Canned comedy.
Vor kurzem habe ich Tenet angesehen, den neuen Film von Christopher Nolan. Und als ich nach dem zweieinhalbstündigen, hochverwirrenden Taumel erwachte, hatte ich für einen Augenblick einen albernen Gedanken: Ah, jetzt kommen ja noch die Outtakes. Also eine Sammlung von Szenen oder Momenten, wo beim Dreh etwas schief ging.
Was waren das bitte für Zeiten? Als komische Filme offenbar als Packungsbeilage die Information brauchten, dass selbst die Entstehungsbedingungen von Komik unglaublich komisch sind. Ein Zertifikat gar, das fast etwas drohend besagte: “Schau mal, alle haben Spaß, sogar das Filmteam hatte Spaß – warum hast du keinen Spaß?”
Oder sind Outtakes eher als Outsourcing zu verstehen, als Entlastung der Zuschauer, ähnlich dem canned laughter? Wenn schon der Fernseher lacht, muss ich ja nicht mehr. Wenn schon das Filmteam Spaß hatte, muss ich ja nicht mehr…? Das klingt zuerst mal so, als hätte die penetrante Unterhaltungsindustrie ihr verständiges Gesicht gezeigt. Für mich spricht daraus aber eher Verachtung der Zuschauer, die man zwar als Konsumenten schätzt, auf deren Geschmacksurteile man aber genauso gut verzichten kann.
Neu bei Setup/Punchline
Wir begrüßen den ersten Gastautor im Magazin: Eike Lennart Sell hat seine Bachelorarbeit über die Entstehung der Berliner Stand-up-Szene geschrieben. Für Setup/Punchline hat er mit soziologischem Blick einige der Ergebnisse zusammengefasst. Die tschechische Comedienne Lucie Macháčková gibt im Interview einen Einblick in die Stand-up-Szene im Nachbarland und erklärt, wie sie ihr Leben in Comedy transformiert. (Auf Englisch) Der Podcast kehrt zurück (nicht jetzt, aber bald). Falls ihr die erste Staffel noch nicht gehört habt und wenig Zeit habt, gibt es hier einen kleinen Podcastführer für die vergangenen Episoden. Und in eigener Sache: Ich war zu Gast bei Lakonisch Elegant, einem Podcast von Deutschlandfunk Kultur und habe mit den Moderator:innen und Comedian Aurel Mertz über den Zustand der deutschen Komik gesprochen. (Einer der Anlässe war ein rhetorischer Brandsatz, den Dieter Nuhr geworfen hatte. Ob als Kunstfigur, Satiriker oder Privatperson, ist irgendwie nicht ganz klar.) |
Comedy-News
- Der Humorist, Satiriker, Redakteur und Entertainer Herbert Feuerstein ist gestorben, bekannt etwa aus der Sendung Schmidteinander. Feuerstein hat auch Comics ins Deutsche übertragen, so verdanken wir ihm unter anderem “Befindlichkeitsbekundungen” wie “würg” oder “lechz”. Der Spiegel hat den informativeren Nachruf, die Süddeutsche Zeitung dafür den (meiner Meinung nach unglaublich passenden Vergleich) mit Larry David.
- Wegen Gesundheitsvorschriften in New York zahlt Saturday Night Live Zuschauer:innen der Live-Sendung 150 Dollar. (Vulture)
- Das öffentlich-rechtliche Format Walulis befasst sich mit den vergangenen “Ausrutschern” von deutschen Comedystars. Mich schmerzt es ein bisschen, dass die nun schon oft zitierte Szene aus Otto Waalkes’ Film einfach in eine Reihe gestellt wird mit dem Blackfacing von Bernhard Hoëcker oder Kaya Yanar. Es ist eine nette Idee, die Comedians von damals um Einschätzungen aus heutiger Sicht zu bitten. Diese Einschätzungen sind aber teilweise dermaßen unterkomplex und blind für einen Diskurs, den man im Laufe der Jahre schon mal mitbekommen haben könnte, dass mich das beim Sehen etwas fassungslos gemacht hat.
- Second City steht zum Verkauf. Schuld ist die Covid-Pandemie, aufgrund der dem US-amerikanischen Theater/Impro/Comedy-Imperium viele Einnahmen entgingen.
- Und jetzt nochmal alle: Der sogenannte Deutsche Comedypreis ist vielleicht aus psychologischer Sicht interessant (insofern Mainstream und Zwängen unterliegende Kunst für Kritik immer interessant sind), aber seine Aussagekraft über Qualität kann bezweifelt werden. Der Spiegel hat eine unterhaltsame Nachlese zur Gala.
- Diese Überschrift kann auch mal für sich stehen: How ‘standuperos’ sparked a ‘cultural revolution’ in Mexico’s comedy scene (L.A. Times)
Hör-Tipp: Producing a Comedy Special
Joe List, Mark Normand, Sam Morril – drei US-Comedians, drei selbst produzierte Specials. Und dreimal standen Jason Katz und Ryan Devir dahinter. In der aktuellen Folge ihres Podcasts sprechen sie darüber, worauf es beim Filmen eines Specials ankommt.
>>> Hier geht es zum Newsletter-Archiv.