Um zu verstehen, wie sich der Humor in Zeiten von Corona verändert, lohnt sich ein Blick auf den Humor in Zeiten von Donald Trump als US-Präsident. Im März 2019 lud Omri Marcus, ein israelischer Autor und Gründer der Initiative „Comedy for a Change“ auf der SXSW-Konferenz in Austin, Texas, zur Podiumsdiskussion. Das Panel widmete sich der merkwürdigen Beziehung von Comedy zu Donald Trump: „Was ist es genau am aktuellen US-Präsidenten, das Satiriker aus fast jedem Land der Welt inspiriert“, fragte sich Marcus.
Viele kluge Gedanken wurden geäußert, aber bei den meisten Zuschauern dürfte vielmehr ein Clip im Gedächtnis hängen geblieben sein, den „Comedy for a Change“ auf dem Podium zeigte: ein Zusammenschnitt verschiedener Trump-Imitatoren aus 15 Ländern, aus Russland etwa, Finnland, Deutschland oder China. „Jeder erlaubt einen einzigartigen Einblick, wie ein Land Mr. Trump wahrnimmt“, schreibt Marcus.
Offenbar nehmen die Länder Trump relativ ähnlich wahr. Viele Perücken (eine sogar in Grau), viel oranger Teint, viel kleine Hände. Alle Darsteller sehen mehr oder weniger gleich aus, und das wäre kein Problem, wenn denn das, was sie sagten, wenigstens originell wäre. Aber auch im Inhalt sind die Imitatoren erwartbar und eindimensional.
Das liegt natürlich zum größten Teil daran, dass Trump eine sehr erwartbare und eindimensionale Figur ist. Sein Charakter, oder zumindest das, was davon öffentlich erkennbar ist, ist extrem flach. Entsprechend haben es Comedians schwer, Anknüpfungspunkte und originelle Gedanken über ihn zu finden. Solche braucht es aber, um gute Punchlines daraufsetzen und somit gute Witze schaffen zu können.
Für neue Witze braucht es Zeit. Und diese Zeit gibt Trump Comedians nicht. Denn in dem Moment, in dem ein Witz formuliert und ausgestrahlt ist, hat sich Trump meist schon wieder selbst überboten. Witze altern sehr schnell und Trump-Witze nochmal schneller. Um überhaupt relevant zu bleiben, müssen Autor:innen blitzschnell sein. Der US-amerikanische Stand-up-Comedian Patton Oswalt beschrieb das 2017 in seinem Special Annihilations so:
„Being a comedian while Trump is president is like, imagine there’s like an insane man on the sidewalk, just shitting on the sidewalk and yelling about Hitler. So you’re looking at him and immediately think of the funniest joke about shitting on the sidewalk, and you turn to tell it to a bunch of people, and behind you he’s taken the shit and made a sombrero out of it. So you turn and you tell your amazing shitting on the sidewalk [story] and everyone goes, ‘Oh … Turn around, he made a sombrero out of it. Do a sombrero joke.’“
Comedy-Autor:innen sprechen oft davon, dass sie Material jahrelang mit sich herumtragen, es schleifen, es harten Tests durch ein Publikum aussetzen und es in einem fort anpassen. Bei Trump geht das nicht. „Comedians kämpfen nun damit, die nötige Distanz zu kriegen, um etwas Schreckliches lustig zu machen“, erklärte es die US-amerikanische Comedienne Sara Schaefer.
An die Verzweiflung von Oswalt und Schaefer musste ich denken, als ich den Text von Peter Wittkamp bei Übermedien las. Wittkamp ist Gagschreiber und einer der Hauptautor:innen der heute show online und beschreibt, wie die Ausbreitung des Corona-Virus‘ „goldene Zeiten“ für Komiker bedeute. (€)
Das liege daran, dass sich zurzeit die Lebensumstände der allermeisten Menschen radikal ändern, wegen Home-Office und social distancing. So entstünden neue Setups, schreibt Wittkamp, also: neue Gedanken, neue Themen, über die man Witze erzählen kann. Und die braucht es für neue Witze, denn mit knackigen Pointen sei es nicht getan. Es braucht das Zusammenspiel aus Setup und Pointe bzw. Punchline.
„Ändert sich die Welt, entstehen neue Setups – meist sehr zum Vorteil der Scherzvielfalt“, schreibt Wittkamp. Und nennt dann ausgerechnet den Fall Trump als Beispiel: „‚Der amerikanische Präsident Donald Trump‘ war vielleicht keine gute politische Entwicklung, aber er ist ein sehr gutes neues Setup.“ Er nennt also einen Fall, der der Comedy neben einer neuen Zielscheibe vor allem viel Gleichförmigkeit und Erwartbarkeit beschert hat. „Trump Is One of the Worst Things Ever to Happen to Comedy“, hat das Kulturportal Vulture dazu einmal einen Artikel überschrieben.
Neben den erweiterten Möglichkeiten, Scherze zu machen, nennt Wittkamp noch andere Gründe, die die Komik gerade begünstigen: Komiker:innen bekämen viel Aufmerksamkeit, weil die Menschen sich verstärkt den Medien zuwenden. Und dann seien Corona-Jokes auch anschlussfähig für viele. Der Gedanke „geht mir gerade genauso“ mache die Witze sehr relatable.
Allerdings: Die Witze über Klopapier-Horter, über die Regal-Leerkäufer, über politische Immunität oder das „ich habe früher also schon unter Quarantäne-Umständen gelebt“, das „Höhöhö“ an den Supermarktkassen – warum sind all diese Witze dann trotzdem so erschöpfend?
Witze leben von der Überraschung. Aber wie erzeugt man Überraschung mit einem Thema, das gerade im Zentrum der Aufmerksamkeit liegt, mehr als jede Ausfälligkeit eines AfD-Politikers und mehr sogar als jeder Terroranschlag?
Zurzeit sind alle medialen Suchscheinwerfer auf das Virus, seine Ausbreitung, auf die Zustände in den Gesundheitssystemen, auf Fragen der Beschneidung der Grundrechte gerichtet. In die Lücken stoßen Selbsthilfe-Artikel über den Heimunterricht von Kindern oder zum Beispiel Hinweise auf Hilfe-Notrufe im Fall häuslicher Gewalt. Das alles ist richtig und wichtig. Aber es lässt Comedy kaum mehr Luft zum Atmen.
Alles, was im Zentrum der Aufmerksamkeit liegt, ist für Comedy als Thema bereits schwierig geworden, wenn nicht belanglos. Da können die Pointen eben noch so gut sein. Es braucht mehr, und zwar auch mehr als das, was Wittkamp „Setup“ nennt. Er beschreibt Trump oder auch „Supermärkte“ als solche „Setups“. Allerdings sind das erst einmal bloße Themen. Zum Setup fehlt noch ein Spin, ein Gedanke, eine Haltung, eine Weltanschauung: die sogenannte Prämisse eines Witzes. Die Punchline ist ja nichts anderes als ein unerwartetes Beispiel für die Prämisse, für den zugrundeliegenden Gedanken aus dem Setup.
Wenn Comedians, Komiker oder Autoren originell und witzig sein wollen, ist es wenig ratsam, neue Punchlines zu suchen. Solche zu finden, ist nicht schwer. Aber solange sie auf alten Prämissen beruhen, sind das automatisch auch die Witze, die dabei herauskommen. Komiker:innen sollten darum neue Prämissen suchen, neue Blickwinkel auf die Welt. Es ist eine der schwersten Aufgaben des Komikers und zudem eine undankbare. Denn neue Prämisse bedeutet nicht automatisch guter Witz. Aber zumindest besteht die Chance.
Wo Wittkamp „goldene Zeiten des Komikers“ sieht, würde ich einschränkender formulieren: Das alles zusammen löst keine goldenen Zeiten aus, sondern schafft erst einmal die Bedingungen für ein stark vergrößertes Witz-Angebot. Die Folge ist eine Witz-Inflation, also Entwertung. Was nämlich in Wittkamps Artikel kaum eine Rolle spielt, ist der Faktor Qualität. Nur weil viele Witze gemacht werden, müssen die nicht zwangsläufig gut sein. Und wenn man zumindest die Toilettenpapier-Witzchen weglässt, bleibt vieles übrig, aber noch lange keine goldene Zeiten.
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