„Your Life is a Joke“: Flair, Wehmut und etwas harmlose Roasts

Stand-up-Comedian Oliver Polak
Stand-up-Comedian Oliver Polak
Oliver Polak beweist in „Your Life is a Joke“ eine beeindruckende Balance. (Foto: Sascha Hilgers/Netflix)

Der Comedian Jerry Seinfeld hat sich vor zwei Jahren mal über die vielen Trittbrettfahrer lustig gemacht, die seine Show Comedians in Cars Getting Coffee nachgemacht haben. Er übersah dabei: Er selbst war nicht der Erste mit der Idee, mit Prominenten in Autos durch die Gegend zu fahren und Dinge zu erleben. Es scheint eben ein tragfähiges Konzept zu sein. Das zeigt auch die neue deutsche Produktion Your Life is a Joke von und mit Oliver Polak.

In drei Folgen chauffiert der Berliner Stand-up-Comedian Gäste in seinem goldenen Opel Manta GT/E zu verschiedenen Stationen und verbringt mit ihnen den Tag. Mit Christian Ulmen besucht er unter anderem einen Badesee, mit Rapperin Nura eine Rollerdisco, mit Sängerin Jennifer Weist ein Fitnessstudio. Was dabei gesprochen und erlebt wird, verarbeiten der Comedian und ein Autor:innen-Team dann zu einem Roast, also humorvollen Beleidigungen, die Polak dem jeweiligen Gast dann zum Höhepunkt der Episode in einem Comedyclub entgegengeschleudert.

Wie verwandelt ein Comedian Beobachtungen in Witze? Wer darauf gehofft hatte, einen Einblick in den Quellcode von Comedy zu bekommen, wird bei Your Life is a Joke enttäuscht. Doku- und Roast-Part sind eng aneinandergekoppelt. Der Doku-Part verzeiht das und hätte für sich genommen eine sehr gute Interviewserie abgegeben. Der Roast-Part allerdings leidet darunter. Und weil alles dramaturgisch auf den Roast zuläuft, schwächt das die Show als Ganzes.

Die Balance von Oliver Polak als Moderator ist beeindruckend

Plakat der Netflixserie "Your Life is a Joke"

Dass sie trotzdem nicht in Schieflage gerät, ist vor allem Polaks Hosting zu verdanken. Der Comedian spricht empathisch und ohne unangebrachtes Pathos. Er macht schweinische Witze, ohne vulgär zu sein. Er öffnet sich genauso wie seine Gäste, spricht zum Beispiel über seine Hodenkrebserkrankung. Es gelingt ihm, sogar generische Fragen („Was ist dein Motor?“) angemessen rüberzubringen. Und er ist, großes Plus, ausreichend verstörend für seine Gesprächspartner:innen, etwa wenn er ihnen den Titelsong im Auto vorsingt, ohne dabei übergriffig zu werden. Die Balance ist beeindruckend.

Ausbalanciert und sehr sorgsam gesetzt ist auch die soulige Musik. In vielen Sendungen wird sie am Ende lieblos druntergeklatscht. In Your Life is a Joke dagegen ist sie passend, wiedererkennbar und eingängig, ohne je zu nerven. Nebenbei federt sie die triste Optik ab (in jeder Episode dominiert der graue Berliner oder Potsdamer Himmel). Im Verbund mit den weiten Kameraflügen bekommt die Serie ein ganz eigenes wehmütiges Flair.

Der Wermutstropfen: Bei den Roasts tut sich Your Life is a Joke schwer, ja, macht es sich selbst schwer. Die Sendung ist geschlossen: Polak muss am Ende bei der Roast-Show zwangsläufig auf etwas Bezug nehmen, woran sich die Zuschauer:innen erinnern. Er ist also immer auf das gemeinsam Erlebte als Basis seines Roasts angewiesen.

Da ertappt der Comedian seine Gäste schon mal bei einem sanften Selbstwiderspruch, aber er belässt es in den meisten Fällen beim augenzwinkernden Referat, also bei der bloßen Verdoppelung. So sind die Roasts harmlos und fügen nichts neues hinzu. (Und wenn sie einmal böse werden, dann nicht gegen die Gäste, sondern gegen Abwesende: zum Beispiel gegen das Restaurant, in dem Polak mit Christian Ulmen zu Abend isst, oder gegen die Wahrsagerin, die er mit Rapperin Nura besucht. Das wirkt hämisch und hat gar nichts mehr von der Wärme, die Polak ausstrahlen kann.)

Wie das anders geht, zeigt ein Blick auf eine andere deutsche Roast-Show, nämlich das Roast Battle auf Comedy Central. Dieses setzt nicht voraus, dass man die Teilnehmenden kennt, und bleibt so beweglich. Die Autor:innen können an jedes Detail aus dem Leben andocken. Die roast jokes sind bunt, kreativ, bösartig, mitunter absurd und teilweise völlig abwegig. Aber so gelingt es, dass sie manchmal eine ganze Welt in einem einzigen Gedanken transportieren.

Die Roasts werden mit unnötigem Ballast beschwert

Oliver Polak singt den Titelsong für Nura (Foto: Netflix)

Polaks Erlebnisse sind zwar interessant, aber aber nicht immer spannend oder aussagekräftig. Und bei Christian Ulmen hat man sogar das Gefühl, dass Polak ihm auf den Leim geht. Etwa wenn Ulmen die Wahl des Restaurants mit dem Hinweis erklärt, dass hier sein Sohn getauft worden sei. Die Sätze klingen ernsthaft, wahrhaftig, aber die Tatsache, dass der dauergrinsende Ulmen sie äußert, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen.

Polak unternimmt hier nicht einmal den Versuch, unter Ulmens Teflonschicht aus Ironie zu blicken. Wieso legt hier eigentlich einer so viel Wert darauf, nicht festzunageln zu sein? Warum hat er es nötig, eine ganze Episode Jerks lang gegen Micky Beisenherz auszuteilen? Wie kann es sein, dass einer die Serie Louie als Vorbild nennt und seine eigene Serie dann aber doch so klamaukig und überkonstruiert daherkommt? Alles Fragen, die, indem Polak Ulmen beim Wort nimmt, unter den Tisch fallen.

In die Harmlosigkeit der Roasts fügt sich auch der Ruf „Your life is a joke“, mit dem Polak jede Sendung beendet. Der hat etwas von einem kindlichen „ätsch bätsch“ oder von Hans Rosenthals „Das war spitze“, auf jeden Fall etwas von gemütlicher Abendunterhaltung der 1970er und 80er. Kantige Beleidigungen, ob ernst oder nicht, sind da Fremdkörper. Polaks wiederholte Erklärungen, Relativierungen und Entschuldigungen bei den Gästen betonen diesen Charakter noch. Das ist unnötiger Ballast, denn das Prinzip bei einem Roast lautet ja: Ich respektiere dich, weil ich dich beleidige. Your Life is a Joke sagt: Ich respektiere dich, obwohl ich dich beleidige.

Das Vorgehen ist Ausweis eines besonderen deutschen Paradoxons: Ständig werden in Produktionen Menschen herabgewürdigt, beleidigt und diskriminiert – im Zweifelsfall lautet die Devise selbst bei der obskursten Satire noch: Kann der Zuschauer schon entschlüsseln. Aber wenn die harmlose Beleidigung zum Prinzip erhoben wird, glaubt man, den Zuschauer:innen das nicht ohne Beipackzettel zumuten zu können.

Der Roast soll Gewürz sein, aber er müsste Fleisch sein, um seine volle Kraft entfalten zu können. Was bleibt von Your Life is a Joke, sind dann nicht die Roasts, sondern die großartigen Gespräche und das besondere Flair. Solange das Herz einer Sendung so stark klopft, sollte man auf weitere Staffeln hoffen.

Your Life is a Joke, von und mit Oliver Polak, produziert von SEO Entertainment, 3 Folgen à 35 Minuten, abrufbar auf Netflix

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