Breathe.
Bevor jemand fragt: Selbstverständlich habe ich Berlin Berlin weitergekuckt. Und die Serie dankt es mir, indem sie in der dritten Staffel einen Charakter auf ein Comedy-Open-Mic schickt, wo der dann mit seinen auswendig gelernten Witzen bombt (also: avant la lettre). Menschen tragen Kostüme, Frank Zander spielt einen Zauberer und dann explodiert eine Torte. Klingt nach Palim-palim-Klamauk, ist aber schlicht gut gemachte Comedy, die… doch das ist eine andere Geschichte, die ein ander Mal erzählt wird.
Eigentlich wollte ich nämlich über die taz-Geschichte schreiben. In einem Beitrag mit dem Titel „All cops are berufsunfähig“ denkt die Autorin drüber nach, was mit all den Polizist:innen geschieht, würde man die Polizei abschaffen. Sie sieht nur eine Option: die Mülldeponie. Ich glaube, das soll lustig sein, aber es gelingt nicht. Meiner Meinung nach, weil die Gedankensprünge zu groß sind, die Beispiele einfach zu weit hergeholt. Der Text hebt nicht ab.
Aber natürlich verfehlt er nicht seine Wirkung. Ich verstehe ja, dass das nicht jedem gefällt. Aber wie man sich dermaßen übertrieben empören kann, verstehe ich nicht. Dem Artikel etwa „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu unterstellen, ist Unsinn, damit ist anderes gemeint. Und Strafanzeige stellen, wie eine Gewerkschaft das getan hat, maximal unsouverän. Was in solchen Situationen mal ungewöhnlich wäre: Humor beweisen. Selbstironisch sein. Die Aufmerksamkeit für den ungeliebten Gegner wäre wohl schnell abgeebbt.
Neu bei Setup/Punchline
Wir hätten ja so gern mehr Frauen, aber es gibt halt keine! Wir können sie ja nicht zwingen! Diversität darf nicht wichtiger sein als Qualität! Es gibt so viele Ausreden dafür, keine Frauen einzustellen. Das muss sich ändern, findet die Hamburger Autorin Jenny Kallenbrunnen. Mit ihr habe ich darüber gesprochen, warum Drehbücher leiden, wenn sie ausschließlich von Männern geschrieben werden. (Interesting side-fact: Jenny ist übrigens Autorin von Otto Waalkes.) Weiter geht’s auch mit dem Podcast: Folge 8 gabs vergangene Woche mit Caroline Clifford, einem Urgestein der englischsprachigen Stand-up-Szene in Berlin und damit auch Urgestein der Stand-up-Szene in Deutschland. Und heute Folge 9 mit Comedienne Vanessa Willi, die ein Faible für die künstlerische Beleidigung hat. Der Designer und Entwickler Martin Hanses produziert gerade ein Videospiel über Stand-up-Comedy. Clam Man 2 ist ein Rollenspiel, „where jokes are loot and comedy shows are boss fights“. Das erste Kapitel des Spiels gibt‘ bereits zu spielen. Ich habe mit Martin darüber gesprochen, wie man die Stand-up-Welt in ein Spielsystem mit Quests, Leveln und Fähigkeiten überführt. |
Comedy-News
- Weltweit werfen gerade Sender und Streamingdienste Produktionen mit rassistischen Äußerungen, Blackfacing oder verklärenden Darstellungen von Sklaverei aus ihrem Portfolio, zum Beispiel die BCC bei einer Episode von Fawlty Towers oder Streamingdienst HBO Max bei Gone With the Wind. Oder Netflix eine Episode einer Sketchshow von Bob Odenkirk und David Cross. Oder oder oder. Das (Zeitungs-)Feuilleton in Deutschland findet das nicht gut und baut zum Beispiel Strohmänner auf, wie hier in der Süddeutschen Zeitung. Wer eine besonders beispielhafte Argumentation lesen will, dass bitteschön alles so bleiben soll, wie es ist, dem sei ein Stück aus der FAZ ans Herz gelegt. Zitat:
„Falsch aber wäre es, mir nichts, dir nichts dem Druck von Gruppen nachzugeben, die diktieren wollen, was gezeigt werden darf […].“
Denn nur darum geht es ja beim Rassismus: dass einem Menschen den Mund verbieten wollen. Nicht wahr?
- Kehren vor der eigenen Haustür: Das rnd beschäftigt sich mit der Rolle des Showmasters Stefan Raab zu Beginn der 2000er, als Homophobie in Deutschland als besonders lustig galt. Und tip Berlin geht der Frage nach, warum Otto – Der Film so schlecht gealtert ist: „Es mag ja sein, dass [Otto Waalkes] mit den Gags auf den unterschwelligen Rassismus in der bundesdeutschen Wirklichkeit der 1980er-Jahre hinweisen wollte. Aber es geschieht mit einer Plumpheit, die heute einfach nicht mehr zeitgemäß ist und daher besteht Redebedarf.“
- How Richard Pryor Changed the Way Comedy Sees Police Brutality. Interessantes historisches Stück in der NY Times über die Entwicklung der Darstellung von Polizeigewalt in Stand-up-Comedy.
- US-Comedian Dave Chapelle hat (mit Unterstützung von Netflix) auf Youtube ein halbstündiges Special mit dem Titel 8:46 veröffentlicht. Es ist benannt nach der Zeit, die ein Polizist auf dem Hals von George Floyd kniete. Rezensionen und Gedanken gibt es bei Vulture oder Slate. Musikbranchen-Kenner Bob Lefsetz erkennt in 8:46 einen Ausdruck der Bedeutungsverlagerung von Musik hin zu Stand-up und geht außerdem kundig auf die Rolle von Netflix bei der Veröffentlichung des Specials ein.
- Schwarze Mitglieder:innen von Theater- und Improv-Gruppen in den USA verlangen, dass sich die Spielstätten dem Thema institutioneller Rassismus stellen. (Vulture) Den Ausgang nahm die Bewegung bei Second City in Chicago. The Interrobang erklärt die Hintergründe.
Hör-Tipp: What’s funny about…?
Peter Fincham und Jon Plowman lassen sich die Geschichten der erfolgreichsten Comedy-Produktionen im britischen TV erzählen. Am bekanntesten dürfte dabei die Serie Blackadder sein. Bislang gibt es fünf Episoden.
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