Das trojanische Pferd des deutschen Kabaretts

Vince Ebert macht schlampiges Kabarett, das auf schlampigem Denken fußt. Und der Deutschlandfunk lässt ihn seine Kulturkampf-Rhetorik als mutige Wissenschaft verkaufen.

Ich kann ja auch nur mutmaßen, was da in der Redaktion beim Deutschlandfunk passiert ist. In der Sendung Querköpfe, die komische Künstler:innen porträtiert, wollten sie vermutlich mal jemand Unbequemen, Unangepassten vorstellen. Und dann haben sie sich für Vince Ebert entschieden.

“Gute Satire hat immer etwas damit zu tun, dass sie eigentlich mutig ist”, erklärt der Querkopf Ebert dann in der Episode sein Satirekonzept. Es sei heute sehr, sehr einfach auf die Bühne zu gehen und über die AfD Witze zu machen. “Es ist wesentlich mutiger, über Habeck, damals als er noch Wirtschaftsminister war, Witze zu machen.” Und da horcht der geneigte Comedyfreund doch auf: Über Robert Habeck haben schon viele Leute Witze gemacht, aber noch längst nicht alle. Und der mutige Habeckwitz steht tatsächlich noch aus. Sollten die Querköpfe den ausfindig gemacht haben, es wäre eine Sensation, vergleichbar mit der Entdeckung des Quastenflossers. 

Allein: Was da unter dem Titel “Wot se fack Deutschland – Vince Ebert macht Kabarett gegen Befindlichkeiten” fabriziert wurde, ist kein interessantes Radiofeature über die deutsche Unterhaltungslandschaft, sondern ein 50-minütiges Werbestück für reaktionäres Kabarett. Der Deutschlandfunk lässt Ebert Kulturkampf-Rhetorik als mutige Wissenschaft verkaufen.

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Vince Ebert hat Physik studiert und hat mal im Ersten die Sendung Wissen vor acht moderiert, ganz launig, aber auch leicht verstrahlt. Nicht unsympathisch. Und auf der Bühne funktionierte das auch, in Form von Kabarettprogrammen mit Titeln wie Urknaller – Physik ist sexy oder Denken lohnt sich. Dann erklärte Ebert physikalische Phänomene, etwa warum der Himmel blau ist, und solche Sachen.

Formal tut er das auf eine in Deutschland sehr vertraute, behäbige Weise. Die Programme sind ein Sammelsurium abgedroschener, nun ja, Physiklehrerjokes à la “Ohne die Erfindung der Glühbirne müssten wir heute noch bei Kerzenlicht fernsehen”. Da kommen Solarparks vor, die bei Dunkelheit mit Flutlicht betrieben werden. Die Referenzen sind Lastenräder oder der Prenzlauer Berg. Es ist alles nicht sehr frisch, aber es richtet sich eben auch an Menschen, die sich noch gut dran erinnern können, wer Rudolph Moshammer war, immerhin ja auch erst 2005 gestorben. Der Stand-up-Jargon hält für diese Art Comedy den Begriff “hack” bereit.

Das konstante Schwelgen in der guten alten Zeit, als noch nicht alles so irrsinnig war, bringt es mit sich, dass der Künstler mit Ungenauigkeiten, Verdrehungen und erfundenen Empörungsmomenten arbeiten muss. So streut Ebert Topoi ein, die erkennbar ausgedacht sind, etwa den Politiker, der nicht weiß, was Wahlbeteiligung bedeutet. Er behauptet, dass man heute nicht mehr von “Sehbehinderung” sprechen dürfe, sondern Menschen mit Brille als “visuell herausgefordert” bezeichnen müsse. (Wer den Ausdruck googelt, findet hauptsächlich Einträge über Shows des Wissenschaftskabarettisten Vince Ebert.)

Für Wissenschaftskabarett erstaunlich unwissenschaftlich

Ein anderes Mal behauptet Ebert, man müsse Schwarze Menschen als “African American” bezeichnen, soweit sei der Irrsinn schon gekommen. Jedoch: “Mein Schwarzer Nachbar kommt aus Wuppertal, was soll das?”, empört er sich ganz zurecht, aber es ist eine konstruierte Empörung. Denn offen bleibt, wer diese Bezeichnung verlangt oder vorgeschrieben hat. Ebert muss sich hier gehörig dumm stellen, damit die wacklige Nummer tragfähig bleibt. 

Es ist schlampige Comedy, weil dahinter schlampiges Denken steht. Und das erzeugt eine gewisse Spannung in Eberts Programmen. Denn der inszeniert sich ja als vernünftiger, rational denkender und logisch argumentierender Wissenschaftler unter den Kabarettisten. Dabei geht er selbst tendenziös und unwissenschaftlich vor. Seine Einlassungen zur Energiewende wurden immer wieder kritisiert. Der Soziologe Armin Nassehi kritisierte in der Süddeutschen Zeitung, Ebert habe wohl nicht recht verstanden, was “Postmodernismus” bedeute und zimmere sich den Begriff für seine Empörungsbedürfnisse zurecht. In der Episode der Querköpfe behauptet Ebert außerdem, dass das “Netzwerk Wissenschaftsfreiheit” angeblich “über 700 eindeutige Fälle” gesammelt habe, “wo Leute an der Uni wegen ihrer unliebsamen Meinungen gecancelt wurden”. Belege hierfür liefert Ebert nicht, beim Netzwerk Wissenschaftsfreiheit selbst lassen sich ebenfalls keine finden.

Und dann gibt es Fälle, wo der Wissenschaftskabarettist Wissenschaft irgnoriert. In einem seiner Programme “leitet” Ebert “her”, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Dabei weiß die Biologie längst: Geschlecht ist nicht binär, sondern bimodal. Die allermeisten Menschen mögen geschlechtlich eindeutig zuordenbar sein. Aber keine einzelne biologische Variable teilt alle Menschen eindeutig in zwei Gruppen. Auch die Naturwissenschaften arbeiten mit menschengemachten Ordnungssystemen, denen sich die Natur nicht immer fügen will. Man könnte meinen, ein wunderbares wissenschaftsphilosophisches Thema für einen Kabarettisten, der für sich in Anspruch nimmt, in verständlicher Sprache auch komplexe wissenschaftsphilosophische Fragen zu behandeln.

Aber nein, Ebert geht es um etwas anderes, und es dauert denn auch nicht lange, bis die unvermeidlichen transfeindlichen Jokes kommen. Ein Hybrid sei nämlich ein „trans Auto“, sagt Ebert unter anderem, “ein Verbrenner, der sich als Elektroauto identifiziert”. Das ist nun nicht Transphobie auf Chappelle- oder Rogan-Level, aber Transphobie ist es eben doch. Es ist bemerkenswert, wie das Publikum an dieser Stelle johlt. Ebert bedient hier gezielt Befindlichkeiten, die er ja vorgeblich aufbrechen möchte.

Bemerkenswert ist auch, wie die Querköpfe diese Stelle kommentieren, nämlich: „Solche Gags trauen sich, muss man wohl sagen, nicht viele auf der Bühne.” Ja, man muss das wohl sagen, vorausgesetzt man bringt wenig Ahnung mit vom Status quo des deutschen Kabaretts und der deutschen Stand-up-Comedy und der Unterhaltungsindustrie weltweit. Seit bestimmt einem Jahrzehnt begegnen uns transphobe Witze in Stand-up-Comedy, von Chappelle und Rogan hin zu Nizar und Guido Cantz, von der Arenashow zum schrammligen Open-Mic. Ich beneide die Querköpfe-Redaktion darum, dass sie offenbar schon länger keine deutsche Comedyshow mehr gesehen hat.

Der Deutschlandfunk unterstützt Vince Ebert tatkräftig bei der Kritikabwehr

Nun ist es so: Sich anti-trans oder anti-gender zu positionieren und agitieren, gegen “Gender-Ideologie” oder den sogenannten “Transgenderismus”, ist ein gängiger Teil rechter Rhetorik. Es ist ein gut dokumentiertes Vorgehen, nachzulesen etwa im Aufsatzband Anti-Gender Campaigns in Europe: Mobilising Against Equality. Gender fungiert als “symbolischer Klebstoff” verschiedenster autoritärer und reaktionärer Strömungen, die sich sonst auf wenig einigen können. Vor diesem Hintergrund entfalten transphobe Jokes ihre Wirkung, ob Comedians es wollen oder nicht. Verwundert es da, dass es in einer Besprechung von Eberts neuem Buch im Spiegel heißt, der Kabarettist bediene “rechte Triggerthemen”? 

Eine Kritik, mit der man Ebert ja konfrontieren könnte. Stattdessen darf der breit erklären, dass er ja sehr offen für Kritik sei, aber schlicht keine ernstzunehmende sachliche bekomme, sondern nur persönliche Anwürfe. Ein bloßer ein rhetorischer Trick: Nur weil Kritik manchmal (oder oft) unsachlich ist, heißt das ja nicht, dass jegliche Kritik unsachlich ist. Der Beitrag im Spiegel etwa ist fundiert und argumentiert nah an Eberts Buch. 

Andererseits ist es natürlich schon auch ein wenig lustig: Ebert fordert, dass Kritik sachlich zu sein habe, während er gleichzeitig Unsinn absondert wie den von den “African Americans” in Deutschland. Tatsächlich erschweren solche Aussagen gerade die sachliche Auseinandersetzung. Man kann hier nicht mehr in der Sache kritisieren, man hat kaum eine andere Wahl, als Ebert selbst für seine schlampige Recherche zu kritisieren. Zack, ist man persönlich. Folglich hat er recht, nicht wahr?

Tatkräftige Unterstützung bei der Immunisierung gegen alle Kritik bekommt Ebert vom Deutschlandfunk. Der nimmt ihm gleich die Arbeit ab, die Kritik aus dem Spiegel vom Tisch zu wischen. “Das zeigt immerhin, wie schwer sich links ausgerichtete Journale tun mit Meinungen oder Ansätzen, die ihren eigenen Narrativen entgegenstehen”, heißt es in der Sendung. Kritik an Vince Ebert hat sicher nichts mit Vince Ebert zu tun. Und dann lässt man noch Kabarettkollegin Simone Solga, gern gesehene Gästin bei Nuhr im Ersten, erklären, warum der Spiegel sowieso irrelevant ist, und Ebert über den Schellnkönig loben. 

Vince Ebert: nicht „erfrischend anders“, sondern mehr vom Gleichen

Kritik Raum geben, prüfen und inhaltlich einordnen? Skeptisch sein? Verschiedene Quellen befragen? All das passiert in dieser Querköpfe-Sendung nicht. Ein Porträt darf schon auch nahe ran an den Porträtierten, aber auf den Leim gehen sollte man ihm dabei nicht. Zum Beispiel, indem man die Selbsterzählung einfach übernimmt: “Ebert behauptet eben nicht einfach irgendetwas, er glaubt nicht oder ideologisiert, sondern er führt Beweise für seine Thesen an, klärt auf, begründet und untermauert, und das tut er mit viel Hintergrundwissen.” Es sind Sätze wie aus einem Reklametext und es ist das, was Ebert nachweislich nicht tut.

Simone Solga lobt, Ebert sei “erfrischend anders im kabarettistischen Meinungsbrei” und man kann nur rätseln, was das bedeuten soll. Denn inhaltlich ist alles genauso vorhanden wie bei Solga, Nuhr et. alt.: Die Wokeness-Geißelung; LGBTQ-Rechte, mit denen es jetzt wirklich mal gut ist; Klimaaktivisten, die sich wichtig machen; die gespielte Empörung; das gleiche Gerede vom Untergang der abendländischen Tugenden; die gleichen erfundenen Jokes; der gleiche Zynismus; die gleiche Publikumsverachtung. Alle Probleme der Welt sind Kulturkampf-Probleme. Alles wie gehabt in deutschen Kabarettlanden.

Anders ist nur: Es wirkt harmloser, weil Ebert sich bräsig-onkelig-wissenschaftlich gibt. Er spannt Wissenschaft ein zum Zweck des Kulturkampfs und verkleidet diese Mischung als Sorge um Freiheit, Evidenzbasiertheit, Rationalität und Menschenrechte. Es klingt toll und wuchtig. In Wahrheit ist es ein trojanisches Pferd für die gleiche reaktionäre Haltung. Da wird einem Dieter Nuhr in seiner bitteren Offenheit doch regelrecht sympathisch.

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21 Antworten

  1. Habe den Beitrag im DLF gehört und als sehr unangenehm empfunden. Vielen Dank für die ausführliche Einordnung!

  2. Früher mochte ich ihn mal ganz gern. Heute muss er wohl aufpassen, wer ihn lobt. Das mit dem „früher“ gilt auch für Simone Solga … Aber so ist es wohl im Leben: Selbst denken führt in unterschiedliche Richtungen, man lebt sich auseinander. Und vielleicht bestätigt es eine alte Weisheit, dass man mit dem Alter immer konservativer wird (Ausnahmen bestätigen die Regel). Vermutlich braucht das Konservativsein weniger Denkleistung …

  3. Avatar von Richard Heller
    Richard Heller

    Es ist schon bemerkenswert, dass ein Artikel einem Kabarettisten schlampige Recherche vorwirft und sich selbst knallharter Lügen bedient.

    Bernhard Hiergeist, dem mangels anderer Namensnennung die Autorenschaft an diesem Artikel zu unterstellen ist, hat sich wie so viele vor ihm auf einen, ach was, DEN Artikel von Claire Ainsworth zum Thema „nur zwei Geschlechter“ bezogen. Er hat ihn aber interessanterweise nicht zitiert, wenn man mal dem Link nachgeht. Tatsächlich ergibt sich aus dem Artikel von Ainsworth gerade nicht, dass es mehr als zwei biologische Geschlechter gibt. Gerade weil ihr Artikel von so vielen Lügnern benutzt wurde, hat Ainsworth dann auch noch mal klargestellt, dass es nur zwei Geschlechter bei Variationen in Anatomy bzw. Physiologie gibt (https://x.com/ClaireAinsworth/status/888365994577735680).

    Bernhard Hiergeist hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und kennt natürlich sowohl den Artikel als auch die Klarstellung seiner Autorin. Weil ihm das aber nicht in die eigene Ideologie passt, lügt er über den Inhalt, indem er behauptet, die Biologie wisse längst, dass es nicht nur zwei Geschlechter gebe.

    Auch wenn man sich die beiden anderen verlinkten Stellen – von ordentlichen Zitaten kann man ja bei Hiergeist nicht sprechen – ansieht, erkennt man, dass „die Biologie“ keineswegs „längst weiß“, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Bernhard Hiergeist hat die von ihm verlinkten Stellen überprüft und weiß selbstverständlich auch das. Trotzdem tut er so, als seien Biologen weitgehend einhellig der Meinung, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe. Und damit lügt er auch hier.

    Es mag sein, dass Vince Ebert an der einen oder anderen Stelle schlampig ist. Das wollte ich nicht alles überprüfen. Aber mir ist ein schlampiger Kabarettist lieber als ein lügender Journalist.

    1. Avatar von Setup Punchline
      Setup Punchline

      Sie schreiben: „er behauptet, die Biologie wisse längst, dass es nicht nur zwei Geschlechter gebe“. Stattdessen steht im Artikel: „Dabei weiß die Biologie längst: Geschlecht ist nicht binär, sondern bimodal.“ Da haben Sie mich also falsch zitiert (sehen Sie, es geht auch ohne die Lügen-Keule). „Es gibt mehr als zwei Geschlechter“ würden wahrscheinlich die allerwenigsten Biologen behaupten. Ainsworth‘ Position ist, dass es zwei Geschlechter mit einem Kontinuum an Variation gibt. Das ist bedeutungsgleich mit meiner Aussage „nicht binär, sondern bimodal“. Ich referiere also Ainsworth‘ Position in anderen Worten. Worin genau bestehen die „knallharten Lügen“? 🤷‍♂️

      Die Biologie „weiß“ sicherlich nicht, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Und zum Glück hat das niemand hier behauptet. Was die Biologie weiß, ist, dass es kein biologisches Merkmal gibt, das alle Menschen dieser Erde trennscharf in zwei Kategorien einteilt. Das wird aber mit der Behauptung, es gebe nur und ausschließlich zwei Geschlechter, negiert – leider häufig aus politischen oder weltanschaulichen Gründen. Man kann das geschlechtliche Spektrum zur Kenntnis nehmen, ohne dabei zu bestreiten, dass es zwei grundlegende reproduktive Kategorien gibt.

      1. Ich gebe zu, dass ich auch über Ihre Darstellung der Ebert-Aussage gestolpert bin (er leitet her, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt) – bei Ihnen mit diversen Anführungszeichen, so als ob es falsch wäre. Es ist aber eine richtige Aussage, und Sie stellen es ja klar: 2 Arten von Gameten, also 2 Geschlechter. Nicht alle Menschen können definitorisch so eingeordnet werden (z.B. Swyer-Syndrom), aber ein drittes Geschlecht gibt es nicht. Ob das die Definition von binär erfüllt, oder ob bimodal ein sinnvollerer Begriff ist, darüber kann man sicher streiten. Im Übrigen teile ich mittlerweile Ihr Unbehagen über Eberts „Masche“.

        1. Avatar von Setup Punchline
          Setup Punchline

          Da haben Sie recht, dass sollte ich spezifizieren: Wenn man definiert biologisches Geschlecht = die Rolle im Fortpflanzungssystem, dann gibt es nach dieser Definition tatsächlich nur zwei Geschlechter, Ausnahmen würden Entwicklungsstörungen darstellen. Das ist eine legitime wissenschaftliche Position. Was aber eben dann Menschen wie Ebert gerne unter den Tisch fallen lassen: Es ist keine empirische Position, man hat ja Aspekte gewichtet und eine Setzung vorgenommen. Man tut aber so, als handelte es sich hier um Fakten und nicht um eine von Menschen vorgenommene Einordnung. Und damit wird dann in einem sehr aufgeheizten Klima weiter agitiert, Stimmung gegen andere, ebenso legitime Auffassungen gemacht (z. B. die, dass biologisches Geschlecht komplexer ist und die Festlegung auf ein einzelnes Merkmal nichts zur Frage beiträgt, wie man denn mit Menschen umgeht, die durch das harte Raster fallen) oder gleich der Untergang abendländischer Tugenden beklagt.

          Der konkretere Vorwurf an Ebert wäre also nicht, dass er Mist behauptet, sondern dass er seine Position naturalisiert und verabsolutiert. Für sich genommen wäre das bloß unwissenschaftlich und logisch nicht schlüssig. Aber im Kontext seines Werks gesehen nutzt er diese Taktik, um den Kulturkampf weiter anzufachen. Es verkauft sich halt und baut eine Brücke in merkwürdige Milieus.

      2. Avatar von Richard Heller
        Richard Heller

        Ich habe kürzlich extra eine Mittagspause geopfert, um bei Hugendubel nachzulesen, was Ebert behauptet. Das Ergebnis: Es ist nichts anderes als das, was Ainsworth in ihrem Artikel mitteilt. Deshalb erhalte ich meinen Vorwurf der Lüge aufrecht, denn Sie setzen das, was Ebert zum Geschlecht gesagt haben soll, in einen Gegensatz zu dem, was die Biologie ausweislich des Ainsworth-Artikels angeblich „weiß“.

        Aus dieser Gegensatzbildung ist entweder zu entnehmen, dass Ebert Variationen negiert oder zumindest unterschlagen hätte. Beides wäre unwahr und somit eine Lüge. Einen schlichten Irrtum Ihrerseits kann ich angesichts Ihrer intensiven Auseinandersetzung mit der Sache ausschließen. Oder Sie wollten damit in Ihrer Kritik – entgegen Ihren jetzigen Ausführungen – aussagen, dass schon Eberts Behauptung, dass es nur zwei Geschlechter gebe, im Gegensatz zu Ainsworths Artikel stehe. Daraus ist zwingend die Aussage zu schlussfolgern, dass besagter Artikel feststellt, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe. Auch das wäre eine Lüge.

        Zum Kulturkampf ist anzumerken, dass dieser von den Linksradikalen begonnen wurde. Dass die Normalen diesen aufnehmen und sich nicht einfach ergeben, ist ihnen sicher nicht anzulasten. Wie Ebert nun mit der schlichten Wiedergabe naturwissenschaftlicher Tatsache seine Position naturalisieren oder verabsolutieren soll, erschließt sich mir nicht.

        1. Avatar von Setup Punchline
          Setup Punchline

          „Wie Ebert nun mit der schlichten Wiedergabe naturwissenschaftlicher Tatsache seine Position naturalisieren oder verabsolutieren soll, erschließt sich mir nicht.“

          Sie bekommen erst wieder eine Antwort, wenn Sie erklären, worin der Selbstwiderspruch in Ihrer Aussage besteht. Einer meiner Kommentare hilft Ihnen dabei.

  4. Avatar von Christian
    Christian

    „Aber keine einzelne biologische Variable teilt alle Menschen eindeutig in zwei Gruppen. “

    Natürlich, mindestens ein Y-Chromosom in der Zelle männlich, sonst weiblich!

    1. Avatar von Setup Punchline
      Setup Punchline

      Also es geht ja hier im Magazin eigentlich um Comedy, aber trotzdem kurz: Das klingt natürlich nach einer simplen, eleganten Lösung. Aber eine Definition über die Chromosomen scheitert letztlich auch an der biologischen Realität. Zum Beispiel gibt es Menschen mit XY-Chromosomenpaar, die aber äußerlich weiblich wirken, Vagina und Brüste haben (nach deiner Definition also Männer), oder Menschen mit XX-Paar, die äußerlich männlich sind, Penis und Hoden haben (nach deiner Definition dann Frauen). Man findet halt immer eine Ausnahme, und selbst wenn das sehr wenige sind, haben diese Menschen doch ein Recht darauf, nicht unsichtbar gemacht zu werden.

    2. „Natürlich, mindestens ein Y-Chromosom in der Zelle männlich, sonst weiblich!“

      So einfach ist es eben nicht. An anderen Stellen werden z.B. immer wieder die Keimzellen (Gameten) als eindeutiges Entscheidungsmerkmal behauptet. Demnach wären Menschen, die kleine Gameten (Spermien) produzieren, männlich – und jene, die große Gameten (Eizellen) produzieren, weiblich.

      Es kommt aber durchaus vor, dass Menschen mit XY Chromosomen eine Gebärmutter haben und Eizellen ausbilden.

      Es ist eben exakt so wie im Artikel beschrieben: bimodal, nicht binär – die *meisten* Menschen lassen sich biologisch klar in eine Kategorie einordnen, aber eben nicht alle. „Binär“ heißt: es gibt nur exakt zwei Möglichkeiten, keine Ausnahmen. Das ist beim biologischen Geschlecht von Menschen nicht der Fall.

      1. Dass Menschen mit xy-Chromosom in bestimmten Fällen eine Gebärmutter ausbilden, ist wohl richtig. Dass sie Eizellen produzieren (können) wäre mir neu. Ich wäre für eine Quelle dankbar.

  5. Avatar von Vince Ling
    Vince Ling

    Ich verstehe nicht, worauf diese immer wieder neu angefachte „Anzahl der Geschlechter“-Debatte eigentlich hinauslaufen soll. Außer, dass jetzt seit Jahren zwei Gruppen aufeinander zeigen und sich gegenseitig der Fälschung, Lüge, Faktenblindheit usw. bezichtigen dürfen – macht offenbar großen Spaß (Comedy, juchhei!).

    Vielleicht ist es hilfreich, einfach mal ein paar Minuten einer Person zuzuhören, die aus eigener Erfahrung berichtet, wie’s so läuft, wenn Selbst- und Außenwahrnehmung mit einem unerwarteten genetischen Befund kollidieren:

    https://www.youtube.com/watch?v=W9um3rLIFYE

    Die Frage ist, was lernen wir im Umgang mit der betreffenden Person daraus? Es mag ja sein, dass man im fachbiologischen Sinne darauf bestehen kann, dass sie ein „Mann“ ist, oder ein „Y-Chromosomen-Träger“. Aber solange die betreffende Person sich weiterhin als „Frau“ sieht, oder z.B. die Entscheidung trifft, sich fortan unter „Divers“ registrieren zu lassen, wäre es doch übergriffig, sich ihr gegenüber so zu verhalten, oder?

    In dem Augenblick, in dem man zugesteht, dass hier alle drei Eigenklassifizierungen ok wären – die Betreffende sich also „Frau“, „Divers“, oder „Mann“ nennen darf, wären auf der SOZIALEN Ebene mehr als zwei Geschlechter akzeptiert. Gleichzeitig dürften es im BIOLOGIEbuch gerne weiterhin zwei bleiben. Wäre das keine vernünftige Lösung? Bei der sich alles Geschreie sofort erledigt?

    P.S.: sorry wenn es schon wieder nicht um Comedy ging! Aber ich glaube die Frau im Video gilt sogar als Komikerin. Und ich gehe davon aus, dass sie uns im Gegensatz zu einem gewissen Herrn V. E. nicht dummdreist verarscht 😉

    1. Avatar von Setup Punchline
      Setup Punchline

      Guter Vorschlag! Aber er geht davon aus, dass es Comedians, die sich über derartige Dinge aufregen, wirklich darum geht, Diskurse irgendwie zu befrieden oder zu klären. Ich glaube leider, das ist nicht der Fall.

  6. Ich verstehe nicht, was die Wissenschaft in LQGBT-Angelegenheiten zu melden hat. Es geht doch um Freiheitsrechte, um das Recht, so zu leben wie ich mich fühle (immer im „Rahmen der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich…“ (Degenhardt)). Es gibt natürlich Problemzonen wie etwas den Sport, wo es z.B. um Leistungskategorien und -fähigkeiten geht. Da kann Wissenschaft möglicherweise bei Problemlösungen helfen. Aber im gesamtgesellschaftlichen Diskurs und zur Akzeptanz von Menschen, die physisch und/oder in ihrer Selbstwahrnehmung und -darstellung zur LQGBT-Community gehören, trägt Wissenschaft doch kaum bei. Im Gegenteil, jede wissenschaftliche Diskussion lenkt von eigentlichen (sehr einfach zu formulierenden) Kern – nämlich den Freiheitsrechten – der Sache ab.

  7. Avatar von Thomas Clemens
    Thomas Clemens

    Nunja, wer die Comedy-, Kabarettszene kennt, weiß, dass es mittlerweile auch hier einen Rechtsruck bei den Künstler*innen gibt.
    Und unter den sogenannten politischen Kabarettist*innen sind es nur noch wenige, die mit Haltung und sozialem Engagement auf die deutschen Bühnen gehen. (Bei den meisten, drehen sich Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen im Grabe).
    Nach Volker Pispers halten eigentlich nur noch Christine Prayon, Anny Hartmann, H.G. Butzko und Claus von Wagner die rote Fahne (damit ist NICHT die SPD gemeint ;-)) hoch.
    Und von Oliv-Grün hätten sich die oben genannten Nicht-mehr-Aktiven auch mittlerweile längst verabschiedet.
    Wie sagt eine der Künstlerinnen? „Anstand ist das neue Linksextreme“!

    1. Avatar von DerPeter83
      DerPeter83

      Wenn das bedeuten soll, dass Dieter Hildebrandt Putin verbal in den Hintern gekrochen wäre aus einem falschen Pazifismus-Verständnis, muss ich den Herrn Hildebrandt hier entschieden in Schutz nehmen.

      1. Das scheitert an zwei Details. Putin als links zu verstehen, ginge am klassischen Rechts-Links-Verständnis vorbei. Wobei manchmal auch die Zuordnung von progressiv und konservativ zu links und rechts zeit-/modeabhängig scheint. Und apropos zeitabhängig (das zweite Detail): sicher, Putin lebte schon, als Hildebrandt noch lebte, aber der Altersunterschied lässt das Bild doch arg verzerrt erscheinen.

    2. Naja, die Namensliste ist doch etwas unvollständig. Zumindest, wenn man die Grenzen etwas weiter fasst und auch die Polit-Comedy noch mit dazu lässt. Leider habe ich es nicht so mit Namen …

  8. Herr Ebert tingelte durch das ganze halb- bis ganzrechte Medienspektrum, um sein neuestes Buch zu promoten. Nie vergaß er dabei, jedem Mikrofon, das man ihm hinhielt, mitzuteilen, seine Meinung sei eine quasi unterdrückte.
    Das war das erste Mal, dass ich über ihn lachen musste.

    1. Avatar von Setup Punchline
      Setup Punchline

      In irgendeinem Interview ging es darum, dass die Migrationsdebatte in Deutschland tabuisiert sei. Da fragt man sich schon, in welchem Land er in den vergangenen Jahren gelebt hat. (Antwort: Tatsächlich nicht in Deutschland.)

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