Auch die USA sind nicht das gelobte Stand-up-Land, wie man oft meint. Von der schlimmsten Stand-up-Show, auf der ich jemals war, ausgerechnet im Greenwich Village in New York, hatte ich hier schon einmal berichtet. Alles, was es gibt, gibt es eben auch in schlecht. Da bleiben auch die USA beim Stand-up nicht verschont.
Aber macht ja nix. Das Dilettieren ist die Voraussetzung für Kunstfertigkeit. Nur wenn es Räume gibt, wo nach Lust und Laune probiert werden kann, kann auch Besseres entstehen. Schlimmer ist eher, wenn sich in einer Szene oder Branche gar nichts tut. Wenn nichts probiert und lediglich das wiederholt wird, was seit Unzeiten schon da ist.
Dieses Gefühl beschlich mich beim Ansehen von Maria Clara Gropplers Special Jungfrau, das die Comedienne Mitte November auf Youtube veröffentlicht hat. Groppler surft seit ein paar Jahren auf einem Hype, der ihr Shows, Fernsehauftritte und etwa den Comedypreis als beste Newcomerin eingebracht hat. Aber neu ist an ihrer Arbeit wenig. “Mainstream comedy tends to be a manifestation of what was happening previously”, sagte jüngst Comedy-Journalist Jesse David Fox. In dem Sinne ist Jungfrau reinster Mainstream, da man darin sehr viel von dem gezeigt bekommt, was früher in Comedy los war.
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Auch in den 1990ern und frühen 2000ern wurde gern Zusammenhangsloses aneinandergeklebt und auch damals wurden gern Geschichten vorgetragen, die sicher lustig passiert sind (“sagt er ohne Spaß”). Aber es wäre eben Aufgabe von Comedians, nicht von Witzigem zu erzählen, sondern überhaupt witzig zu erzählen.
Aber dazu müsste man einen Gedanken auch mal entwickeln, eine Prämisse etablieren, eine Struktur bauen, einen Charakter, eine Persona oder Haltung einführen, Dinge auch mal präzise und im Detail schildern. Für all das nimmt sich Groppler keine Zeit. Sie springt im Minutentakt von einem Thema zum nächsten und rattert ihre Jokes herunter wie eine Böllerkette an Silvester: Es knallt aufsehenerregend, aber wenn sich der Rauch verzogen hat, bleibt nichts zurück.
Es mangelt überhaupt an Beobachtungen – außer an einer Stelle, an der sie darüber spricht, dass Muttermilch nicht vegan ist. Hier steckt so viel drin: Ein Knoten verschiedenster Themen; Mutterschaft, vegane Lebensweise, Gesundheitstrends oder die Frage, wie sehr sich Menschen dafür geißeln möchten, ihren Prinzipien im Leben nicht immer folgen zu können oder zu wollen. Allein, Groppler entwirrt diesen Knoten nicht, sondern nimmt flugs die erstbeste Ausfahrt in Richtung Veganerbashing. Ironisch selbstverständlich, denn, wie sie angibt, lebt sie selbst vegan.
Merkwürdigerweise gibt es auch kein übergeordnetes Thema. Beim Titel Jungfrau hätte ich zum Beispiel erwartet, dass die Figur der Jungfrau Maria, Mutter Jesu, die Groppler für das Sketchformat Queens of Comedy zur Influencerin gemacht hatte, eine Rolle spielt. Das gäbe Themen vor oder eine Weltsicht, böte zumindest Ansatzpunkte. Jedoch keine Spur mehr davon im Special Jungfrau. Stattdessen wird wie in den 90ern auf Signalwörter gesetzt (Penis, Vagina, Brüste, Veganer, Feministinnen, Mario Barth). Lediglich in der Zugabe legt sich Groppler mit ihrem Song Ist das Eis vegan? künstlerische Regeln auf, gibt sich mit Strophe und Refrain eine Form. Das funktioniert besser, lenkt es doch Ideen in geordnete Bahnen.
Das bleibt aber die Ausnahme. Vielmehr dominieren Flachwitze, die klingen wie vom Autorenpool der Freitag Nacht News ersonnen (falls sich daran noch jemand erinnert). Die Flachwitze werden zwar als Flachwitze benannt, was sie im Ergebnis aber nicht besser macht. Man sieht eine Künstlerin auf der Bühne, die nicht nur schlechte Witze macht, sondern das Erzählen der schlechten Witze noch als irgendwie emanzipatorischen Akt verkaufen will und dafür gefeiert wird. Ein gängiger Trick heutzutage, Arbeitsethos sieht aber anders aus.
“Den schneiden wir raus, der braucht ‘n bisschen”, sagt Groppler über einen Witz, als wäre es nicht ihre eigene Schuld, wenn der nicht funktioniert. Und dass sie ihn dann selbstverständlich nicht rausgeschnitten hat, ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass man ja irgendwie auf 90 Minuten Spielzeit kommen muss. Comedyshows müssen 90 Minuten dauern, so will es in Deutschland das Comedygesetz. Gropplers Comedy trägt aber nicht so lange und hätte das ja auch gar nicht nötig: Niemand hätte sich über gelungene 60 oder sogar 45 Minuten beschwert. Aber es ging hier offenbar darum, die Kunst an Vermarktungskonventionen der TV- und Agenturwelt anzupassen. Warum Groppler denen gehorcht, obwohl sie bei einer Youtube-Veröffentlichung ja gerade drauf pfeifen könnte, ist einer der vielen ablenkenden Gedanken, die sich beim Schauen von Jungfrau aufdrängen.
An einer Stelle charakterisiert Groppler Feministinnen anhand – you guessed it – deren Achselhaaren und das ist ein verräterischer Moment, denn verwundert es doch beträchtlich, dass eine Frau Mitte 20 im Jahr 2023 Beobachtungen anstellt wie ein Mann vor 70 Jahren. Der Lacher ist zwar gewiss. Doch die Referenz ist veraltet, die Behandlung des Themas bleibt generisch. Beides verhindert, den Charakter kennenzulernen, aus dem die Comedy entspringt. Ähnlich verhält es sich mit den vulgären Witzen. Die sind nicht schonungslos oder ehrlich, sondern eine Barriere, hinter der sich die Person auf der Bühne verstecken kann.
Es wird interessant zu sehen, welche Entwicklung Groppler noch nehmen wird. Die Tour mit dem nächste Programm (Titel: Mehrjungfrau) startet schon im kommenden Jahr. Hoffentlich dann mit mehr Konzentration auf das Wesentliche. Wer Mario Barth disst, und seis nur ironisch, sollte nicht selbst so fundamental zur Versteinerung der Comedylandschaft beitragen.
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