In den USA gibt es ein großes Netz an Sketch-, Impro- und Comedy-Ausbildungsstätten, das die Versorgung von Sendern und Produktionsfirmen mit lustigen Menschen gewährleistet. Dieses Netz hat unter Corona stark gelitten, reihenweise wurden Theater geschlossen, gerieten Unternehmen schon nach wenigen Wochen Lockdown an den Rand des Ruins. Und das, obwohl die Ausbildung zwar ordentlich kostet, Performer:innen aber kaum bezahlt werden. Die Pandemie könnte die Gelegenheit werden für die Impro- und Sketch-Künstler:innen in den USA, sich zusammenschließen, zu organisieren, für eine faire Bezahlung einzutreten. Kurz: ein neues System aufzubauen, in dem sie ihre Kunstform ausüben können.
Und in Deutschland? Hier gibt es kein vergleichbares Netz. Trotzdem wäre auch hier eine Interessenvertretung angebracht. Denn wo sind die Menschen organisiert, die in Comedy arbeiten? Wer spricht für sie? Bislang niemand. Und dafür gibt es verschiedene, gute Gründe: Das Berufsbild ist zu komplex, das Spektrum zu breit, mit Stand-up lässt sich bislang noch nicht so gut Geld verdienen, mit Improv ja sowieso nicht, außerdem ist Stand-up eine individualistische (und individuierende) Welt, genauso wie die Selbstständigkeit, aus der heraus zum Beispiel viele Autor:innen agieren.
Aber der Comedyboom wird ja nicht verpuffen, trotz Corona. Netflix bringt demnächst wieder ein deutsches Special heraus, von Rebell Comedy, und es wird wohl nicht das letzte sein. Die Industrie steht unter Strom. Genau jetzt ginge es eigentlich darum, Branchenstandards zu formulieren, mit einer Stimme zu sprechen und einen Platz am Tisch zu fordern. Um nicht am Ende nur noch abnicken zu dürfen, was die Industrie den Künstler:innen abgibt.
Leichter gesagt als getan, so etwas wird nicht von heute auf morgen passieren. Und es muss ja auch nicht gleich eine Gewerkschaft sein (mal davon abgesehen, dass das vielleicht unpraktikabel wäre). Aber es geht auch ein, zwei Nummern kleiner. Ein gemeinnütziger Verein wäre ein guter Anfang. Stand-up-Comedy in Deutschland e.V., zum Beispiel. Satzungszweck: Förderung von Kunst und Kultur durch Förderung der alternativen Stand-up-Szene. Man hätte eine Rechtsperson, kann Spenden sammeln, kann sich um Räume bewerben oder sie mieten. Es würde die Organisation erleichtern. Gerade in subkulturfeindlichen Städten wie, hust, München.
Ein solcher Zusammenschluss könnte Standards formulieren: Wie sieht eine faire Bezahlung für welchen Typ von Auftritt aus? Wie wünscht man sich, von Veranstalter:innen behandelt zu werden? Wie sollten sich Comedians verhalten? Dieses Wissen kann zum Beispiel in Form von Seminaren an Clubs weitergegeben werden, nach dessen Durchlauf eine Art Gütesiegel vergeben wird. Wie gesagt, so ein Kulturwandel dauert seine Zeit. Aber solche Standards wären in der Welt und müssten dann erst mal ignoriert werden.
Gleich gilt natürlich nach innen: Wie gehen wir in der Szene miteinander um? Wie gehen wir mit schwarzen Schafen um, wie mit toxischen Strukturen? Was ist unser code of conduct? Welche Rahmenbedingungen müssen wir schaffen, dass Künstler:innen ungestört ihrer Kunst nachgehen können? Wie sähe das zumindest theoretisch aus?
Kurz: Welche Comedy wollen wir haben? Eine Frage, die man sich vor allem in der aktuellen Coronapause sehr gut stellen kann.