Von der ewigen Wiederkehr des Gleichen

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Comedy-Newsletter von Setup/Punchline

Jüngst habe ich mit Alice Gruia über ihre neue Serie gesprochen. Lu von Loser ist eine „Sadcom“, das heißt sad comedy, angepasst an den bekannteren Begriff „Sitcom“. Dass etwas sowohl lustig als auch traurig sein kann, ist intuitiv jedem klar. Das Leben™ ist ja dafür bekannt, derartige Lektionen großzügig zu verteilen. Als eigenes Genre im Fernsehen ist das Prinzip dagegen offenbar erklärungsbedürftig. Die Süddeutsche Zeitung gab ihren Leser:innen darum einen kurzen historischen Abriss: Erste deutsche Sadcom sei Mapa gewesen, begründet habe das Genre ein paar Jahre zuvor der Comedian Louis CK mit seiner Serie Louie.

Mapa und Louie in Ehren, aber das ist dann doch eine gewagte These. 1954, da war Louis CK noch gar nicht geboren, führte zum Beispiel der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt in seinen Theaterproblemen aus, dass die Tragödie aus verschiedenen Gründen ausgedient habe. Doch das Tragische sei nicht komplett verloren: „Wir können das Tragische aus der Komödie heraus erzielen, hervorbringen als einen schrecklichen Moment, als einen sich öffnenden Abgrund, so sind ja schon viele Tragödien Shakespeares Komödien, aus denen heraus das Tragische aufsteigt.“

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Man kann sogar noch weiter zurückgehen, zum Nibelungenlied vielleicht, oder zu Homers Odyssee. Oder zur Bibel: Diese ganze Geschichte mit Adam, Eva und der Schlange scheint sehr traurig, ist aber, wenn man weiß, wie’s ausgeht, doch ziemlich albern. Manchmal täuschen technische Neuerungen wie Kameras oder Mediatheken darüber hinweg, aber: Die Kulturgeschichte ist die ewige Wiederkehr des Gleichen. Comedy ist keine Ausnahme.

Ähnliches dachte ich, als ich die Tage wieder eine Folge der Late-Night-Hoffnung Studio Schmitt gesehen habe. Seit langem schon bekommt in Deutschland kein Talkmaster, keine Talkmasterin die topical jokes hin, also die süffisant-ironische Aufbereitung aktueller Ereignisse. Selbstverständlich ist auch Studio Schmitt keine Ausnahme. Aber gemessen am Hype und der Aufmerksamkeit, die der Show entgegenschlugen, ist es erschreckend zu sehen, wie unmotiviert das Konzept übernommen wird, wie uninspiriert die Witze sind, wie lasch Host Thomas Schmitt sie rüberbringt.

Comedy, wie sie immer schon war

Wieso reitet man auf „dem Stand-up“, wie das Segment bei Produktionsfirmen gerne heißt, noch rum, anstatt sich eine passendere Rubrik auszudenken oder zumindest (wie zum Beispiel im ZDF Magazin Royale geschehen) das Konzept auf die Persönlichkeit des Hosts zuzuschneiden? Warum nicht richtig reinbuttern, versuchen, „den“ besten „Stand-up“ aller Zeiten zu liefern und am Ende vielleicht unterzugehen, aber immerhin mit wehenden Fahnen? Stattdessen strahlt, vom Jokewriting bis zur Delivery, alles am „Stand-up“ bei Studio Schmitt aus: „Na bringen wir es halt hinter uns.“ (Kann sein, dass es noch besser wird, und Gelegenheit dazu wird sein: Das ZDF hat gerade eine zweite Staffel angekündigt.)

Leider kennen wir die Antwort auf diese Fragen ja. Weil „der“ Stand-up dazugehört. Weil es immer so gemacht wird. Weil es so sein muss. Wieso was ändern, wo wir passabel genauso gut auch nur mit drei Reifen und ohne Windschutzscheibe im zweiten Gang fahren können? Es ist schade, dass diese Kräfte im Comedybusiness so stark sind.

Bemerkenswert gut fährt übrigens immer auch noch das Fahrzeug „Rassismus in Comedy“. Der US-Comedian Tony Hinchcliffe (bekannt von seinem Podcast Kill Tony) beleidigte jüngst bei einer Show den Comedian Peng Dang rassistisch, der vor ihm auf der Bühne stand. Dang machte das später auf Twitter öffentlich. Und, ja klar, es war plump und idiotisch, es war wahrscheinlich nicht so gemeint war. Aber die essenzialistische Sicht ist naiv: Weil ich ja kein Rassist bin, kann auch nichts, was ich tue, rassistisch sein. Rassistische Taten sind immer rassistisch, auch wenn sie „nicht so gemeint“ sind. In a structural racist society racism is hidden in plain sight.

In dem Zusammenhang kehrt auch ein beliebtes Argument immer wieder: Hinchcliffs rassistischer Ausbruch sei ja nicht mal lustig gewesen. Das ist gut gemeint, trägt aber nicht: Hätte er sich vor einem Raum voller Neonazis so geäußert – und hätten diese alle gelacht – wären die Witze dann ok gewesen? Eher nicht. Meine These dazu: Rassistische Witze hören, wenn sie gut sind, auf, rassistisch zu sein. Anders herum: Es ist nicht möglich, gute Witze zu schreiben, die rassistisch sind. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.