Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Dieser Satz stammt nicht vom Humoristen Karl Valentin, wie oft angenommen. Das macht ihn aber nicht weniger wahr. Die Veranstalterinnen und Veranstalter von Stand-up-Open-Mics und Comedy-Shows können es bezeugen.
Stand-up wird von Leuten ermöglicht, die die Kunstform lieben und oft wenig bis kein Geld damit verdienen. Umso wichtiger sind Austausch und gegenseitige Unterstützung in der Szene. Darum sammle ich auf dieser Seite Informationen und nützliche Hinweise für Veranstalter in Deutschland, mit Schwerpunkt auf München.
(Achtung: Ich arbeite journalistisch und nicht juristisch. Das heißt, ich entspreche einer gewissen Sorgfaltspflicht. Zum Beispiel kann man sicher sein, dass ich alle Quellen geprüft habe und die zitierten Informationen stimmen. Ich würde aber z. B. nicht raten, auf den Informationen auf dieser Seite eine Strategie für eine Gerichtsverhandlung aufzubauen. Dafür gibt es Profis.)
Warum München? Das liegt zum einen daran, dass die Stadt eine der lebhaftesten und größten Open-Mic-Szenen im Land hat. Und zum anderen ist München natürlich eine Stadt, die sich zwar mit Oper, Museen und Orchestern schmückt, aber nicht unbedingt dafür bekannt ist, Clubs, Konzerte, Kleinkunst oder auch einfach ein ausgelassenes Nachtleben zu fördern. Ein Beleg dafür sind zum Beispiel die weiß gepunkteten Linien auf den Bürgersteigen vor Cafés und Restaurants, über die kein Stuhlbein ragen darf und über die sich Touristen und Besucher oft wundern.
Du veranstaltest Comedy-Shows?
Egal ob in München oder anderswo in Deutschland: Hast du durch deine Arbeit etwas gelernt, das du gerne mit anderen Veranstaltenden teilen möchtest? Hast du Jura studiert und einige Tipps zur deutschen Gaststättenverordnung parat? Dann schreib mir! Alle Einsendungen werden vertraulich behandelt, Namen nur auf ausdrücklichen Wunsch genannt. Wenn dir das zu heikel ist, nutze am besten einen Maildienst wie z. B. 10minutemail.
Man kann sich als Veranstalter darüber ärgern, aber man sollte nicht vergessen: Auch im Münchner Kreisverwaltungsreferat, der vielleicht berüchtigtsten Ordnungsbehörde Deutschlands, arbeiten Menschen, die nur ihren Job machen. Und der besteht eben darin, darauf zu achten, dass sich beim Ausüben von Kultur oder beim Zuschauen niemand körperlich verletzt. Ein banaler Satz, dem jeder zustimmen würde. Man kann ihn aber über dem Ärger über viele Vorschriften, wütende Nachbarn und Polizeibesuche in der Nacht oft vergessen.
Situation in Deutschland
Da Open-Mics und Comedy-Shows häufig in normalen Bars oder Gaststätten stattfinden, ist zuallererst das Gaststättengesetz des Bundes (GastG) für Veranstalter maßgeblich, das aus dem Jahr 1970 stammt. Darin wird unter anderem geregelt, unter welchen Bedingungen man eine Lizenz zum Betreiben einer Gaststätte bekommt. Auch das Baurecht (ist der Raum überhaupt für den geplanten Betrieb geeignet?) und die Lage der Gaststätte (Wohn- oder Gewerbegebiet etc.) spielen hier eine Rolle.
Jetzt beginnen aber schon die Komplikationen: Es gibt nämlich mehrere Gaststättengesetze. Die Gesetzgebungskompetenz liegt seit der Föderalismusreform 2006 zwar bei den Bundesländern. So haben zum Beispiel Baden-Württemberg oder Bremen eigene Landesgaststättengesetze. Wo das nicht der Fall ist (etwa Bayern und Schleswig-Holstein), blieb das GastG gültig. Dazu kommt noch, dass manche Länder zwar kein eigenes Gesetz, aber eine Verordnung erlassen haben. So ist das zum Beispiel in Bayern mit der Bayerischen Gaststättenverordnung (BayGastV) geschehen. Eine solche ist als Spezifikation oder Erweiterung des GastG zu verstehen.
Nun kommen die eigentlichen Akteure ins Spiel: die Kommunen. Denn diese treffen letztendlich die Entscheidung, welcher Gastwirt wo wie welche Gaststätte betreiben darf. Wichtig ist hierbei vor allem: Das Betreiben einer Gaststätte und mithin das Durchführen von Veranstaltungen in dieser Gaststätte ist in Deutschland eine Frage des Baurechts und einer Gaststättengenehmigung.
Beides wird unabhängig voneinander geprüft, einmal von der zuständigen Baugenehmigungsbehörde und dann noch von der zuständigen Ordnungsbehörde. In München sind das zum Beispiel die Lokalbaukommission (LBK) und das Kreisverwaltungsreferat (KVR).
Die Situation der Veranstalter in München
Schauen wir uns nun die Situation in München genauer an. Zuerst prüft die LBK „die verschiedenen rechtlichen Vorgaben, wie z. B. der Lärmschutz, die Fluchtwege, die Stellplätze etc.“, teilt das KVR auf Anfrage mit. „Auch bauplanungsrechtliche Belange wie Festsetzungne in bestehenden Bebauungsplänen wie z. B. ‚reines Wohngebiet‘ finden hierbei Berücksichtigung.“
Erst nach der Prüfung durch die LBK prüft auch das KVR. Grundsätzlich gestattet das KVR Veranstaltungen in Gaststätten. Ein Sprecher des KVR schreibt dazu: „Unterschieden werden muss dabei zwischen Gaststätten, die baurechtlich als sog. Vergnügungsstätten genehmigt sind (z.B. Diskotheken, Schank- und Speisewirtschaften mit regelmäßigen Musikdarbietungen) und Gaststätten wie Schank- und Speisewirtschaften, Cafés, Stüberl, Kleingaststätten etc., die baurechtlich als Gaststätten genehmigt sind.“ Veranstalter sind gut beraten, mit den jeweiligen Gastwirten abzuklären, was für eine Lizenz überhaupt vorliegt.
Vergnügungsstätten sind also Gaststätten, die als Betriebsart schon Veranstaltungen vorsehen. Hier gibt es laut KVR keine Höchstgrenze bei der Zahl von Veranstaltungen. Vorausgesetzt natürlich, alle Brandschutzvorgaben seien erfüllt.
Wenn Veranstaltungen aber in „normalen“ Gaststätten stattfinden, können grundsätzlich nur „24 Veranstaltungen im Jahr einzeln genehmigt bzw. bestätigt werden“. Als Grundlage hierfür nennt das KVR Artikel 19, Absatz 1 aus dem Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG). Dieser besagt:
„Wer eine öffentliche Vergnügung veranstalten will, hat das der Gemeinde unter Angabe der Art, des Orts und der Zeit der Veranstaltung und der Zahl der zuzulassenden Teilnehmer spätestens eine Woche vorher schriftlich anzuzeigen. Für regelmäßig wiederkehrende, gleichartige öffentliche Vergnügungen genügt eine einmalige Anzeige.“
Die magische Grenze für Veranstalter: 24
Die Zahl der 24 Veranstaltungen taucht in dem Gesetz überhaupt nicht auf. Das KVR beruft sich dabei aber auf „einschlägige Rechtsprechung, wonach bei dieser Größenordnung noch keine Betriebsartänderung vorliegt“. Soll heißen: Wo nicht mehr als 24 Veranstaltungen im Jahr stattfinden, handelt es sich relativ sicher noch um eine Gaststätte. (In anderen Städten sieht man das naturgemäß anders, zum Beispiel Berlin. Mehrere Veranstalter aus Berlin sagten mir, dass sie lediglich „normale“ Gaststättenlizenzen hätten und die Zahl der Veranstaltungen keine Rolle spiele.)
Open-Mic-Veranstalter müssen ferner ihre Veranstaltungen anmelden, „möglichst vier Wochen vorher“, schreibt der KVR-Sprecher. Und zwar bei der „für die Gaststätte zuständigen Bezirksinspektion“. Welche das ist, sollte im Zweifelsfall der Inhaber der Gaststätte wissen.
Wer also keinen Stress haben will, achtet darauf, in einer Vergnügungsstätte zu veranstalten. Oder sieht zu, dass der Gastwirt sein Lokal in eine umwandelt. Das ist prinzipiell möglich, „sofern die baurechtlichen Voraussetzungen vorliegen“, teilt das KVR mit. Das heißt: Das Lokal müsste möglicherweise etwas umgestaltet werden. Dann würden LBK und KVR erneut prüfen. Fraglich, ob sich Gaststätteninhaber in München das zumuten wollen.
[Update 12.03.20]
Der Münchner SPD-Stadtratskandidat Lars Mentrup versucht, zwischen Stadt und Veranstaltern zu vermitteln. In einer Mail an KVR und LBK, die Setup/Punchline vorliegt, regte er ein Gespräch mit der Comedy-Szene an und wies darauf hin, dass die Veranstaltungen „nichtgewerblichen Charakter auf Spendenbasis“ hätten. Vergnügungsveranstaltung sei nicht gleich Vergnügungsveranstaltung. Er bringt die Möglichkeit ins Spiel: „Kann man leise bis 22, 23 Uhr gehende unkommerzielle Spoken-Word-Performances anders behandeln als laute bis in die tiefe Nacht gehende, kommerzielle Partyabende?“
Leider wohl nicht. Auf Anfrage der Abendzeitung verwies das KVR auf die Gewinnerzielungsabsicht, nicht der Veranstalter, sondern der Gastwirte. Eine solche liege vor, „denn der Gastwirt stellt ja eine Mischkalkulation an und erwartet sich auf jeden Fall Gewinn durch Speisen-/Getränkeumsatz und Werbung für sein Lokal.“
Gaststätten mit Sonderlizenz
Allerdings gibt es nicht ausschließlich Gast- und Vergnügungsstätten, sondern viele Untergattungen. „Die Standardfälle [in der Gastronomie] sind die reine Schankwirtschaft (mit Alkoholausschank) oder die Schank- und Speisewirtschaft“, schreibt der KVR-Sprecher. Es gebe aber noch etliche andere gastronomische Betriebsarten. Derzeit seien in München 107 verschiedene Betriebsarten konzessionsfähig. „So kann u.a. auch die Betriebsart ‚Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Kleinkunst-/Theater- und Varieté-Darbietungen‘ beantragt werden.“ Diese liegt vor, wenn die Darbietungen „im Wesentlichen das Gepräge der Gaststätte bestimmen“. Falls die Umwandlung einer Gast- in eine Vergnügungsstätte zu kompliziert ist, könnte die Umwandlung in so eine Zwischenform eher machbar sein.
[Update 28.02.20]
Die Liste mit den 107 verschiedenen Betriebsarten ist ein internes Dokument, das das KVR nicht herausgibt. Für Fragen stünden „interessierten Gastwirten die Bezirksinspektionen des KVR gerne zur Verfügung“.
Wie man allerdings zu einer solchen Lizenz kommt, darüber habe ich schon mehrere Klagen von Münchner Gaststätteninhabern gehört. Schließlich seien die Zuständigkeiten sehr kompliziert – LBK, KVR, dazu die Bezirksinspektionen (als Teile des KVR) und dann obendrein noch verschiedene ausführende Personen. Viele halten den Prozess für etwas intransparent.
[Update 28.02.20]
Das KVR teilt auf meine Nachfrage hin mit:
„Sofern etwa bei Kabarett-, Comedy- oder Poetry-Slam-Veranstaltungen im konkreten Gaststättenbetrieb keine Beschwerden auftreten, kann in Abstimmung mit der Lokalbaukommission […] eine Betriebsartänderung – etwa zur ‚Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Kleinkunstdarbietungen‘ – baurechtlich zugelassen und gaststättenrechtlich konzessioniert werden.“
In einem solchen Fall wäre die Beschränkung auf 24 Veranstaltungen pro Jahr dann hinfällig. Das klingt nun eigentlich nach keiner allzu hohen Hürde.
Alternative: „Anlage für kulturelle Zwecke“
Kinos und Konzerthäuser gelten in Deutschland generell als Anlagen für kulturelle Zwecke. Was das genau bedeutet, ist im Gesetz nicht festgehalten. Fest steht nur: Die Baunutzugnsverordnung (BauNVO) etwa gibt für solche Anlagen wesentlich lockerere Regeln als zum Beispiel für Vergnügungsstätten an.
Mitte Februar 2020 beschäftigte sich etwa der Bauauschuss im Bundestag auf die Anträge von Linken, Grünen und FDP hin mit dem Clubsterben. Discotheken und Clubs werden oft standardmäßig als Vergnügungsstätten eingeordnet und haben mehr Auflagen zu erfüllen. Bei der Anhörung plädierten Vertreter der Clubbetreiber darum für eine standardmäßige Einordnung von Clubs als Anlagen für kulturelle Zwecke.
Bei Comedy verhält sich im Vergleich zu Musik und Film allerdings etwas anders. Es gibt schlicht keinen Ort, der in so einem Maße für Comedy reserviert wäre wie zum Beispiel ein Kino für Filme. Als ziemlich alleinstehendes Beispiel fällt mir das Comedy Café in Berlin ein. Allerdings macht es in Berlin mit den lockeren Regeln für Veranstalter eben kaum einen Unterschied, ob ein Etablissement offiziell Anlage für kulturelle Zwecke ist oder eine Gaststätte, in der einfach Veranstaltungen stattfinden.
In München dagegen könnte das einen eleganten Ausweg darstellen. Sicherlich wird nicht eine normale Gaststätte zu so einer Anlage umgewandelt werden können (der kommerzielle Gedanke steht wohl zu sehr im Vordergrund). Aber Open-Mics in gemeinnützigen Kulturzentren zu veranstalten, könnte eine Lösung sein. Allerdings vielleicht auf Kosten der für Stand-up so wichtigen Atmosphäre.
Stirbt die Münchner Open-Mic-Szene?
Was passiert, wenn die Regeln bezüglich der 24 Veranstaltungen nicht befolgt werden? Man sei stets bemüht, einvernehmliche Lösungen zu finden, teilt das KVR mit. „Daher existieren keine Konzepte zur Kontrolle und Räumung von nicht angezeigten Veranstaltungen. Vielmehr wird im Einzelfall entschieden und angemessen reagiert, ggf. in Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden.“
Angenommen, jedes Open-Mic veranstaltet eine Show pro Woche, so wäre das Kontingent von den verschiedenen Veranstaltungsorten Mitte des Jahres ausgeschöpft. Warum dieses Problem nicht auch in den Vorjahren schon bekannt war, konnte mir bislang niemand beantworten. Entscheidend könnte aber natürlich sein, dass das KVR erst allmählich auf die wachsende Comedy-Szene aufmerksam wurde und diese in den vergangenen Jahren noch unter dem Radar flog.
Tipps für das weitere Vorgehen
Was also tun? Änderungen im Gaststättengesetz oder in der Gaststättenverordnung sind kurz- oder mittelfristig unwahrscheinlich. Also kommt auch das KVR nicht drum herum, einfach weiter seinen Job zu machen. Fest steht auch: Der Weg in den Untergrund (z. B. in Form von illegalen Open-Mics unter Brücken und in Wäldern) erscheint im Gegensatz zur Technokultur bei Stand-up, nun ja, eher kontraproduktiv.
Hier eine kurze Liste mit möglichen Maßnahmen, die ich gern erweitere:
- Austausch über potenzielle Räumlichkeiten unter besonderen Beachtung des jeweiligen Status: Handelt es sich um eine Gaststätte oder Vergnügungststätte und wenn ja, welche Lizenz liegt genau vor? Handelt es sich gar um eine Anlage für kulturelle Zwecke?
- Vernetzung mit Veranstaltern aus Musik, Kunst und Literatur
- Kontakte knüpfen in die Kommunalpolitik: Politikerïnnen kennen ihre Viertel und haben viele Kontakte
- Kontakte knüpfen in die Ordnungsbehörden: ein stetiger Ansprechpartner im KVR ist besser als zwölf verschiedene in zehn Abteilungen und eine gute Voraussetzung dafür, verlässliche Informationen zu bekommen
- Gründung eines gemeinnützigen Vereins: Alle Stand-up-Veranstalter können sich ohne Gewinnerzielungsabsicht zusammentun und einen Raum mieten bzw. von der Stadt bekommen, diesen nach ihren Vorstellungen zu einem perfekten Raum für Stand-up umgestalten und dann an sieben Tagen pro Woche dort Shows veranstalten. Why not.