Kurz schien es, als würde ein Comedian den Weltenlauf verändern und Trumps Wiederwahl verhindern. Zu früh gefreut. Denn die Anhänger der rechtslibertären Comedybubble werden keinen Ausgang aus der Eskalationsspirale finden.
In der Düsseldorfer Kleinkunstbühne Kommödchen fand jüngst ein “Satire Slam” statt, der eine Mischung aus Stand-up und Kabarett versprach respektive “Stand-up mit Inhalt”. Und im New Yorker Madison Square Garden konnte man erleben, wie sich Comedian Tony Hinchcliffe bei einer Wahlkampfshow für Donald Trump zum Shitstorm bombte. Ein Auftritt, so epochal, der, glaubte man Kommentatoren aus den deutschen Medien, Trump in Bedrängnis brachte, ihn wahlweise den Swing State Pennsylvania, “wichtige Stimmen” oder gar “die Wiederwahl” kosten könnte.
Auf der einen Seite Herablassung, Verachtung gar, basierend auf der Überzeugung, dass eine defizitäre Kunstform repariert werden muss; auf der anderen Ehrfurcht, Zutrauen, Hoffnung, dass, wenn gar nichts hilft, vielleicht immerhin ein Comedian den Weltenlauf verändern könnte. Unsere Zeiten pflegen ein paradoxes Verhältnis zu Comedy.
Trumps Sieg war schmerzhaft deutlich, und es war naiv, daran zu zweifeln. Dass Hinchcliffe Puerto Rico als “floating island of garbage” bezeichnete, ging zwar zu weit, spielte letzten Endes aber überhaupt keine Rolle für den Ausgang der Wahl. Trotzdem handelte es sich um den wichtigsten Comedyauftritt des Jahres. Nicht nur, weil er so prominent platziert war, sondern auch weil er ein Fingerzeig ist, was die Comedyzukunft bringen mag.
Zunächst einmal zum eigentlichen Geschäft, der Comedykritik. Es ist augenfällig, wie schlecht Hinchcliffe handwerklich vorgeht. Read the room ist für Comedians auf der Bühne eine wichtige Maßgabe. Das heißt nicht, einem Publikum nach dem Mund zu reden, sondern eher ein Gespür für einen Ort entwickeln, für die Atmosphäre einer Veranstaltung, für deren Besucherinnen und Besucher. Und mag die Konferenzhalle einer Wahlkampfveranstaltung nicht optimal für Jokes sein, ist es doch faszinierend, wie krass Hinchcliffe scheitert. Er langweilt mit themenfremden Ausführungen über seinen Weg zum Erfolg, während es so viel Comedy zu ernten gäbe: Demokraten roasten, Republikaner roasten, die Umstände thematisieren, pandering to the audience – es gäbe hier so viel zu gewinnen.
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Nicht, dass das alles mit guten Jokes einhergehen muss. Aber ein guter Comedian kann aus einem disparaten Publikum eine Einheit schweißen, er wählt genau die richtige Ansprache und nimmt es an der Hand, damit es sich sicher fühlt und auch bei den problematischeren Äußerungen mitgeht. Wie viele Comedians in der rechtslibertären Bubble verweigerte Hinchcliffe diese Aufgabe. Er hat wichtige Parameter nicht angepasst und im Resultat waren die Zuhörer:innen abgelenkt. Jeder kennt dieses Gefühl bei schlechten Comedyshows: Wie ist das gemeint? Was soll das? Ist das jetzt ein Witz oder gerade nicht? Wenn wir abgelenkt sind, ob durch unbehagliche Gedanken oder durch eine zerbrechende Bierflasch, können wir nicht über Witze lachen. Wir kriegen sie ja gar nicht mit. Hinchcliffe bekam seinen Shitstorm nicht, weil seine Kritiker so humorlos sind, sondern weil sein Auftritt so schlecht kalibriert war.
Ob es Hinchcliffe theoretisch beherrscht, einen Raum zu lesen, ist schwer zu sagen. Seine Tätigkeit als Moderator seiner Show Kill Tony erfordert es wegen des festen Konzepts nicht. Ebenso die Roasts, für die Hinchcliffe noch bekannt ist, handelt es sich dabei ja um eine Form, bei der vorbereitete Witze vorgetragen werden. Was man dagegen sehr gut beurteilen kann, auch aus der Ferne, ist Hinchcliffes massiv aufgeblasenes Ego. Er hat Erfolg, er hat ihn sich erarbeitet, und er lässt einen das in jedem Interview, in jedem Podcast, sogar auf der besagten Trump-Rally wissen. Der Selbstreflexion scheint das eher abträglich.
Nachträglich beschwerte sich der Comedian auf X, dass sich niemand den ganzen Auftritt angesehen hätte und – ein altes Lied – wieder mal Dinge aus dem Kontext gerissen wurden. Dabei sieht, wer sich den kompletten Auftritt ansieht, an sich nur weitere fragwürdige Witze. Eine merkwürdige Verteidigungsstrategie zum eigenen Nachteil. Ansonsten trat Hinchcliffe wild um sich, teilte etwa gegen den demokratischen Vizekandidaten Tim Walz aus, der ihn kritisiert hatte: “might be time to change your tampon” – Walz solle mal seinen Tampon wechseln. Wie spaßig, Tim Walz menstruiert. Das ist lustig, I guess?
Man muss sich das öfter vor Augen führen, dass das das Endgame der ganzen toxisch-narzisstischen Comedybubble ist: Sie gerieren sich als Streiter für free speech, stellen dann aber nichts mit dieser Freiheit an, sondern machen Tamponwitze, die streng genommen ja nicht mal Tamponwitze sind, sondern lediglich Äußerungen, die das Wort “Tampon” beinhalten. Und dafür wollen sie dann bejubelt werden. Man könnte das so lächerlich finden, würden diese Comedians nicht ihre lächerliche Comedy als Feigenblatt für die Verbreitung reaktionärer bis rechtsradikaler politischer Inhalte nutzen. Und würden sie nicht sogar von zahlreichen Liberalos wie Jon Stewart verteidigt werden.
Einer der wenigen, der mal Stellung bezieht, ist Comedian Marc Maron (“The anti-woke flank of the new fascism is being driven almost exclusively by comics, my peers”, in einem Blogbeitrag). Doch das ändert wenig daran, dass dieser Zweig der Comedy weltweit der erfolgreichste ist – und bleiben wird. Nicht zuletzt, weil seine Anhänger keinen Ausgang mehr finden können oder wollen.
Glaubt irgendwo irgendwer, ernsthaft, dass diese irgendwann einen Schlussstrich ziehen würden? Im Sinne von: Ich bin bei Donald Trumps rassistischen, frauenfeindlichen, behindertenfeindlichen, demokratieverachtenden Aussagen mitgegangen, die transphoben Einlassungen von Joe Rogan, Dave Chappelle, Theo Von und Shane Gillis waren ok, genauso wie die Menschenverachtung und den Rassismus von Tim Dillon, die Misogynie der Legion of Skanks, auch der Antisemitismus und die Holocaustleugnung im Abgrund der Comedy-Podcastlandschaft – aber genug ist genug. So schlimme Witze über Puerto Rico möchte ich nicht hören!
So sehr sich manche Journalisten das gewünscht haben mögen, die Vorstellung ist zu absurd. Und vor allem auch die, dass sich dadurch auch nur ein Trump-Unterstützer von Trump abwenden würde. Wie sollte man das vor sich rechtfertigen? Trump ist ok, aber wenn er sich mit solchen dirtbags wie Hinchcliffe abgibt, bekommt er meine Stimme sicher nicht!
Wer nur die Grenzüberschreitung im Köcher hat, muss auf immer größere und stärkere Grenzüberschreitungen setzen, da ja beim Publikum auch eine Gewöhnung einsetzt. Es gibt für Comedians wie Hinchcliffe nur eine Richtung, und nun bekommen sie auch noch Aufwind. An der US-Wahl ließ sich schon ein Medienwandel beobachten: Die Demokratin Harris orientierte sich noch stärker an den konventionellen Medien, die auch ihre Fehler haben, wo aber meistens noch Menschen arbeiten, die von Berufs wegen korrigieren, erklären, einordnen, widersprechen. Trump dagegen setzte verstärkt auf Podcasts, wo er ohne Widerrede Unsinn verbreiten konnte. Er trat bei Joe Rogan auf, bei Andrew Schulz oder Theo Von.
Je nachdem, wer gewinne, würde sich der Shift von traditionellen Medien hin zum kleinteiligen Podcast-Ökosystem verlangsamen oder beschleunigen, heißt es in diesem Text bei Axios, wahrscheinlich dem fadesten, technischsten, aber wichtigsten Text über Comedy. Jetzt wo Trump gewonnen hat, dürfte das “X-Rogan-right-wing podcaster network” zum neuen “mass media industrial complex” werden. Mal sehen, welche Lehren die deutsche Politik daraus ziehen und welchen Podcasts sie sich anbiedern wird.
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