Von der Freiheit, weinerlich zu sein

Der Comedy-Newsletter von Setup/Punchline: News über Stand-up, Comedy und Kabarett
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Deutschland 2022: In einem Land, wo gerade ein rechtsradikaler Putschversuch aufgedeckt wurde; wo Menschen mit Migrationshintergrund, ein Tankwart, der auf die Maskenpflicht verweist, oder schon mal ein Politiker getötet werden; und wo denen gerne zugehört wird, die Migration verhindern wollen, denen, die sich für das Klima einsetzen dagegen weniger; in so einem Land ist das größte Problem natürlich: dass junge Menschen sich irgendwo vor ein Auto kleben. CSU-Politiker Alexander Dobrindt will die Entstehung einer “Klima-RAF” verhindern. Eine von der Partei bemühte Expertin sieht die Letzte Generation schon “auf der Ziellinie der RAF”

Es sind wohl solche deplatzierten Kommentare über die Blockadeaktionen von Klimaaktivist:innen wie die von Dobrindt, die das Team vom ZDF Magazin Royale Ende November zu einer Sendung über die “RAFDP” verleitet haben. Moderator Jan Böhmermann spann wahnwitzige verschwörungstheoretische Fäden, um Politiker:innen der FDP, Kabarettist Dieter Nuhr oder Journalisten wie Ulf Poschardt und Anna Schneider von der Welt als Terroristen hinzustellen. Die Redaktion ließ ein Raster aus Porträts auf ein Fahndungsplakat drucken, das im Layout an die Plakate erinnerte, mit denen in den 1970er Jahren nach Mitgliedern der RAF gesucht wurde.

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Für ein fast 30-minütiges Segment fast ein wenig dünn als Idee. Und deutlich als Satire zu erkennen, egal wo im politischen Spektrum man sich verortet. Aber ihre Wirkungs verfehlte die Sendung trotzdem nicht, die getroffenen Angesprochenen bellten laut. Wenn das von rechts käme! kritisierte etwa Anna Schneider, die “Chefreporterin Freiheit” bei der Welt. Ulf Poschardt, Chefredakteur von WeltN24, schrieb auf Twitter “wird einfach super, wenn das juste milieu irgendwann so richtig an die macht kommt”.

Nun ist das Label Satire
ja kein Freibrief für alles

Ziemlich kringös die Reaktionen (ein Begriff, der sich hoffentlich durchsetzt) und möglicherweise ein “Fall von taktischer Selbstdummstellung”, wie Daniel Gerhardt das in der ZEIT nannte. Denn, wie Elena Witzeck (FAZ) zusammenfasste: “Diese satirische Warnung vor der liberalen Radikalisierung empörte die Liberalen, die vorher in radikalen Posen Eigenwerbung gemacht hatten.”

Wer einer Zeitung vorsteht, in der der Staat als kriminelle Organisation bezeichnet wird, wer Steuern als Raub bezeichnet, wer als Partei Freiheit als “Angebot an alle versteht (während dieses Angebot aber zum Beispiel die Freiheit, gegen untätige Politiker:innen zu demonstrieren, nicht einschließt); oder wer sich fortwährend mit wenig Substanz an progressiven Ideen abarbeitet – alle die müssen sich vielleicht nicht wundern, wenn sie das zur dankbaren Zielscheibe von Satire macht. Vor allem jemand wie Poschardt, der seinen Vorsprung an idiotischen Terroristenvergleichen (“woko haram“, “Twitter-Brigaden” etc.) seit Jahren hart verteidigt.

Nun ist das Label Satire ja kein Freibrief für alles, wie gemeinhin angenommen wird. Vielmehr kann sich einen Freibrief (nicht absolut, sondern zeitlich und thematisch begrenzt) verdienen, wer seine Satire mit Bedacht gestaltet. Je gewagter Botschaft oder Kritik sind, umso deutlicher muss der satirische Modus markiert werden – wobei Deutlichkeit nicht zwangsläufig den Holzhammer bedeutet.

Wie dem auch sei: Meiner Meinung nach gelingt diese Balance dem ZDF Magazin Royale im vorliegenden Fall. Natürlich ist es problematisch, ein Fahndungsplakat zu drucken – beziehungsweise: Es wäre problematisch, wäre der satirische Kontext nicht so eindeutig. Da dieser jedoch ausreichend klar wird, müssen die Zuschauer:innen eben nicht in Sorge um die abgedruckten Personen sein. Sie können sich vielmehr auf das Argument hinter dem Plakat konzentrieren, das Böhmermann machen möchte.

Darum ist zum Beispiel die Klage von Anna Schneider (das Ganze sei heuchlerisch, weil Progressive nun Beifall klatschten, während sie das bei derselben Satire von rechts nicht tun würden) eine Nebelkerze. Denn solche Satire kommt eben nie von rechts. Und selbst wenn man ein Fahndungsplakat mit progressiven oder linken Köpfen bedrucken würde, ist die Form Fahndungsplakat nicht allein entscheidend – es spielt schon auch eine Rolle, was für eine Haltung dahintersteht. Wenn es auf der rechten Seite mal Fahndungsplakate (oder zum Beispiel Galgen oder Porträts mit Fadenkreuezn) auf Demonstrationen zu sehen gab, war eben nie ganz klar, ob damit nicht vielleicht eine Meinung zum Ausdruck gebracht wird, die eine Person wirklich hatte. Vielleicht eine etwas überspitzte Version, aber doch eine echte Meinung.

Satire, die auf Altbekanntem fußt, hat es schwer

Man kann darüber streiten, wie tiefgründig die Sendung ist, oder ob die Episode überhaupt zu Böhmermanns schwächeren gehört, ob sie allein manierierte Spielerei ist. Aber sie basiert auf der Überzeugung, dass der Vorwurf des Terorrismus überzogen ist und viel zu locker sitzt. Nicht sonderlich originell, aber eben origineller als viele Aussagen, die generell Gegner des Klimaaktivismus so machen. Und sich Einmischung verbitten und jüngere Generationen in die zweite Reihe zurückwünschen, ist keine originelle Haltung. Satire, die darauf fußt, hat es schwer.

Offenbar wurde durch die Sendung einmal mehr, wie sehr sich manche Menschen verbiegen. Wie sie es wütend von sich weisen, von der eigenen Medizin zu kosten. Anderes Beispiel in diesen Tagen: Elon Musk. Über den wird viel gesprochen und geschrieben, weil er kürzlich die Plattform Twitter gekauft hat, um der dort angeblich so unterdrückten free speech zum Durchbruch zu verhelfen – wobei er diese free speech nun bereitwillig untergräbt, wenn sie aus den für ihn falschen Gründen gebraucht wird. Nämlich, um sich über ihn lustig zu machen oder ihn zu kritisieren.

Musk-Witze sind nicht automatisch gut, weil sie Musk zum Thema haben. Böhmermanns RAFDP-Sendung ist nicht automatisch gelungen, weil er auf “die Richtigen” zielt. Aber, davon erzählen die zur Schau gestellte Weinerlichkeit und Getroffen-Hundigkeit: Er hat getroffen. Keine geringe Leistung. Ausruhen sollte man sich auf ihr allerdings nicht.

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