenden für die Verbrechen seines Vaters. Schröder weinte, die Stimme brach ihm weg. Und währenddessen trug er die Perücke und die Proleten-Sonnenbrille, also die Verkleidung, die er trägt, wenn er Atze Schröder spielt. Sehr verwirrend, eigentlich. Aber das war auch: beeindruckend, entwaffnend. Ein großer, menschlicher Moment. Und darum geht’s ja eigentlich.

Neu bei Setup/Punchline

Durch Zufall stieß ich vor einigen Monaten auf die Serie Fett und Fett, eine Idee zweier Absolventïnnen der Münchner Filmhochschule, Chiara Grabmayr (Regie) und Jakob Schreier (Drehbuch). Schreier spielt darin Jaksch, der das ist, was man in München einen Sandler nennt: ein Tunichtgut, ein großstädtisch-verplanter Tagedieb, aber dabei liebenswürdig und lebensbejahend, ach, ja, was soll ich sagen? Mir hat’s gefallen. Nicht zuletzt, weil mich zwei Dialogzeilen aus Fett und Fett so sehr gepackt haben, dass ich kerzengerade auf dem Sofa saß. Welche das sind, könnt ihr selbst herausfinden. Bis Anfang April kann man die zwei Staffeln noch in der ZDF-Mediathek ansehen (und braucht ungefähr einen ausgedehnten Abend dafür).

Ich habe Jakob getroffen und mit ihm über Fett und Fett gesprochen, und darüber, wie man überhaupt eine Comedy-Serie schreibt. Und natürlich darüber, wie das eigentlich möglich ist: etwas Lustiges zu schreiben, das gleichzeitig auch traurig ist. Hier geht’s zum Interview.

Comedy-News

  • Pastewka mit Bastian Pastewka ging kürzlich in die zehnte und letzte Staffel. Zu dem Anlass finden sich gerade überall äußerst gehaltvolle Interviews mit dem Künstler. Das Interessanteste steht meiner Meinung nach bei der FAZ, in dem Pastewka unter anderem über die Unterschiede zwischen Comedy auf der Bühne und als Serie spricht und den sinnigen Satz sagt: „Ich glaube nicht, dass man in puncto Humorveränderungen an irgendeiner Leiter empor klettern könnte. So als sei man mit mehr Humor zivilisierter oder glücklicher oder privilegierter.“ (Auch der Spiegel hat ein Nettes.)
  • Sira Busch hat eine #Metoo-Bewegung in der Poetry-Slam-Szene ausgelöst. Den Artikel bei jetzt.de fand ich sehr interessant, weil Busch sagt, dass die Szene einen Nährboden für sexualisierte Gewalt liefere. Über diese Dinge kann sich auch die ähnlich funktionierende, aber noch nicht so stark institutionalisierte Stand-up-Szene Gedanken machen. Zitat Busch: „Auch, weil ‚Szenen‘ generell sehr schwierig sind, denn in deren Dynamik hat man immer die Coolen und Bekannten, und die, die neu dazukommen. Und immer, wenn einige Leute mehr Macht haben als andere, können sie die natürlich ausnutzen, bewusst oder unterbewusst. Beim Slam kommt hinzu, dass die Auftritte oft abends sind, dass Alkohol getrunken wird, dass man häufig irgendwo übernachten muss und andere Menschen die Kontrolle über deine Schlafsituation haben.“
  • Ende Januar starb der US-Basketballer Kobe Bryant. Der Comedian Ari Shaffir machte darüber am selben Tag Witze. Too soon, fanden viele. Eine Konsequenz, unter anderem: Seine Agentur trennte sich von Shaffir. Die New York Times ordnet den Fall historisch ein und rückt eine (auch in Deutschland verbreitete) Auffassung zurecht: Comedians dürfen heute mitnichten gar nichts mehr sagen. Sie dürfen heute sogar mehr sagen als jemals zuvor – und kriegen dafür auch noch Publikum.
  • Louis C.K. tourt und der New Yorker hat einen Kritiker geschickt, der etwas enttäuscht ist und der einen Louis herbeisehnt, der kluge Dinge über sexual misconduct sagen könnte. Sehr guter Artikel, um zu verstehen, wer in den USA wann wie genau und warum C.K. gut fand.

Schau-Tipp: Katie Mear’s Comedy Essays

Katie Mears schreibt und spricht über Stand-up-Comedy

Die US-amerikanische Journalistin und Autorin Katie Mears veröffentlicht auf Youtube Video-Essays über Stand-up-Comedians und -Comedy, zum Beispiel über die Geschichte schweinischer Witze oder über den Einfluss von Spongebob auf unser Humorverständnis. Interessant, klar und präzise. Over and out.

>>> Hier geht es zum Newsletter-Archiv.