Wegen eines Fehlers in meiner To-do-Listen-App werde ich jede Woche einmal an einen bestimmten Text erinnert. Es handelt sich um die Rezension des Albums „Pennergang“ des Frankfurter Spaß-Hiphop-Duos Mehnersmoos. Der Musikjournalist Yannik Gölz urteilt bei laut.de:
„Man schämt sich viel fremd, aber so richtig provoziert fühlt man sich trotzdem nicht. Über schwarzen Humor könnte man ja streiten. Über die Frage, was Comedy darf oder nicht darf, sicher auch. Aber bei Mehnersmoos geht es nicht um Comedy dürfen, sondern um Comedy können. Ihr niemals endendes Rumgekrebse auf der Suche nach einer einzigen nicht beschissenen Pointe fühlt sich an, als würde der Klassenclown das vierte Mal am Stück ohne Lacher die Hand eben. Man wünscht, er würde einfach aufgeben, aber es geht weiter und weiter.“
Was soll ich sagen? Jede Woche lese ich das wieder gerne, weil der Text einfach am musikalischen Beispiel aufzeigt, was auch bei Bühnencomedy so oft so falsch läuft. Anstatt einen originellen Gedanken zu haben (oder ihn zumindest zu suchen), wird auf Signalwörter gesetzt und auf Sprüche von Reddit und 9gag (ja, immer noch), auf halbwegs aktuelle humorige Begebenheiten, auf abgestumpften Edge, auf Selbstinszenierung als widerständige Geister. Und all das folgt keiner dramaturgischen, ästhetischen oder sonst künstlerischen Idee, sondern wird rein assoziativ aufeinandergestapelt. („Auf der Suche nach einer einzigen nicht beschissenen Pointe“ wäre übrigens ein wunderbarer Titel für eine Doku über Comedy.)
Dieser Artikel gehört zur Reihe Noten zur Comedy, in der wir alle zwei Wochen einen Blick auf ein virulentes Thema rund um Comedy werfen. Ihr könnt die Noten auch als Newsletter abonnieren, dann kommen sie direkt (mit aktueller Presseschau und besonderem Comedytipp) ins Postfach.
Ist halt ironisch, kapierst du nicht, heißt es dann oft. Als würde das die Sache besser machen. Ironie wird gerne als Label aufgeklebt, um sich gegen Widerspruch oder Kritik zu immunisieren. Übrigens wie auch das Label Comedy. War halt ein Witz! Just joking. Und auch: Funny is funny.
Aber funny ist eben nicht funny. Wir würden ja so gerne lachen. „Gibt nur keinen Grund dazu“, heißt es lapidar und treffend in einer SZ-Rezension über Ingo Appelts neues Programm. Nicht alles, was ironisch ist, ist künstlerisch wertvoll. Und nicht alles, wo Comedy draufsteht, ist über Kritik erhaben. Comedy kann ein sinnvolles Anliegen verfolgen und trotzdem unlustig sein. Und sie kann problematisch sein und gleichzeitig lustig. Das ist ja das Gefährliche und Faszinierende an ihr.
(Und problematisch und unlustig zugleich selbstverständlich auch, das nur fürs Protokoll, denn dafür gibt’s ohnehin permanent gutes Anschauungsmaterial, aktuell etwa Matt Rife.)
Das ist ja die ganze Krux mit dem „nach unten/oben treten“: dass Witze viel zu oft überfachtet werden und ein Anliegen alles richten soll. Vermeintlich überfällige Kritik, Tabubruch, modern-day-Philosophie. Dabei sollte der Witz nicht Funktion eines Anliegens sein, sondern seine Grundlage. Bitte erst können, dann dürfen. Ein guter Witz ist sich selbst Anliegen genug.
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