„Wenn der Hitler-Witz nicht scheißgut ist, schmeiß ihn halt weg!“

Das Comedy-Kollektiv PCCC aus Wien macht politisch korrekte Comedy
Politisch korrekte Comedy: Josef Jöchl und Denice Bourbon vom PCCC*
„Punch up, don’t kick down“ ist die Devise von Josef Jöchl und Denice Bourbon (Foto: Martina Lajczak)

Jeder hat das Recht, verarscht zu werden! Stell dich nicht so an! Man darf ja bald über gar nichts mehr Witze machen… Es sind typische Sätze für den Diskurs über Humor und Comedy im deutschsprachigen Raum. Die Haltung dahinter: Witze stehen nicht zur Debatte. Über Witze gibt es keine Meinung. Ferner sollte man sie ausnahmslos gut finden, sonst gilt man halt als humorlos.

Wenn man Glück hat, kann man darüber die Schultern zucken. Manche können diesen Totschlag-Argumenten aber kaum aus dem Weg gehen, weil sie sie schlicht zu oft hören: queere Menschen etwa oder People of Color. Die Wiener Comedians Denice Bourbon und Josef Jöchl wollten daran etwas ändern. Mit dem Politically Correct Comedy Club (PCCC*, gesprochen: Pissy Cissy – also etwa: angepisster Schwächling) haben sie 2017 eine Gala-Mixed-Show für politisch korrekten Humor gegründet. Sie besteht aus Stand-up, Musik und Performance und will Minderheiten nicht ausgrenzen. Mit einer sogenannten Sensitivity Readerin überarbeiten die Comedians bei PCCC* ihre Programme. Noch so ein typischer Humorsatz in Deutschland: Kann politisch korrekte Comedy funktionieren?

Setup/Punchline: Ihr sagt selbst von euch, ihr macht mit PCCC* „Comedy für Leute, die keine Comedy mögen“. Was meint ihr damit?

Denice Bourbon (DB): Es gibt viele Leute, die Comedy-Shows meiden, weil sie Angst haben verletzt zu werden. People of Color zum Beispiel, Lesben, Schwule, generell die queere Szene. Ich habe diese Verletzungen selber häufig erlebt: Egal, wo man hingeht, irgendwo ist meistens dann doch immer ein sexistischer, transphober oder rassistischer Witz rausgekommen. Das haben viele queere Menschen verinnerlicht: Ah, Comedy, das wird wohl irgendwie beleidigend sein. Darum waren auch die Reaktionen eher verhalten, wenn wir erzählt haben, dass wir eine Comedy-Show machen wollen. Wir wollen es aber anders machen. Wir wollen, dass Menschen zu unseren Shows kommen können, ohne diese Angst vor Verletzungen.

Stutzt man so nicht Comedy zurecht? Braucht es nicht den Tabubruch, um lustig zu sein?

Josef Jöchl (JJ): Das ist eine tote Phrase. Von denen gibt es so viele. „Kein Blatt vor den Mund nehmen“, wäre noch eine andere. Ich sage, was ich will, ich lass mir den Mund nicht verbieten – das ist eine ausgeleierte Nummer. Dass Comedy anstößig oder verletzend sein muss, das ist etwas, was wir durch Erziehung und Erfahrung gelernt und verinnerlicht haben. Das muss aber nicht so sein. Ich sehe das oft bei jüngeren Männern, die mit Stand-up anfangen. Die gehen dann zu einem klassischen Dude-Open-Mic, wo, sagen wir, acht Männer und eine Frau auftreten. Und um sich zu beweisen, glauben sie, sie müssten was richtig Krasses sagen, damit ein Joke aufgeht.

DB: Man kann immer noch Tabus brechen. Unsere Devise ist nur: Punch up, don‘t kick down. Nie nach unten treten, ausschließlich nach oben! Viele Comedians wollen edgy sein und glauben dann, dass das bedeutet, dass sie nach unten treten müssen. Dabei ist das nur Faulheit. Wenn ein Open-Mic ein absoluter boys‘ club ist und dann noch ursexistische Witze gemacht werden – dann ist es doch nur verständlich, wenn sich zum Beispiel queere Menschen oder Frauen generell oder sogar manche Männer unwohl fühlen.

PCCC aus Wien will politisch korrekte Comedy machen
Etwa viermal im Jahr gibt es die große Galashow des Politically Correct Comedy Club (PCCC*) in Wien. Dazu ist der Club immer wieder auch auf Tournee. Die Performerin/Autorin/Musikerin/Comedienne Denice Bourbon und Autor Josef Jöchl (Foto: Ari Y. Richter) hatten im Sommer 2016 die Idee für das Konzept mit der „Sensitivity Readerin“, die Comedians Input über ihre potenziell diskriminierenden Witze gibt.

Ändert sich daran etwas?

JJ: Vor fünf bis zehn Jahren gab es noch nicht so viele verschiedene Stimmen, Comedy war einfach ein Geschäft von Dudes. Das beginnt sich jetzt langsam zu ändern. Comedy wird ethnisch diverser, viele queere Leute sind dabei und geben andere Perspektiven auf die Gesellschaft. Und auf das, was lustig ist.

DB: In der Stand-up-Comedy war der weiße Hetero-Cis-Mann früher der Standard, das default set. Ist er auch heute noch. Die guten weißen Cis-Comedians benennen ihre Position jedoch und machen Witze darüber.

„Je diverser die Menschen auf der Bühne sind, umso mehr spiegelt sich das im Publikum“

JJ: Wir achten zum Beispiel schon beim Line-up darauf, dass wir möglichst divers sind. Man bookt ja immer so, wie es einem am nächsten liegt. Würde ich frei von der Leber weg buchen, würden ausschließlich schwule Männer bei uns auftreten. Damit wäre nichts gewonnen. Wenn ich will, dass sich etwas öffnet, muss ich mindestens zur Hälfte Frauen auf der Bühne haben. Dann sollten nicht alle Künstler weiß sein. Wir haben Stimmen auf der Bühne, die man nirgendwo sonst hört. Zum Beispiel einen Transmann aus Berlin, der im Rollstuhl sitzt. Oder eine Non-Binary-Person aus Äthiopien, die in Wien politischen Aktivismus macht.

Was bringt das?

JJ: Je diverser die Menschen auf der Bühne sind, umso mehr spiegelt sich das auch im Publikum. Das verändert die Stimmung. Und es verändert die Inhalte: Es werden weniger krasse Sex- und Penis-Jokes gemacht. Weniger klassische Jokes über Hodengeruch. Da war ich ja selbst am Anfang nicht ganz gefeit davor. Es ist einfach mehr feminine Energie da.

DB: Es geht ja nicht drum, ein bestimmtes Thema zu verbieten. Die Perspektive ist entscheidend: Ist die fresh? Und entspricht sie dem Grundsatz, nie nach unten zu treten?

War es für euch selbst schwer, politisch korrekte Witze zu machen?

DB: Natürlich! Und das ist es noch immer! Auch wir machen anstößige und beleidigende Witze, auch wenn wir das nicht möchten. Aber wir sind ja auch ein Produkt unserer Gesellschaft. Darum ist der Blick von außen so wichtig.

Mit einer sogenannten „Sensitivity Readerin“ geht ihr vor den Shows eure Witze durch. Wie läuft das ab?

DB: Eine Woche vor einer Show treffen wir uns und tragen uns gegenseitig unser Material vor. Dann gibt es Feedback an Form und Inhalt von der Sensitivity Readerin. Hey, schau, das hier kann rassistisch rüberkommen, das homophob. Hier bist du ageist, machst dich also über Menschen nur wegen ihres Alters lustig. Wir nehmen sehr ernst, was sie uns sagt. Wir wollen die Comedy ja so gewaltfrei wie möglich halten.

Politisch korrekte Comedy ist schwer

JJ: Unser Ansatz ist die freiwillige Selbstkontrolle. Und trotzdem diskutieren wir immer noch ziemlich lange. Aber manche Themen haben wir auch schon durch: Krieg zum Beispiel. Du weißt nie, ob nicht jemand im Publikum ist, der aus einem Kriegsgebiet kommt. Das kann triggernd sein. Oder Hitler-Witze. Das hört man so oft, da muss der Joke schon supergut sein, damit es gerechtfertigt ist, ihn zu machen.

DB: Wenn der Hitler-Witz nicht scheißgut ist, schmeiß ihn halt weg! Im Zweifelsfall verzichtet man eher. Wenn man sich unsicher ist, ein komisches Gefühl im Magen, dann sollte man darauf vertrauen. In 99 Prozent der Fälle bedeutet es, dass etwas ein Problem ist.

JJ: In der Runde merken wir auch, wenn wir uns verrannt haben. Aber es heißt eben: Kill your darlings. Natürlich tut das weh. Aber weil wir es nun schon eine Weile machen, haben wir uns daran gewöhnt.

Worüber habt ihr zuletzt diskutiert?

DB: Ich wollte zum Beispiel auf der Bühne eine Geschichte erzählen von einer Frau in Wien, die mit Bäumen geredet hat und meine damalige Freundin immer angeschrien hat: „Du schiacha Mann! Ich schmeiß dich in die Donau!“ Sie hat nie jemand anderen angeschrien. Aber: Diese Frau war ja anscheinend psychisch krank, sie entspricht nicht der geistigen Norm der Gesellschaft. Auch wenn diese Geschichte natürlich lustig ist, ist es nicht ok, sich über so jemanden lustig zu machen.

„Nicht jeder Witz muss auf einer Bühne gemacht werden“

JJ: Beim Thema psychische Gesundheit passen wir zum Beispiel sehr gut auf. Muss man unbedingt Wörter wie „crazy“ benutzen? Das ist als Anglizismus total weit verbreitet, aber eigentlich ist das nicht so nett.

DB: Das Thema ist in der queeren Blase viel präsenter: Es gibt viel viel mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen, allein schon, weil sie häufig lange Jahre damit kämpfen müssen, anders zu sein als die Norm.

Was macht ihr mit den Witzen, die aus dem Programm fliegen?

DB: An denen erfreue ich mich dann für mich selbst. Oder wenn es in mir kocht, ruf‘ ich meine beste Freundin an und erzähle ihr das. Nicht jeder Witz muss auf einer Bühne gemacht werden.

Ähnlich hat das Hannah Gadsby 2017 in ihrem Special Nanette gesagt. Sie ging sogar weiter: Selbstermächtigung durch Humor müsse schiefgehen. Indem sie Witze über sich selbst mache, vergrößere sie nur die Demütigungen, die sie als lesbische Person ohnehin schon erleide. Wie seht ihr das?

JJ: Ich habe festgestellt, dass ich Themen habe, bei denen ich empfindlich reagiere. Ich kann auf der Bühne nicht über alles sprechen.

DB: Wir reden viel über self-deprecating humour. Als ich mit Stand-up angefangen habe, wollte ich urviel über meinen Körper und mein Alter reden. Es gab viel Stoff: Ich werde bald 44, bewege mich aber in dieser jungen queeren Szene, bin eine selbst ernannte Queen, ich identifiziere mich auch als fette Frau. Ich wollte das ein bisschen ownen. Aber es hat nicht gepasst.

Warum nicht?

DB: Das Problem ist: Auch wenn ich Witze über mich selbst mache und dabei ein gutes Selbstvertrauen zeige, können die lookist sein, ageist oder homophob. Und auch wenn du es ownst, macht das etwas mit dir und dem Publikum. Und es war dann einfach nicht mehr lustig, es war als Thema zu schwer. Niemand hat sich danach besser gefühlt, das Publikum war eher trauriger als vorher. Comedy eignet sich als Form nicht zwingend für alle Themen. Für sehr viele, aber eben nicht alle. Nicht alles ist lustig. Some things are just sad.

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