Bob Saget ist gestorben. Jüngeren dürfte er unbewusst-bekannt sein als die Stimme von Ted Mosby in How I Met Your Mother, Älteren natürlich als Danny Tanner in Full House. Und wiederum anderen als Stand-up-Comedian, der dirty war, um nicht zu sagen filthy,und dem darum (so sind halt die USA und möglicherweise nicht nur die) das ganz große Publikum verwehrt blieb. Zu stark war einfach das Image als treu sorgender alleinerziehender Vater aus Full House. Wer dann als Comedian auf der Bühne dem Publikum rät, doch bitte keine Ziegen zu ficken, löst mitunter Irritation aus.
Nun habe ich anlässlich von Sagets Tod eine Episode der Talkshow The Green Room With Paul Provenza gesehen, in der Saget 2010 zu Gast war, gemeinsam mit dem Stand-up-Comedian Patrice O’Neal, der Rosesanne-Roseanne Roseanne Barr und der Schauspielerin Sandra Bernhard. Das playful banter unter Comedians, auf dem The Green Room fußt, ist manchmal witzig, oft etwas oll. Und im Fall der genannten Episode schlicht unerträglich. Vor allem Barr und Provenza widmen sich der schlimm um sich greifenden totalitären „political correctness“, man könne nichts mehr sagen, it’s the death of comedy, Bernhard fällt ein und sagt, dass sie darauf gar nichts gebe und einfach ihr Ding durchziehe (ja was denn nun – werden wir jetzt beschränkt oder nicht?) Schließlich packt Barr das politische Hufeisen aus („they’re all the same„).
Man weiß ja inzwischen, wie beschränkt man in dieser Hinsicht sein kann. Aber so ganz mag es mir nicht in den Kopf, wie bereitwillig manche Comedians jegliche Originalität, auf die sie sonst so bedacht sind, fahren lassen. Wie allgegenwärtig der Diskurs um angebliche Sprechverbote abgespult wird, kann einen verzweifeln lassen. Ich wollte doch nur Bob Saget sehen (der sich übrigens in der Diskussion angenehm zurückhält) – aber schon warten da die Streiter:innen wider die politische Korrektheit. Hilfe, man entkommt ihnen nicht.
Dieser Artikel gehört zur Reihe Noten zur Comedy, in der wir alle zwei Wochen einen Blick auf ein virulentes Thema rund um Comedy werfen. Ihr könnt die Noten auch als Newsletter abonnieren, dann kommen sie direkt (mit aktueller Presseschau und besonderem Comedytipp) ins Postfach.
Ich möchte schreiben: Was für ein erschreckender Blick in die Vergangenheit. Aber es ist natürlich kein Blick in die Vergangenheit, sondern einer ins Herz der Gegenwart. Auftritt Steve Harvey. Der Comedian/Moderator/Schauspieler war sich Anfang des Jahres nicht zu schade, bei einem Pressetermin zu verraten „political correctness has killed comedy“.
Anfang welchen Jahres? Es handelt sich um 2022, hätte aber genauso gut 1992 sein können. Insofern berechtigte Frage. Dass Harveys Klagen von heute stammen, erkennt man aber an einem kleinen merkwürdigen Zusatz. Er sagt: „No stand-up that is sponsor-driven can say anything he wants to.“ Da möchten einem die sponsor-driven Millionäre, die jammern können wie die Mittelstandsunion, fast leidtun.
Aber dann fällt einem gerade rechtzeitig ein, dass sich für gecancelte Künstler:innen ja noch immer irgendwo ein Buchvertrag oder eine Talkshow gefunden hat. Vergessen sollte man auch nicht die Bemühungen der Industrie um „unwoke“ oder „anti-woke“ Zuschauerschichten. Oder 2019 die Aufregung um die Ausladung des Comedians Shane Gillis als Castmitglied bei Saturday Night Live. Die Debatte konzentrierte sich darauf, ob Gillis’ ekelhafte Äußerungen die Auflösung seines Vertrags rechtfertigten, oder ob alles doch halb so wild sei. Unter den Tisch fiel die Frage, warum SNL Gillis zuvor überhaupt engagiert hatte. Ging es womöglich um die Erschließung einer neuen demographic?
Das Lamento von Steve Harvey wäre verballert, wär es nicht unfreiwillig wahr: Der mutmaßlich linke mutmaßliche Meinungsmainstream ist eine ziemlich softe Kraft im Vergleich zur harten finanziellen Macht der Sender, Produktionsfirmen und Werbegeldgeber. Dass aber meistens der woke Tugendterror im Visier von Politik und Medien steht, sagt etwas aus über unsere Zeit.
Genauso wie die merkwürdige Auffassung: Comedians, die finanziell erfolgreich sind, sind über Kritik an ihrem Werk erhaben. Ein Gedanke, dem man auch in Deutschland immer wieder begegnet: (Finanzieller) Erfolg und künstlerische Qualität gehen Hand in Hand.
Zwei Beispiele: Im Dezember kritisierte ein Artikel im Spiegel das Weihnachtsspecial der Comedienne Carolin Kebekus. Darin wurde bemängelt, dass es Kebekus nicht gelinge, dem stark beackerten Themenfeld Weihnachten originelle Witze abzuringen. Das sei besonders schade: „Denn sie zählt zu den besten Komikerinnen dieses Landes.“
Im September schrieb ich, dass ich es für zielführend hielte, wenn wir bei der Bewertung von Comedy von Essenzialismus wegkommen. Es ging dabei um das Gedankenexperiment: Verwandeln sich rassistische Witze aus dem Mund eines Nicht-Rassisten in nicht-rassistische Witze? Funktioniert das, und wenn ja, wie?
Analog könnte man bei Kebekus fragen: Verwandeln sich wenig originelle Witze, wie sie der Spiegel konstatiert, aus dem Mund einer der „besten Komikerinnen“ in originelle Witze? Und wenn nicht, wieso stuft man eine Komikerin so ein, deren Werk man eigentlich nur so la la findet?
Mir geht es hier nicht darum, Kebekus zu kritisieren, sondern eher darum, einen gedanklichen Kurzschluss aufzuzeigen. Worauf soll das Urteil über Kebekus basieren, wenn nicht auf dem Erfolg beim Publikum, der TV-Präsenz, ihrer thematischen Konzentration auf Geschlechtergerechtigkeit, Kirchenkritik und #Metoo? Nichts davon sagt etwas über ihre Fähigkeit als Comedienne aus. Ist sie eine der Besten, gar „die lustigste Frau Deutschlands“, wie in der Süddeutschen zu lesen war? Wer weiß. Auf jeden Fall ist sie die erfolgreichste und bekannteste Comedienne.
Die Gleichsetzung von Erfolg mit Qualität, die Betonung des Inhalts über der Form und schlimmer noch: die vollkommene Ausklammerung des künstlerischen Werks bei der Bewertung einer Künstler:in – all das ist 2022 immer noch typisch für die Bewertung von Comedy. Und da wundert man sich, warum Comedy™ in Deutschland so oft so fad ist?
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