Abkupfern mit Luke Mockridge

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Man kann Luke Mockridge ja viel vorwerfen, aber eines muss man ihm lassen: Der Mann weiß, wo er seine Witze abkupfern muss. In Mockridges Fall ist das oft Bo Burnham, ehemals Meta-Stand-up-Comedian, der 2021 mit seinem in Covid-Isolation und angeblich komplett allein produzierten Comedyspecial Inside Aufsehen bis ins Feuilleton hinein erregte.

Ein Segment in Inside zeigt, wie Burnham ein reaction video auf einen seiner Songs dreht (bzw. jemanden spielt, der so tut), wobei dann allerdings durch einen erzählerischen Kurzschluss das reaction video selbst zum Objekt der reaction wird.

Szene aus Bo Burnhams Inside (Screenshot: Netflix)

Luke Mockridge dagegen hat nun auf einem seiner Instagramkanäle angekündigt, wieder mehr Inhalte präsentieren zu wollen. Er tat das, indem er reaction video an reaction video reihte, in denen er sein Ausgangsvideo kommentierte.

Wo sich bei Burnham der anfangs enthusiastische Kommentator in einer Spirale der Selbstreflexion selbst unterminiert und immer deprimierter wird, schlüpft Mockridge in verschiedene Rollen und lässt den Clip in Chaos und Geschrei auslaufen. Erst ein Machtwort des Comedians lässt das Stimmengewirr verstummen.

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Luke Mockridge auf Instagram

Durch das Rollenspiel schaltet Mockridge die Möglichkeit der Selbstreflexion nicht nur aus. Diese spielt bei ihm überhaupt keine Rolle, spielt er hier ja einen Künstler, der sich gegen Kritik von außen behaupten muss, der er allein dadurch ausgesetzt ist, dass er sich öffentlich äußert. Verrückt sind im Internet immer die anderen.

Trotz dieser Unterschiede erinnert der Clip in seiner Anlage und Farbgebung natürlich stark an Burnhams Nummer aus Inside. Man mag das ok finden (viele von Mockridges Followern tun das) oder nicht oder drauf verweisen, dass jeder, der sich künstlerisch äußert, gar keine andere Wahl hat als Bestehendes zu rekombinieren. Die Geschmäcker gehen nun mal auseinander, wie übrigens auch die Auffassungen darüber, ob man, wenn man schon abkupfert, das wirklich bei einem Kunstwerk tun sollte, das wahrscheinlich besprochen und zerredet wurde wie kaum eines der vergangenen Jahre. (Unter anderem von mir, ich bin ja auch nur ein Mensch.)

Weil man nie genau vorhersagen kann, was witzig ist, und obendrein reverse engineering bei Witzen nicht funktioniert, haben wir uns damit abgefunden, dass wir beim Lustigen das Prinzip anything goes akzeptieren. Wird schon irgendjemanden geben, der das gutheißt, also ist es ok. Wird schon jemanden geben, der sich beim Lesen einer augenzwinkernden Kolumne mit dem Titel „Magere Zeiten“ (über den ehemals recht dicken Fußballmanager Reiner Calmund) in der Schwäbischen Zeitung beömmeln kann. Wird auch jemanden geben, der Mario Barth beipflichtet, wenn der sagt: „Comedy und Unterhaltung gehen nur, indem ich anecke.“

Interessanter als Barths persönliche Definition, was denn nun „anecken“ eigentlich bedeutet, ist die Einsicht: Comedy funktioniert nicht nach Vorschriften. Nicht das Anecken macht den Witz gut. Nicht Reiner Calmund als Witzobjekt macht den Witz schlecht. Gute wie schlechte Comedy beginnen erst einmal damit, dass man sie macht.

Aber wenn Menschen gewohnt sind, von Comedians halbgar präsentiert zu bekommen, was sie lustiger schon bei anderen Künstlern oder auf Reddit gesehen haben – werden sie dann in Zukunft noch zu Auftritten, Shows oder Open-Mics gehen? Das Überleben einzelner Künstler hängt vielleicht am Breitenerfolg, nicht jedoch das Überleben des ganzen Ökosystems Comedy. Da wären dann andere Dinge entscheidend, Qualität, Kreativität, Innovationskraft und solches Zeug.

2021 hat die Band Team Scheisse (Claim: Es ist Rockmusik!) den Song Karstadtdetektiv veröffentlicht. Der geht so: „Ihr könnt klauen, was ihr wollt / Ich werd’ niemanden verraten / Alles, was ich will, ist ein Freund.“ Ich würde nicht drauf wetten, dass diese Zeilen niemals geklaut werden. Aber es gibt Zuversicht: Es gibt sie ja doch noch, die Originalität. Komik wird niemals untergehen. Sie wird irgendwann vielleicht nur nicht mehr von Komikern gemacht.

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