Angenommen, ein guter Freund tritt an uns heran und erzählt, dass er nun Romane schreibe, aber bessere, andere; nicht solchen Mist, wie er in den Feuilletons besprochen wird. Er konzipiere alle Romane als Leselöwen-Bücher, schreibe einen Großteil der Geschichten in Spiegelschrift und klebe auf jede zweite Seite Bildchen von Heinz Rühmann, die er aus alten Illustrierten ausgeschnitten habe.
Man würde diesen Freund natürlich zu seiner Entscheidung beglückwünschen, vielleicht aber zaghaft hinterherschicken: Du weißt aber schon, wie Literatur normalerweise funktioniert? Man würde sich ob seiner Naivität vielleicht sogar ein bisschen lustig machen.
Ein absurdes Szenario. Natürlich ist Geschmack subjektiv (jeder findet etwas anderes gut), aber daraus lässt sich ja nicht folgern, dass alles, was gefällt, auch gut ist. Es gibt gewisse Regeln zu beachten, die Rechtschreibung und Grammatik sollten stimmen, der Plot sollte schlüssig sein. Es gibt einen gewissen Grundkonsens über das, was als zulässiger Beitrag durchgeht und was nicht.
Dieser Artikel gehört zur Reihe Noten zur Comedy, in der wir alle zwei Wochen einen Blick auf ein virulentes Thema rund um Comedy werfen. Ihr könnt die Noten auch als Newsletter abonnieren, dann kommen sie direkt (mit aktueller Presseschau und besonderem Comedytipp) ins Postfach.
Dieser Grundkonsens scheint aufgehoben, sobald es um das Komische geht. Beim Witz herrscht, pun intended, Narrenfreiheit. Man muss sich eigentlich keine Gedanken über gar nichts machen. Man muss nichts können oder wissen und kann sich trotzdem hinterher noch auf die Binsenweisheiten berufen, dass Humor eben subjektiv und die Geschmäcker verschieden seien, doch alles nicht so gemeint und nur ein Witz gewesen sei. Und dann führen wir ausufernde Diskussion darüber, was denn nun Comedy eigentlich darf, wer wann wie welchen Witz aushalten muss, wie und wie weit Comedy Grenzen überschreiten darf/kann/sollte/muss, ob Comedy beleidigend sein muss. Harald Martenstein geht undercover an die Uni und befragt Studierende. Svenja Flaßpöhler schreibt schnell noch ein neues Buch über Resilienz.
Es sind Nebelkerzen. Das Wesentliche gerät aus dem Blick, nämlich die Fragen: Warum sollte ausgerechnet beim Witz das Konzept von künstlerischer Qualität nicht existieren? Warum sollte ausgerechnet dieser Bereich von Werturteilen ausgenommen sein wie: Dieser Witz war schlecht gemacht. Dieser Witz war sterbensdämlich.
Die Schauspielerin Joyce Ilg hat so einen Witz gemacht – sie hat zu Ostern ein Foto von sich und dem Comedian Luke Mockridge in ähnlich gemusterten Sweatern auf Instagram gepostet und dazu geschrieben: “Hat hier irgendwer von euch Eier gefunden? Ich hab nur ein paar K.O. Tropfen bekommen.” Hashtag-FreedomOfHumour.
Lassen wir kurz Ilg selbst erklären. “Das sollte kein Witz auf Kosten von K.O. Tropfen Opfern sein”, erweiterte sie später ihren Post, “sondern eine Anspielung darauf, dass Luke diesen K.O. Tropfen Gag ja damals in seinem Programm hatte und ihm das nachträglich als vermeintlicher ‚Beweis von Schuld‘ ausgelegt wurde. Er hat aber ja nie jemandem K.O. Tropfen gegeben.”
Ich fasse zusammen: Der Witz besteht also offenbar darin, den Begriff “KO-Tropfen” zu erwähnen, wobei alles aber erst dann zum Witz wird, wenn man eine ziemlich verquaste Vorgeschichte kennt. Schon witzökonomisch ist das ungünstig. Dass aber ein solcher Post gerade im Verbund mit Mockridge, dem in einem Artikel im Spiegel mehrere Frauen übergriffiges Verhalten vorwarfen, verärgerte Reaktionen nach sich ziehen würde, hätte man durchaus ahnen können, zumal als Instagram-Profi wie Ilg. Und zumal wenn man einen berühmten Comedian zum Freund hat, der sich vor Monaten mal aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, “um zu verstehen, zu lernen und zu heilen” – der also vielleicht was verstanden, gelernt und geheilt hat, und der obendrein zufällig auch grade anwesend ist, wenn man im Begriff ist einen problematischen Post abzusetzen.
“Mein Humor hat wenig Grenzen und dazu stehe ich auch”, schrieb Ilg auf Instagram, später antwortete sie einer Posterin: “Vielleicht steht mein Humor ja drüber.” Humor ist bekanntlich subjektiv und zu Ilgs gehört es zum Beispiel, dass sie an Ostern gerne lustige Wortspiele mit “Eiern” postet. Das ist in Ordnung. Man sollte bei so schön zur Schau gestellter humoristischer Unmusikalität dann aber nicht das FreedomOfHumour-Geschütz auffahren und sich nicht über andere mokieren, wenn man dann in einem Streich noch präsentiert, wie wenig Ahnung man vom Witzehandwerk hat. Dann beweist man nämlich nur, dass der eigene Humor, wenn auch ein subjektiver, gleichwohl ein ziemlich dumpfer ist.
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