Fensterbrettlwitz der Geschichte

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Ende Juli wurde im Münchner Stadtteil Trudering erstmals das Truderinger Fensterbrettl vergeben, ein Kabarettpreis für Nachwuchskünstler:innen. Kurz zum Begriff, damit das mal aus dem Weg ist: In Bayern heißen Kabarettveranstaltungen gerne „Brettl“, weil das einerseits eine Verniedlichung und Verballhornung ist. Allein in der Koseform kann man als Veranstalter dann schon eine liebevolle Zugewandtheit zur Kunstform zum Ausdruck bringen. Und dann ist, andererseits, „Brettl“ ein Dialektwort für „Brett“; das heißt, es gibt Gelegenheit zu unzähligen Wortspielen. Wie in Trudering dann eben das Fensterbrettl. (Man muss, wenn nicht Bayern, aber doch das Bayerische wenn nicht lieben, so doch machmal ein bisschen weniger schlimm finden.)

Nun, also: Vier Künstler:innen traten in Trudering an und einer hat gewonnen. Das ist gar nichts außergewöhnliches, Kabarettpreise gibt’s ja viele. Aber eines fiel auf: Dem Zweitplatzierten legte die Jury ans Herz, sich in Zukunft um „einen anderen Umgang mit Nationalitäten und Stereotypen“ zu bemühen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.

Ich musste dabei (bleiben wir weiter in Bayern) unfreiwillig an eine Nummer aus Günter Grünwalds Show Glauben Sie ja nicht, wen Sie da vor sich haben von 2005 denken. Darin spielt Grünwald seinen eigenen (fiktiven) Bodyguard Bonzo. Der ist ein schmieriger, unfähiger Prolet und erzählt, wie er einmal einen Wirtschaftsboss bewachen musste und dieser dann aber prompt ermordet wird. Bonzo krallt sich in der Erzählung den Attentäter und fährt ihn an: „Bist du blöd? Du kannst ned einfach Leute daschießn! Jetzt haust aber ab! Und seh’n will ich dich heut nimmer!“

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Der Attentäter hat etwas getan, womit der Bodyguard Bonzo nicht einverstanden war, qua Job gar nicht einverstanden sein konnte; aber Bonzo lässt ihn davon kommen. Auch wenn man die Nummer heute wohl nicht mehr so machen würde: Grünwald führt markige Sprüche vor und entlarvt sie als männliche Leerformeln.

Ein Künstler beim Truderinger Fensterbrettl hat getan, womit die Jury partout nicht einverstanden war, qua Job gar nicht einverstanden sein konnte (Stereotypen- und Nationalitäten-Witze, die nichts neues beitragen, sollten nicht belohnt werden, zumal in einem Nachwuchwettbewerb) – aber die Jury ließ ihn davonkommen.

Man kann sich schon vorstellen, wie so eine Wertung zustandekommt: Wahrscheinlich wurde die Performance in unterschiedlichen Kategorien bewertet, Inhalt, Bühnenpräsenz, Deutlichkeit der Aussprache – und eine niedrigere Wertung in einer Kategorie führt nicht zwangsläufig zu einem schlechteren Gesamtergebnis. Aber von so einem Schema könnte man sich ja lösen, Bewertungskriterien sind nicht in Stein gemeißelt. Überhaupt ist ja die Frage, ob gestrige Witze durch gute Performance aufgewogen werden. In der Schule blieb ja auch sitzen, wer einen Sechser im Zeugnis hatte.

Die Jury mag angesichts der Witze ein schlechtes Bauchgefühl gehabt und geäußert haben. Aber genau wie bei Grünwalds Bonzo ist das eine Leerformel. Am Ende ist entscheidend, dass der Wirtschaftsboss tot ist. Und am Ende ist entscheidend, dass die Jury diese Witze belohnt hat. Nämlich mit dem zweiten Platz bei einem Kabarettpreis und einem Preisgeld von 1000 Euro.

Einer der Grundsätze der Volkswirtschaftslehre lautet: people respond to incentives – Menschen reagieren auf finanzielle Anreize. Warum sollte ich mir als Comedian Mühe geben, wenn ich doch mit Witzklischees immerhin noch Preise gewinne? Auch Jurys von Kabarett- und Comedypreisen sollten das begreifen: Ihr bildet nicht einfach Szene und Talent ab, wie sie sind. Ihr habt Gestaltungsmacht. Auch ihr prägt, was für Vorstellungen von Komik in einer Gesellschaft kursieren. Und wenn die Komik fad, stereotyp oder gestrig ist, tragt auch ihr Schuld. Und jetzt hauts aber ab!