Comedy-Presseschau vom 08.12.22

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Eklat bei Chez Krömer! heißt es allerorten, zum Beispiel in der FAZ. Nach einem fast mit Ansage verunfallten Interview mit Faisal Kawusi (hier zum Nachkucken) hat der rbb das Ende der Sendung bekanntgegeben. Kawusi leistet sich keinen seiner üblichen Aussetzer, sagt aber doch wenigstens milde haarsträubende Dinge. Zum Beispiel glaubt er, er könne nicht nach unten treten, da er ja selbst ganz unten in der Gesellschaft stehe. Außerdem verbat er sich, mit Fehltritten aus der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Schließlich habe er sich ja entschuldigt. Ächz. Naja. Etwas war aber doch schön an dem Ding: Tragen sonst solche Talksendungen ihren Teil dazu bei, problematische Figuren dem Mainstream nahe- bzw. noch-näher-zu-bringen (jüngst etwa auch Julian Reichelt oder Heinz-Christian Strache), hat Krömer in diesem Fall, indem er Kawusi respektlos behandelt hat und die Sendung verließ, unterstrichen, dass Kawusi Positionen vertritt, die nicht respektabel sind. Das Ende von Chez Krömer kann auch als Absage an das Modell Debatte interpretiert werden.
  • Luisa Charlotte Schulz und Ben Schafmeister folgen als Moderatoren bei Brainpools bzw. Banijays Stand-up-Format Nightwash auf Simon Stäblein. Durch die Neubesetzung solle der Fokus wieder mehr auf Show und Entertainment gerichtet werden, zitiert DWDL aus der Pressemitteilung. Wo lag der Fokus vorher, frage ich mich – womöglich doch noch eher auf der Plattform und Nachwuchsakquise (also dem, was im System Brainpool als Nachwuchs gilt). Offenbar soll nun die Show selbst mehr zum Produkt werden.
  • Ende November fand an der Ludwig-Maximilians-Universität in München die erste Ausgabe des mit einigen Professoren, Feuilleton-Menschen und etwa Kabarettist Bruno Jonas besetzten Humor-Symposiums des sogenannten „Zentralrats des deutschen Humors“ statt. Bei Lektüre der Zusammenfassung von Timo Frasch in der FAZ wundere ich mich, dass bei einem Treffen eines solch‘ hochdekorierten Humor-Thinktanks dann doch wieder nur dieselben belämmerten Fragen wie eh und je abgehandelt werden: Darf man jetzt? Oder darf man nicht? Und ist eine dicke Politikerin, hihi, nicht ziemlich lustig? Na, wer sonst keine Probleme hat.

Stand-up-Comedian Nick Vatterott

SPECIAL-EMPFEHLUNG: Nick Vatterott: For Amusement Only (2014)

Bei Vatterott entwickeln Personen im Act-out ein Eigenleben, zehn Minuten macht er nur einen zappenden Fernseher nach. Und dann ist da auch noch das wunderbare director’s-commentary-Metaelement. Schwer zusammenzufassen. Derart Experimentelles, Verspultes, nachgerade Idiotisches habe ich in Comedy lange nicht mehr gesehen.

  • Interview mit der neuen Titanic-Chefin Julia Mateus gab’s schon in so gut wie allen Medien. Die Süddeutsche Zeitung hat nun sogar ein Porträt.Das kommt selber ironisch-leichtfüßig daher, gelangt dann aber spätestens bei der sperrigen Definitionsarbeit am Objekt Humor ins Stolpern. Zwar eloquent vorgetragen, kommt im Artikel doch nur wieder die alte Hoffnung auf eine gnädige den Humorablass erteilende Autorität zum Ausdruck.
  • Adrian Horton geht im Guardian der Frage nach, wie die US-amerikanischen Late-Night-Shows damit umgehen könnten, sollte Donald Trump noch einmal bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren. Sieht man sich die Union unter Friedrich Merz an, ist das durchaus ein Thema, das auch in Deutschland interessieren könnte. „It is perhaps unrealistic to fully ignore an attention hog, especially one in power (Musk) or under federal investigation (Trump), but late-night shows could stand to feed them less“, schreibt Horton. Allerdings: „Das Problem an Souveränität ist aber, dass sie leichter zu leben ist als zu verkaufen.“ (Daniel Gerhardt in der ZEIT)
  • Netflix-Chef Reed Hastings bei einer Veranstaltung der New York Times über seine vielkritisierte Cashcow Dave Chappelle gesagt: „He is the best, or one of the best and that special was one of the most entertaining and watched specials we’ve ever had. We would do it again and again.“ Ich lese da eine belegte und drei unbelegte Aussagen. Hastings glaubt womöglich, er habe viermal dasselbe gesagt.
  • „Frauen machten bislang in der Regel keine Witze, sondern über sie wurden Witze gemacht. Erst in den vergangenen Jahren gelang es Stand-up- und Improvisationskomikerinnen, sich ihre Nische in der Comedy zu ergattern.“Das ist bei der Deutschen Welle zu lesen, es geht dabei nicht um Deutschland, sondern um Comedy in Pakistan.

Hörtipp: Therese Giehse und wir

Schauspielerin und Kabarettistin Therese Giehse

Die 1898 geborene jüdische Schauspielerin Therese Giehse kenne ich vor allem als Großmutter in Helmut Dietls Münchner Geschichten. Ihr bewegtes Leben, das ein biiiiisschen mehr umfasst als eine Serie, bringt einem der Podcast Therese Giehse und wir näher. In Folge 6 geht es ausführlich um Satire und Kabarett in der Weimarer Republik bzw. wie die Nazis dem ein Ende setzten. Mit dem Münchner Comedian Nathan Bilga kommt auch ein Vertreter der jüngeren Stand-up-Generation zu Wort. Hier geht’s zur Episode

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