Viele deutsche Comedians machen menschenfeindliche Witze. Sie bauen mit an einem Schutzraum für reaktionäre Gedanken.
Schlaglichter aus der Welt der Comedy: Guido Cantz machte Witze über Personen, die “als Mann aufgestanden, als Frau ins Bett gegangen und als Schabrackentapir wieder aufgewacht sind”.1 Nizar Akremi erzählte in seinem Programm, wenn es so einfach sei, seine Identität zu wechseln, identifziere er sich fortan als der Action-Schauspieler Jean-Claude van Damme.2 Und Lisa Eckhart sprach mit Verweis auf das Selbstbestimmungsgesetz davon, dass sie als Frau nun zum Samenspenden gehen wolle.3
Alle drei Aussagen würdigen trans* Personen herab. Ähnlich handelte die AfD, die in ihrem Programm zur vergangenen Bundestagswahl trans* Menschen direkt unsichtbar machen wollte: “Die zwei Geschlechter sind eine biologische Tatsache.“4
Dieser Artikel gehört zur Reihe Noten zur Comedy, in der wir unregelmäßig einen Blick auf ein virulentes Thema rund um Comedy werfen. Ihr könnt die Noten auch als Newsletter abonnieren, dann kommen sie direkt (mit aktueller Presseschau und besonderem Comedytipp) ins Postfach.
Dass Comedians in Deutschland in vielen talking points oft mit reaktionären oder rechtsradikalen Politikern übereinstimmen, ist keine Seltenheit. Viele arbeiten sich kritisch bis verbissen an emanzipatorischen und progressiven Positionen ab. Dieter Nuhr beklagte das Vorgehen von Klimaaktivist:innen und angeblichen Rassismus gegen Weiße5. Simone Solga klagt darüber, dass ständig nur gegen Rechts demonstriert werde.6 Entertainer Didi Hallervorden legte nahe, durch Gendern werde die deutsche Sprache “vergewaltigt”7. Und, etwas harmloser, begrüßte Matze Knop “ZuschauerInnen” und fragte: “Was ist mit denen, die draußen stehen?”8
Häufig hört man Comedians über Wokeness oder eine angebliche Cancel Culture sprechen, laut dem Sozialwissenschaftler Daniel Keil ein “ideologisches Bindemittel verschiedener rechter bis faschistischer Milieus”9. Auch Rassismus taucht in Comedy immer wieder auf. Faisal Kawusi inszenierte sich auf einem Tourplakat als der getötete Schwarze George Floyd10 und scherzte über KO-Tropfen11. Der bayerische Kabarettist Helmut Schleich trat in Blackface als “afrikanischer” Franz Josef Strauß auf.12
Die Beispiele fügen sich nahtlos ein in eine konservative deutsche Comedylandschaft, die geprägt ist von Akteuren wie Mario Barth, der progressive Ideen häufig mit Verweis auf frühere, einfachere Zeiten bloßstellt, oder Oliver Pocher, dessen Comedy darin besteht, Häme und Spott auszukippen. Und manche reagieren durch Wegsehen: Keine Politik, keine Religion, versprach etwa Markus Krebs bei einem Auftritt. “Wir machen uns einen schönen Abend.”13
Comedy kann klug sein und kreativ, philosophisch, und die intrikaten Verwicklungen des Alltags beleuchten. Aber sie war immer auch ein sicherer Hafen für reaktionäre Gedanken. Ist heute “Wokeness” der Gegner, hieß er Anfang der 1990er Jahre noch “politische Korrektheit”. Der Entertainer Harald Schmidt war für armenfeindliche Witze bekannt, Moderator Stefan Raab für Witze auf Kosten von Ausländern, Schwulen, Frauen oder behinderten Menschen. Aber in den vergangenen Jahren nimmt Comedy, im Zuge der autoritären Wende, eine bitterere Note an. Und die politische Inkorrektheit des Dargebotenen, “einst stille Begleiterin”, ist zum “offensiv beworbenen und vom Publikum bejubelten Kern” geworden, wie die Titanic analysierte.14
Befeuert wird dieser Trend aus den USA. Netflix und Spotify geben Comedians wie Dave Chappelle und Joe Rogan die Plattform, um transphobe Inhalte zu verbreiten. Rogan gibt in seinem Podcast, der von Millionen Menschen gehört wird, immer wieder menschenfeindlichen Ideologien eine Bühne. Jüngst erklärte er, Stand-up-Comedy müsse nach unten treten.15 Andernfalls sei es keine Stand-up-Comedy. Dieser brand eifern weltweit Künstler:innen nach.
Das ist problematisch. Der oft bemühte Satz “Ist doch nur Comedy!” blendet aus, dass die negativen Auswirkungen eines Witzes nicht aufgehoben sind, nur weil darüber gelacht wird. Man kann das zum Beispiel im Buch How Racist Humor Fuels White Supremacy des kalifornischen Soziologen Raúl Pérez nachlesen: Comedians verschieben die Grenze dessen, was in einer Gesellschaft als akzeptabel gilt. Und wenn auf der Bühne gesellschaftliche Tabus, etwa rassistische Ausdrücke zu vermeiden, vorübergehend aufgehoben sind, setzt beim Publikum eine Gewöhnung ein. Die Hemmschwelle, sich selbst so zu äußern, wird herabgesetzt.
Das macht sich die extreme Rechte zunutze, um die Gesellschaft an unsagbare Inhalte zu gewöhnen. Die rechtsradikale NPD empfahl einst in ihrer Mitgliederzeitschrift, online mit Humor aufzutreten.16 AfD-Politiker agieren mit Humor auf Tiktok.17 Und rechte Einstellungen finden in einem “bürgerlichen Resonanzraum” leicht Anschluss, wie der Soziologe Thorsten Mense in seinem Aufsatz Autoritäre Formierung und identitäres Bedürfnis schreibt.18 Dieser Raum werde von Medien, Politikern oder Talkshows bespielt – der Begriff lässt sich auch auf die Comedybühnen der Republik ausdehnen.
Die Auswirkungen eines geänderten gesellschaftlichen Klimas sind handfest: In den USA wurden in den vergangenen Monaten Hunderte Gesetze gegen trans* Menschen verabschiedet.19 Und Berlin, das als einziges Bundesland solche Zahlen erhebt, verzeichnet einen Anstieg an Gewalttaten gegen trans* Menschen.20 Wer in einem solchen Klima Witze auf Kosten von trans* Personen macht – und dasselbe gilt für all diese Arten Comedy – sollte zur Kenntnis nehmen, wem er damit in die Hände spielt.
1 https://www.rtl.de/cms/mario-barth-praesentiert-die-groessten-stars-der-comedy-jetzt-im-rtl-livestream-streamen-5087242.html (nicht öffentlich abrufbar) Zitiert nach: https://www.titanic-magazin.de/humorkritik/2024/juli/hk/die_groessten_schabrackentapire_deutschlands-7/
2 https://www.tiktok.com/@nizarcomedy/video/7313587260522319136
3 https://www.ardmediathek.de/video/nuhr-im-ersten/lisa-eckhart-oder-11-januar-2024/das-erste/Y3JpZDovL3JiYl9kNGRkOTA2MC00MzBhLTRjMDMtYTYxMC02NGYwNTk5ZDRkMGVfcHVibGljYXRpb24
4 https://www.afd.de/wp-content/uploads/2025/02/AfD_Bundestagswahlprogramm2025_web.pdf
5 https://www.stern.de/kultur/tv/dieter-nuhr-blamiert-sich-mit-rassismus-nummer-ueber-alice-hasters-9490570.html
6 https://www.ardmediathek.de/video/nuhr-im-ersten/simone-solga-oder-6-juni-2024/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYl80OWI1NTNiYi0xMTAzLTRmOGEtYWRiYi01ZWNhNGI5ZjM2YThfcHVibGljYXRpb24
7 https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/hallervorden-kritisiert-gendern-als-vergewaltigung-der-sprache-4272379.html
8 https://youtu.be/iAr_onaLcJI?t=37
9 Keil, Daniel: Mythos Mitte. Anmerkungen zu intellektuellen Vorarbeiten des Aufstiegs der AfD. In: Mense, Thorsten und Judith Goetz (Hg.): Rechts, wo die Mitte ist. Die AfD und die Modernisierung des Rechtsextremismus. Münster: Unrast 2024. S. 73-90.
10 https://www.reddit.com/r/InfluencerBS/comments/zh7uor/faisal_der_schmalspur_comedian_mit_rtl2_humor/
11 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/joyce-ilg-und-faisal-kawusi-witz-ueber-k-o-tropfen-mit-folgen-17973037.html
12 https://www.sueddeutsche.de/medien/br-blackfacing-schleich-1.5254445
13 https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-komiker-markus-krebs-macht-witze-im-mannheimer-rosengarten-_arid,2002428.html
14 https://www.titanic-magazin.de/humorkritik/2024/juli/hk/die_groessten_schabrackentapire_deutschlands-7/
15 https://www.youtube.com/watch?v=Fm9N-lyNQms&t=457s
16 Vgl. Pfeiffer, Thomas: Gegenöffentlichkeit und Aufbruch im Netz. Welche strategischen Funktionen erfüllen Websites und Angebote im Web 2.0 für den deutschen Rechtsextremismus? In: Braun, Stephan u.a. (Hrg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. Wiesbaden: Springer 2009. S. 259-286
17 https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/afd-erfolg-tiktok-100.html
18 Mense, Thorsten: Autoritäre Formierung und identitäres Bedürfnis. In: Mense, Thorsten und Judith Goetz (Hg.): Rechts, wo die Mitte ist. Die AfD und die Modernisierung des Rechtsextremismus. Münster: Unrast 2024. S. 50-72.
19 https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/transgender-debatte-100.html
20 https://www.lsbti-monitoring.berlin/wp-content/uploads/Monitoring-trans-und-homophobe-Gewalt_2022_barrierefrei.pdf
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