Comedians, die Sprache hassen

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Dieter Hallervorden hat sich bei einem Termin in Berlin drastisch gegen das Gendern ausgesprochen. Die Angestellten im Berliner Schlosspark Theater, das er betreibt, könnten sich gerne am Gendern beteiligen, sagte der Comedian der dpa. „Aber alles, was von Seiten des Theaters herausgegeben wird, wird nicht dazu dienen, die deutsche Sprache zu vergewaltigen.“

Nun ist das Schlosspark Theater nicht gerade ein Hort der Avantgarde. Hallervorden lässt traditionelle Schauspieler:innen traditionelle Stücke mit traditionellen Witzen spielen. 2012 gab’s den obligatorischen Blackfacing-Skandal, den damals noch niemals verstehen wollte. Dass gerade dieses Theater irgendwelche gegenderten Broschüren herausgibt, hat wirklich niemand erwartet. (Oder gefordert.)

Interessant auf jeden Fall: Hallervorden benutzt die Metapher der Vergewaltigung. Margarete Stokowski erklärt beim Spiegel: „Die ganze Metapher funktioniert überhaupt nur, weil es immer noch den Mythos gibt, dass eine Frau, die vergewaltigt wurde, danach irgendwie nicht mehr die ist, die sie mal war, dass sie irgendwie kaputt ist.“

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Vermutlich würde Hallervorden sagen, dass er nicht dieser Meinung ist. Dass er das nicht gemeint hat. Dass es ihm um etwas anderes ging. Aber Sprache ist mächtig und, wie Hallervorden selber bei dem Termin betont hat: Sie ist nicht zu kontrollieren. Wir verfügen nicht uneingeschränkt darüber, was unsere Worte und Sätze jenseits des Gesagten noch so mittransportieren. Zum Beispiel eben patriarchale und sexistische Vorstellungen.

Zugegeben: Vermutlich ist es unmöglich, alle schädlichen Worte, Muster oder Nebenbedeutungen aus der Sprache zu tilgen. Es unterläuft einem ständig sowas. Wir passen nicht auf, wir hören uns ja selber beim Sprechen kaum zu, da Sprache halt oft nicht mehr ist als ein nützliches Werkzeug. Wer aber behauptet Sprache zu lieben, Sprachentwicklung zu verstehen, wer wortstark Sprachverfall beklagt und gar Träger des „Medienpreises für Sprachkultur“ ist – von so jemandem könnte man doch erwarten, etwas aufmerksamer mit Sprache umzugehen.

Wichtiger, als dass Hallervorden gendert, wäre also, dass er nicht so unqualifizierte Dinge über Sprache sagt. Stattdessen: „Natürlich entwickelt sich Sprache […]. Aber sie entwickelt sich nicht von oben herab auf Befehl.“ Was ein schöner Selbstwiderspruch ist: Wenn die Entwicklung nicht verordnet werden kann, kann natürlich auch der Stillstand nicht verordnet werden. Niemand kann „von oben herab“ verfügen, dass sie so zu bleiben hat, wie sie ist.

Was wurde nur aus dem fidelen Entertainer Didi Hallervorden?

Vor einigen Jahren, als Hallervorden das mit den merkwürdigen Videos anfing (z. B. Merkel – Zu allem bereit!), habe ich mich mal gefragt, was eigentlich aus dem stets fidelen Entertainer geworden ist. Aber es ist so, dass nicht er sich verändert hat, sondern die Zeiten. Hallervorden ist immer der gleiche geblieben.

Eine Stelle aus seiner Autobiografie von 2005 gibt hier Aufschluss. Auch in Wer immer schmunzelnd sich bemüht schrieb er über Sprache, nämlich über die Rechtschreibreform von 1996: „Ich finde es einfach ärgerlich, wenn Leute ohne sprachgeschichtliche Kenntnisse und mit offenbar sehr wenig Gefühl für Sprache sich erdreisten, uns neue Rechtschreib- und Interpunktionsregeln vorzuschreiben, die unsinnig sind.“

Hallervorden beklagte den Irrsinn der freien Interpunktion, er beklagte, dass das Wort spinnefeind nun groß geschrieben werden muss. Und dass in Frankreich wegen der Rechtschreibreform immer weniger Menschen Deutsch lernten.

Kurz und gut: Das ist alles ziemlicher Unsinn. Freie Interpunktion gab es nie, spinnefeind ist ein Adjektiv und wird weiterhin kleingeschrieben. Und tatsächlich lernen offenbar weniger Menschen Deutsch, aber ob das an der Reform liegt, ließ sich von mir nicht verifizieren. Hallervorden nennt dafür jedenfalls keine Belege. (Man könnte durchaus auch mal fragen, wozu eigentlich heute jemand Deutsch lernen soll. So attraktiv oder nützlich ist die Sprache nämlich nicht.)

In Frankreich gingen sie besser mit ihrer Sprache um, schreibt Hallervorden. Dort würde so eine „Kulturschande“ wie eine Rechtschreibreform nie stattfinden. „Da Franzosen aber wissen, daß die zu schützende Umwelt nicht nur aus Luft, Wasser, Boden, Pflanzen- und Tierwelt besteht, bleibt es deutschen Kultusministern vorbehalten, den ersten Schritt zu tun.“

Sprache ist also wie Natur und Natur lässt man am besten in Ruhe, das ist ein altes Argument. Es heißt: Wir können nichts ändern, Sprache ist, wie sie ist. Die menschliche Verantwortung blendet man so aus: dass Sprache geworden ist, wie sie ist, weil Sprecher:innen Entscheidungen getroffen haben: zum Beispiel, wie sie sich entschlossen haben, Menschen mit dem N-Wort zu bezeichnen, oder Menschen eben nicht mehr mit dem N-Wort zu bezeichnen.

Hallervorden will nicht über Sprache nachdenken und vor allem will er keine Verantwortung für sie übernehmen, nicht einmal für seine eigene. Und diese Haltung verschleiert er mit Sprache. Es ist ein ziemlich perfides Vorgehen. Man würde hoffen, dass so jemand nicht professionell mit Sprache arbeitet.

Hallervorden bringt etwas Erstaunliches fertig, das zeigt die Stelle aus seiner Autobiografie. Er kann uninformiert schmunzeln und sich gleichzeitig hämisch herablassen. Ein weiteres Beispiel für die noch unbelegte These, dass überzogenes Witzeln häufig ein Ausdruck von Humorlosigkeit ist. Und ein ziemlich gewieftes Sprachkunststück. Ach Comedy.

Eine Antwort

  1. Avatar von Florian Simbeck
    Florian Simbeck

    Hallervorden durfte ich zweimal begegnen. Und jedes Mal wichen anfängliche Ehrfurcht und Respekt schnell einer tiefen Enttäuschung ob seiner bockigen Selbstgefälligkeit und Arroganz. Er beleidigt auch unverhohlen und verurteilt ohne sich die Mühe zu machen, sich zu informieren. Schade.

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