Witze-Fluxkompensator.
Im Moment ist noch nicht zu 100 Prozent gewiss, wer US-Präsident wird oder bleibt. Feststeht aber, dass demnächst das große Mutmaßen in den Medien wieder losgehen wird: Was bedeutet das nun für Satire und Comedy? Wird sich Satire von Trump erholen können? (Huch, der Guardian war schneller.) War Trumps Präsidentschaft nicht ein Fest für Comedians? Würde durch Biden nicht alles normal und langweilig?
Viele halten ja äußere Umstände für den Motor der Comedy. Als müsste nur der richtige (oder falsche) Typ Präsident sein oder als müssten sich nur genügend Menschen wegen einer Pandemie merkwürdig verhalten. Die Aufgabe von Comedians ist dieser Auffassung nach dann allein, solche Umstände, solche Themen zu finden – der Rest geht von alleine. In der Süddeutschen Zeitung stand anlässlich der Eröffnung des Berliner Flughafens (also der, der ewig nicht eröffnet wurde): “Satiriker müssen sich jetzt einen neuen Witze-Generator suchen.” Darin steckt auch die Botschaft: Die Realität besorgt die Witze, Comedians können sich damit begnügen, sie auszusprechen.
Wer aber jetzt noch den “Pannen-Flughafen” als Witze-Generator benutzt, der macht wohl auch jetzt noch Witze über Boris Becker. Womit wir beim Moderator Oliver Pocher wären. Der hat jüngst besagten Ex-Tennisstar mit einem Fake-Preis hereingelegt. Natürlich ist das Comedy, aber halt ziemlich faule. Und man könnte sich fragen, ob es nicht auch für Häme geeignetere Ziele gäbe. Auf jeden Fall sieht man daran: Es reicht nicht, auf das richtige Thema zu setzen und dann zu hoffen. Comedians müssen etwas tun, damit sie lustig sind. Nicht die Umstände sind der Motor der Comedy. Comedians sind der Motor der Comedy.
Bei Setup/Punchline
… empfehle ich euch aus aktuellem Anlass zwei ältere Artikel von mir: Einmal habe ich beschrieben, warum weder Donald Trump noch Corona “goldene Zeiten” für Comedy bedeuten. Und dann gibts noch einen über den unsäglichen Spruch “Humor ist die beste Medizin”. Und warum sich dahinter eine Form der Verachtung von komischen Künstler:innen verbirgt. |
Comedy-News
- Frauen seien es langsam leid, Männern toxische Umgebungen und die Gefahr von sexualisierten Übergriffen (mit zwei Worten: metoo) in der Comedyszene erklären zu müssen. Der Guardian beschreibt, wie in der britischen Stand-up allmählich etwas in Bewegung kommt. “Believe people and realise that people can be lovely to you and horrific to somebody else”, sagt ein Comedian.
- Die Late-Night-Show von Jon Stewart muss ziemlich legendär gewesen sein. Ich habe das damals noch nicht verfolgt (und man kann ja wirklich nicht immer alles sehen). Auf jeden Fall kommt Stewart zurück, mit einer Serie auf Apple TV+.
- Why is humour so rarely treated as high art? Das fragt Alexi Duggins im Guardian. Und, hoffnungsfroh: Corona werde das wohl ändern. Schönes Beispiel für einen Artikel, der eine interessante Frage stellt, aber selbst Teil des geschilderten Problems ist. Gerade in Corona-Zeiten, schreibt Duggins, sei Comedy ja eine “truly Herculean task”. Wenn Comedians als Helden oder Comedy als Aufgabe für Helden bezeichnet werden, mag das zwar gut gemeint sein, transportiert aber eigentlich Geringschätzung. (Näheres im oben erwähnten Humor-als-Medizin-Artikel.) Auch bemüht Duggins das bekannte Nützlichkeitsparadigma der Komik: Ihr Sinn liegt doch auf der Hand, also jetzt finden wir sie bitte alle gut! Dahinter steht die Prämisse, dass sich Komik erst in irgendeiner Weise verdient machen muss, um Anerkennung zu finden. Ein Maßstab, den man bei angeblich ernsten Werken selten anlegt.
- Die Fortsetzung von Borat löste wegen einer vermeintlich kompromittierenden Szene des Trump-Anwalts Rudolph Giuliani einige Aufregung aus. Jesse David Fox übt bei Vulture etwas Medienkritik und hält fest: Das Kunstwerk, also der Film, wurde natürlich mal wieder kaum beachtet. (Ich habe den Film nicht gesehen und weiß auch nicht, ob ich’s tue. Nach vier Jahren Trump immer noch zu versuchen, Menschen durch Provokation zu entlarven, lässt micht fürdie Fortsetzung nichts gutes ahnen.)
- Neue Specials 1: Die US-Comedienne Sarah Cooper hat mit Lipsync-Videos zu Donald Trump auf Tiktok auf sich aufmerksam gemacht. Nun hat sie ein “Special” auf Netflix veröffentlicht, das eigentlich mehr eine Sketchshow ist. Ich empfehle die Rezension beim Guardian, um sich ein Bild zu machen.
- Neue Specials 2: US-Comedian Tim Heidecker hat sein Special An Evening With Tim Heidecker auf Youtube veröffentlicht. Ich hab’s noch nicht gesehen, aber viel Interessantes dazu gehört. Zum Beispiel bei AV Club.
- Eine schöne Nachricht in Corona-Zeiten: Das Leicester Comedy Festival hat für 2021 seine Rückkehr angekündigt.
Schau-Tipp: The Iconic Tropes of Comedy
Der Designer Linus Boman vergleicht in diesem Video die Logos von Comedy-Clubs und analysiert die größten Klischees. Natürlich mit dabei: das Mikrofon! Aber auch Zähne, Tiere und merkwürdigerweise sehr viel Obst. >>> Hier geht’s zum Clip auf Youtube
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