- Ein bayerischer AfD-Politiker behauptete 2018, Geflüchtete hätten Tuberkulose und Krätze wieder eingeschleppt, dazu häuften sich angeblich HIV-Fälle (das zuständige Gesundheitsamt widersprach) und kam dabei nicht ohne die Nennung des N-Worts aus. Comedienne Enissa Amani beschimpfte ihn daraufhin und soll nun zahlen. (Ermittlungen gegen den Politiker wegen Volksverhetzung wurden eingestellt.) Sie sei gern dazu bereit, sagt sie, vorausgesetzt, auch der Politiker bekommt eine mindestens symbolische Strafe. Dass er die bekommt, ist aber unwahrscheinlich. Zahlt Amani wie angekündigt nicht, muss sie 40 Tage in Haft.
- Der indische Comedian Munawar Faruqui (im Newsletter hier bereits im Januar Thema) beendet seine Stand-up-Karriere. Der Muslim Faruqui sagt, Störungen seiner Shows durch konservative nationalistische Hindu-Gruppierungen hätten Überhand genommen. Wäre es nicht so tragisch, wäre man fast versucht zu fragen: Can the Mehrheitsgesellschaft etwa not take a joke? Faruqui verabschiedete sich auf Instagram und schrieb: „Nafrat jeet gai, Artist haar gaya.“ (Der Hass hat gewonnen, der Künstler hat verloren.)
- Cathrin Kahlweit interviewt in der Süddeutschen den österreichischen Kabarettisten Florian Scheuba. Der sagt unter anderem schön: „Eine schlichte Lüge nachträglich als Satire zu deklarieren, wie das zum Beispiel der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schon gemacht hat, ist Missbrauch des Satire-Begriffs.“
- Über Thanksgiving (dieses Jahr am 25.11.) sind zahlreiche Stand-up-Alben US-amerikanischer Comedians von Spotify verschwunden, wie Laugh Button berichtet. Unter anderem Alben von Jim Gaffigan, Kevin Hart, John Mulaney und Mike Birbiglia waren betroffen. Dahinter steckt wohl ein Streit um Tantiemen bzw. rechtliche Unklarheit diesbezüglich. Offenbar hat Spotify nicht nur, aber vor allem Alben von Comedians entfernt, die von der Agentur Spoken Giants vertreten werden, die sich für gerechte Vergütung von Comedians analog zu Musiker:innen einsetzt. Sean McCarthy schreibt in seinem Newsletter am kundigsten über die Hintergründe.
- Kurz aufschrecken konnte man dieser Tage aufgrund eines Tucholsky-Gedichts, in dem sich der Satiriker Ende der 1920er Jahre spöttisch über Impfgegner geäußert haben soll. Stimmte aber nicht, hatte sich der Titanic-Autor Cornelius Oettle ausgedacht. (Hier sogar ein Faktencheck dazu.) Friedhelm Greis durchforstet beim Sudelblog das Werk Tucholsky nach Belegstellen für dessen Einstellung gegenüber Impfungen. Das ist ganz interessant. „[R]eine Willkür“, nennt es Greis, ein solches Gedicht Tucholsky unterzuschieben. Hier würde ich allerdings nicht folgen.
- Saturday Night Live macht in wenigen Jahren das halbe Jahrhundert voll. Das beschäftigt die Medien auch jetzt schon, zum Beispiel aktuell die Washington Post. Wer in dem Artikel irgendetwas (hüstel) vermisst, dem sei eher eine Episode des Podcasts Culturally Determined ans Herz gelegt: Darin spricht der Comedykritiker Seth Simons über den SNL-Skandalkomplex der vergangenen Jahre. Reinhören lohnt sich vor allem, wenn man der Auffassung ist, Comedyshows könnten in alle Richtungen gleichberechtigt austeilen, indem sie Doppelgänger von Präsidenten verschiedener Parteien engagieren.
- Dave Chappelle spendet gerne und viel an seine alte Highschool. Diese will nun ihren Veranstaltungssaal nach ihm benennen. Daran finde ich wirklich nichts verwerfliches (ehrlich nicht), und es ist ein feiner Zug des Comedians. Bei einem Besuch kürzlich musste er sich dann aber ein paar unbequeme Fragen von Schüler:innen gefallen lassen bzw. gefiel ihm das natürlich ganz und gar nicht. Politico erzählt die Geschehnisse nach, und der Fall kann als Musterbeispiel gelten, wie man maximal unsouverän mit öffentlicher Kritik umgeht.
- Das Cartoon Museum in London möchte herausfinden, was genau einen Cartoon lustig macht, und lässt darum eine Besucherbefragung durchführen. Der Studienleiter, immerhin Professor der Universität Oxford, drückt es herrlich unwissenschaftlich aus: „[T]here’s stuff going on in the brain which is not necessarily easily accessible to us and it’s that, that we’re trying to get at.“
Hörtipp: Hot Breath with Barry Katz
Im Podcast Hot Breath von Joel Byars gehts meistens um das Handwerk von Comedians. In der aktuellen Episode ist Stand-up-Manager Barry Katz zu Gast (u. a. Chappelle, Burr, Dane Cook). Hörenswert ist vor allem, wie Katz Byars DIY-Special zerlegt.
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