Felix Lobrecht ist der erfolgreichste Stand-up-Comedian Deutschlands, das hat mit etwas Verspätung dann sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk bemerkt und All You Can Eat für die hauseigene Mediathek eingekauft. In den großen Medien löste das mitunter Befremdung aus, weil der Comedian, Potzblitz, auch derbe Wörter in den Mund nimmt. Es löste allerdings auch Befremdung aus, weil Lobrecht es sich in All You Can Eat manchmal etwas einfach macht und als Ressource für seine Jokes in der 12.000 Menschen fassenden Berliner Mercedes-Benz-Arena weniger auf sein Writing setzt wie in den älteren Specials, sondern verstärkt auf die Neuköllner Assi-Attitüde.
„Haste genug Koks dabei?“, entgegnet Lobrecht in der Erzählung einem Fan, der schreibt, ihm gerne Koks vom Penis schnupfen zu wollen. Der Comedian tut das mit wahnwitzig lustiger Intonation und es ist ja auch eine lustige Entgegnung, aber der Joke hier (und an vielen anderen Stellen) ist ja: Wäre schon idiotisch, wenn wirklich jemand so etwas Arrogantes, so etwas Bescheuertes sagen würde.
Diese Attitüde liefert verlässlich lustige Momente, aber sie funktioniert nur, wenn man Lobrecht und seine Persona bereits kennt. Das macht auch verständlicher, warum die Show nach Veröffentlichung in der ARD-Mediathek so stark kritisiert wurde. Ja, Lobrecht spricht davon, dass er einen großen Penis hat. Nein, Ziel des Witzes ist nicht, sich als Mann mit großem Penis zu inszenieren. Fans und Hörer:innen des Podcasts Gemischtes Hack verstehen das sofort, sie können das Lobrecht’sche Grinsen einschätzen. Für viele andere kann das gewöhnungsbedürftig sein. Es ist paradox: Lobrecht hat wahrscheinlich die größte Fangemeinde im deutschsprachigen Raum. Und gleichzeitig können sich seine Millionen Fans als Insider und Mitglieder eines erlesenen Zirkels fühlen.
Es gelingt Lobrecht oft, die als überschießend inszenierte Arroganz mit plakativ ausgestellter Dummheit auszubalancieren (zum Beispiel, wenn er einen Strafzettel abzuwenden will, indem er peinlich seine Prominenz ausschlachtet), aber nicht immer.
Zumal er die Arroganz auch nicht durchzieht, sondern in manchen Momenten ablegt. So etwa in einem Bit über einen krebskranken Fan, der sich wünscht, vor seinem baldigen Tod einmal Lobrecht zu treffen. Der Comedian besucht den Fan und schildert gewohnt dumpf-arrogant, was dann einige hellsichtige Momente ermöglicht. „Nur weil er im Sterben liegt, muss er kein cooler Typ sein“, hält Lobrecht ganz richtig fest. Allerdings nur, um dann in der Folge vollkommen ironiefrei die abgedroschenen Botschaften des Fans (verbringt Zeit mit Leuten, die euch wichtig sind; genießt euer Leben etc.) wiederzugeben, was vom Publikum merkwürdigerweise eifrig beklatscht wird. Es mangelt hier am Mut, den eigenen Joke konsequent durchzuziehen: Nur weil eins im Sterben liegt, muss er nichts Tiefschürfendes zu sagen haben, wäre ein Gedanke, den zu behandeln ich Lobrecht gerne gesehen hätte. Er schreckt aber davor zurück, einen Menschen noch im Angesicht des Todes mit der eigenen Mittelmäßigkeit zu konfrontieren. Warum, das wäre eine Leerstelle, die man auf der Bühne erkunden könnte. Das Schweigen hierzu verpasst der lange kultivierten real-ness eine Delle.
Natürlich ist da auch viel gelugenes Handwerk in All You Can Eat. Dass Lobrecht auch ein sehr versierter Jokewriter ist, blitzt immer wieder auf. Etwa bei einem Louis-CK-esken Bit über das Schütteln von Babys oder darüber, dass Hitlerdokus in ihm ein Gefühl der Entspannung erzeugen. Als Bodybuilder-Kleinkind füllt er die arrogante Rolle auf verdrehte Weise mit Leben. Und dass Demos für mehr Diversität oft sehr undiverse Veranstaltungen sind, ist eine sehr interessante Beobachtung.
Die mündet allerdings leider wieder im in Stand-up gerade sehr verbreiteten Wokeness-Bashing. Denn lächerlich gemacht werden dann Menschen, die für Ausländer demonstrieren, „obwohl ich keine kenne“. Ja, und? möchte man sagen. Ändert doch nichts am grundsätzlich zu begrüßenden gesellschaftlichen Engagement, oder? Aber nein, ist woke, also heuchlerisch und dumm. Kann man ja so sehen, aber man darf dann nicht glauben, irgendetwas Originelles abzusondern. Auch Lobrecht findet keinen Weg, den blinden Fleck dieses Strangs zeitgenössischer Stand-up mit irgendetwas Substanziellem aufzufüllen.
Apropos Originalität: Lobrecht hat dann sogar ein Bit über Charakteristika von Frauen und Männern im Programm. Vielleicht aus Gründen der Gerechtigkeit will er dann Waffengleichheit schaffen und beide Geschlechter behandeln. „Frauen sind eklig. Männer sind noch ekliger“, leitet er darum über, was die Frauen im Publikum mit lautem Ge-woo-e quittieren. Teilweise ist das alles sehr nett beobachtet („Wo ist Sarah? Wo ist Sarahs Tasche?“), der Struktur nach aber konservativ. Ein Eindruck, der leider haften bleibt, da ja auch nichts weltbewegend Neues über die Geschlechter zu Tage gefördert wird.
All You Can Eat zeichnet sich aus durch seine Leerstellen und kann als Übergangsspecial in Erinnerung bleiben. Spannend wird es, als Lobrecht ganz knapp die Therapie anspricht, die er gemacht hat. „Da hab ich mich nochmal ganz neu kennengelernt“, sagt er, und jetzt, denkt man, wird es richtig interessant für Stand-up. Doch dann ist das Special schon zu Ende. Ein lohnendes Thema wäre das gewesen, vielleicht ja für die nächste Show.
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