Comedy-Presseschau vom 27.06.25

  • Nightwash, die Stand-up-Show aus dem Waschsalon, wird 25 Jahre alt. „Das schaffen wahrlich nicht viele Formate“, lobt DWDL. Hier haben erfolgreiche Karrieren ihren Anfang genommen (etwa Tahnee, Mockridge, Stäblein, Carl Josef) bzw. wurde halt angeschoben, wer von Brainpool als vermarktbar angesehen wurde. Man sollte nicht vergessen, dass die Sendung ein Akquise-Tool der Comedyindustrie ist und keine Talentförderung, ein Scharnier zwischen Kunst und Kommerz. Wir wollen aber auch nicht unter den Tisch fallen lassen, dass tatsächlich über die Jahre viele junge Comedians bei Nightwash Auftrittsmöglichkeiten bekommen haben. Wenngleich es auch Comedians gibt, die einem gerne mal von ihren weniger schönen Erfahrungen berichten können.
  • Der US-Comedian Marc Maron hat angekündigt, seinen Podcast WTF with Marc Maron Ende des Jahres, nach mehr als 1500 Episoden, zu beenden. “WTF with Marc Maron” reminds us that podcasting began with good intentions“, schreibt Melanie MacFarland bei Salon. Maron begann im Herbst 2009 mit WTF, die Welt schien in Ordnung, Obama war Präsident, wirtschaftlich schien es wieder aufwärts zu gehen. Die Menschen hatten Lust, Comedians zuzuhören, in Podcasts und mehr und mehr auch auf der Bühne. Maron ebnete den Weg für den Podcast- und den Stand-up-Boom, die folgen sollten.
  • Die Süddeutsche bespricht einen von vier Auftritten von Teddy Teclebrhan in der Münchner Olympiahalle und wartet mit dieser Analogie auf: „Da wird Comedy wie bei Helge Schneider zu Jazz (plaudernd, experimentierend, absurd, mit Witz aber ohne Pointen), nur noch körperlicher. Und es ist eben nicht nur Jazz, sondern mehr Soul, also Seele“
  • Ich lese gerne den Newsletter des New Yorker Comedians Matt Ruby, aber manchmal ergeht er sich schon in einer merkwürdigen Betriebsblindheit. „The notion of punching up/down is antiquated now that the counterculture feels mainstream and the establishment feels like the rebels. Example: Trans people are marginalized yet their online defenders feel like cancelling bullies. So are those Chappelle jokes punching up or down?“ Merkwürdige Frage, während auf der ganzen Welt trans* Menschen immer mehr Nachteile, Hass und Gewalt abbekommen. Ruby sei, wie generell allen, die Lektüre des folgenden Textes ans Herz gelegt…
  • Johannes Franzen schreibt in seiner Kolumne bei Übermedien über die Fiktion einer diskursiven Übermacht von links. Diese ermögliche es mächtigen Medienmännern mit riesigen Plattformen (man denke z. B. an Dieter Nuhr), sich heroisch als Außenseiter zu inszenieren. Zitat:

    „Das funktioniert, weil wir uns im Zeitalter einer allgemeinen Machtvergessenheit befinden. Damit meine ich eine gesellschaftlich weit verbreitete Unfähigkeit, einzuschätzen, wer tatsächlich Macht besitzt und wer nicht. Es fällt also schwer, sich Menschen auszudenken, deren Meinungsfreiheit weniger einschränkt ist. Und doch ist die Vorstellung weit verbreitet, dass nicht solche Menschen die Debattenhoheit besitzen, sondern ein vager progressiver Diskurs.“

    BIT-EMPFEHLUNG: Wo sind all die Comedians hin?

    Als ich anfing, hier immer kleine Bits von deutschen Comedians zu empfehlen, dachte ich, dass diese Rubrik in jeder Ausgabe am leichtesten zu befüllen sein wird. Jedoch: Das Gegenteil ist der Fall. Ich will ja Clips zeigen, die irgendeinen Aspekt von Stand-up-Comedy auf besondere Weise illustrieren. Clips aus den großen TV-Shows eignen sich dafür meist nicht, weil die Künstler:innen dort meist das sicherste (ergo: wenig besondere) Material spielen. Auf Instagram und Tiktok zeigen viele auch nur das Sichere, aus Angst, vom Algorithmus abgestraft zu werden. Oder es gibt nur Sketche und keine Bits. Oder die Bits sind rasend geschnitten und verlieren ihren Charakter. Oder, oder, oder. Ich weiß, es gibt die besonderen Bits da draußen, aber sie zu finden, wird mehr und mehr zur frustrierenden, zeitaufwendigen Aufgabe. Wie geht ihr mit diesem Problem um?

    • Ich hatte noch keine Gelegenheit, Till Tonight, die neue Late-Night-Show mit Till Reiners zu schauen. Gewundert habe ich mich aber über die Einfallslosigkeit, die die Sendung in der Präsentation begleitet. So handele es sich, laut ZDF-Presse, um eine Show, „die die Gegensätzlichkeit feiert und das Genre sehr persönlich interpretiert“ – was auch immer Ersteres bedeuten soll, aber natürlich lebt die Late-Night von der Persönlichkeit des Hosts, von was denn sonst? Dass es keine funktionierende abstrakte Formel mit einer bloßen Host-Variable gibt, die irgendwie gefüllt werden muss, beweisen ja schon die vielen wieder eingestampften Versuche. „Ein pointierter Stand-Up, klassische Late-Night-Elemente und überraschende Begegnungen“ will Till Tonight liefern, das ist schön, aber genau das Gleiche haben schon zig andere Sendungen von sich behauptet. Das ist die Krux vieler TV-Produktionen: Irgendwie soll alles ganz besonderes und neu sein, aber bitteschön innerhalb des erprobten Rahmens, obwohl dieser Rahmen verlässlich nur Halbgares ermöglicht hat. Vielleicht aber auch nur ein Problem der Presseabteilung, die diesen Spagat bei der Verkaufe hinbekommen muss? Wir kommen darauf zurück.
    • Anlässlich der Ankündigung des Films Das Kanu des Manitu versucht Leo Fischer in seiner immer lesenswerten Kolumne in der Titanic, das Phänomen der Bully-Filme zu erklären:

      „Insbesondere ‚(T)Raumschiff Surprise‘ dürfte die gesellschaftspolitische Entwicklung ein gutes Jahrzehnt zurückgeworfen haben: endlich ablachen über Tunten und Homos, aber halt gut begründet, weil es ist ja Kult! […] würden wir hören, dass in Russland eine Serie von Komödien über schwule Witzfiguren zu den erfolgreichsten Filmen seit dem Zweiten Weltkrieg gehörte, wüssten wir das sofort einzuordnen, würden energisch mit dem Kopf schütteln.“
    • Die Lebensaufgabe des US-amerikanischen Comedykritikers bzw. Comedysisyphos Seth Simons scheint es zu sein, zu erklären, warum menschenverachtende Comedy schädlich ist. In einem aktuellen Beitrag entkräftet er das unter Comedian oft gehörte Argument, demzufolge man ja oft abwertende Begriffe verwenden müsse, um eben Leute zu kritisieren, die derartige Begriffe verwenden: „One can easily criticize racists without using racial slurs, just as one can compare ableist slurs to racist ones without using the words themselves. The offense, when there is an offense, lies in the choice […].“ Nimm das, Didi Hallervorden!
    • Woher weiß eine Gagschreiberin, was das Publikum witzig findet? Gute Frage, die Autorin Jana Fischer bei Übermedien zu beantworten versucht. Man kann’s ja nie nicht niemals vorher wissen. Und es wird nicht leichter: „Aber weil alle natürlich den ganzen Tag lang Witze auf Social Media konsumieren, ist es gar nicht so leicht, noch zu überraschen. Oft ahnt man schon, was gleich die Punchline sein wird.“
    • Auch die Berliner Comedienne Freddi Gralle hat nun einen Newsletter und widmet sich in einer kleinen Reihe über deutschen Humor unter anderem dem verbreiteten, aber unzutreffenden Argument, dass es wegen der Verbstellung schwer bis unmöglich sei, auf Deutsch lustig zu sein.

    Schautipp: Gamer Poop Mass Effect

    Mass Effect Gamerpoop Symbolbild

    Ok, das ist wirklich ein sinnloser Tipp. Wenn man Mass Effect kennt, kennt man auch diese Clips. Wenn man es nicht kennt, schaut man sie nie nicht an. Aber es handelt sich nun mal mit um die lustigsten Videos, die ich kenne und die ich mir jeden Tag zehnmal ansehen könnte. Der Youtuber mans1ay3r hat vor einigen Jahren das Videospiel Mass Effect parodiert. Was billig inszeniert wirkt, mit schlechten Effekten und pubertärsten Witzen versehen, ist ein Beispiel aus dem Lehrbuch, wie man den Ton in Comedy perfekt trifft. Die Sexwitze der Parodie („We’ll bang, ok?“) funktionieren, aber eben nur vor der Folie des martialischen und hemmungslos pathetischen Originals. Was wäre, wenn die Rettung der Welt einem Idioten anvertraut wäre, der, bevor er sich an die Arbeit macht, lieber noch mal mit der Crew über die Wichtigkeit von hairy jungles down south spricht? Das ist lächerlich, aber auch nicht lächerlicher als der Weltrettungskitsch des Spiels. Hier geht’s zu den Videos

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