- Die SZ mutmaßte vor kurzem, die ARD habe Felix Lobrecht mehr als Netflix für dessen Special All You Can Eat gezahlt. Ich wollte das genauer wissen, wurde vom WDR (dem federführenden Sender dabei) an die ARD Mediathek und wieder zurück an den WDR verwiesen. In Erfahrung bringen konnte ich: AYCE wurde bis vor einem Monat rund eine halbe Million Mal gestreamt. Ob der WDR schon mehr Erfahrungen mit dem Einkauf von Specials gemacht hat? Jawohl! Und mit welchen? Öh, da kam dann vom WDR keine Antwort mehr. (Was nach dem Informationsfreiheitsgesetz in NRW eigentlich nicht erlaubt ist, aber mei, Pressestellen).
- Auch Leipzig hat jetzt seinen Szene-Artikel bekommen: Comedy-Boom in Leipzig: Warum Stand-up gerade so abgeht, schreibt Vincent Ebneth in der Leipziger Volkszeitung. Gedanken, unter anderem: Wie schön ist denn bitteschön der Phat Cat Comedy Club? Und: Ist Stand-up der Poetry Slam von heute? Und was wird der Poetry Slam von morgen, wenn der Hype mal vorbei ist?
- In München gab’s zum Einläuten der Fastenzeit wieder das traditionelle Singspiel samt Politikerderblecken auf dem Nockherberg. Fastenprediger und Comedian Maxi Schafroth teilte weniger aus, als dass er anklagte und sich auch enttäuschte zeigte ob der Infamie und Angstmacherei vieler Politiker:innen, nicht nur im zurückliegenden Bundestagswahlkampf. (Zusammenfassung beim BR) Gut den Aufmerksamkeitsfokus genutzt. Schafroth teilte so intensiv und faktenbasiert aus, dass viele anwesende Politiker das nicht, wie so oft, einfach weglächeln konnten. Die Reaktionen sprechen Bände (zusammengetragen von der SZ), sodass sich frühere Singspieler fragen können, ob sie nicht irgendetwas falsch gemacht haben, wenn die politisch Verantwortlichen mit ihnen ganz zufrieden waren. Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf etwa war sich nicht zu blöd, sich „enttäuscht“ zu zeigen, „in so schwierigen Zeiten, wo wir eigentlich zusammenhalten sollten, wir konfrontiert werden von dem Fastenprediger mit Lüge, Unwahrheit und Unfähigkeit“. Von einer satirischen Ansprache zu erwarten, gar zu verlangen, sie müsste ja eigentlich die Gesellschaft zusammenhalten, ist so verquer und illustriert die deutsche Unterhaltungsmisere aufs schönste. Gelacht werden darf nur, solange es die Ordnung nicht stört.
- Eines der berühmtesten und erfolgreichsten Stand-up-Formate, Kill Tonyum den namensgebenden Comedian Tony Hinchcliffe,ist nun auf Netflix zu sehen. („‚Kill Tony‘ ist erwartbare MAGA-Comedy, die wie die Parodie ihrer selbst wirkt“, schreibt Alana Tongers beim Spiegel.) Im Hinblick auf die Comedy finde ich Kill Tony meist wertlos, aber es illustriert, dass es ähnlich wie beim Podcast-Trend, den Fans um etwas anderes geht, um Gemeinschaft etwa und inszenierten Widerstand. Und von Hinchcliffes Geschäftssinn, mit null Aufwand und Vorbereitung eine Gelddruckmaschine zu betreiben und Hunderte Folgen zu produzieren, kann man durchaus beeindruckt sein.
- Ex-Finanzminister Christian Lindner will juristisch gegen die Titanic vorgehen, weil die Lindner und dessen Partnerin auf dem Cover zeigte und im FDP-Sprech titelte: „Baby-Glück im Eimer. Es wird ein Low Performer!“ Und: „Lindner stellt Eilantrag zur Abschaffung von § 218.“ [dem Abtreibungsparagraphen] Es zeigt sich wieder einmal das eherne Gesetz: Satirische Angriffe bitte einfach aussitzen, sonst steigert man deren Wirkung nur noch. Schwungvoll liest sich die Entgegnung des Titanic-Anwalts Jan-Alexander Fortmeyer, abgedruckt in der Aprilausgabe: „Satiretypisch kritisiert dieser Beitrag einen realen Sachverhalt mit humoristischen Mitteln. Sein Zielobjekt ist das von Christian Lindner in jahrzehntelanger politischer Tätigkeit immer wieder offenbar gewordene, von einer heutigen Spielart des Liberalismus geprägte, mit einem Mangel an Empathie stets das Leistungsprinzip in den Vordergrund stellende Menschenbild.“ Ja, das kann man unterschreiben. Interessant auch: Dass Lindner gegen die Titanic rechtliche Schritte unternimmt, erfuhr vor dem Satiremagazin selbst noch die FAZ. Fortmeyer: „Ein Gericht, sofern angerufen, wird diesen Umstand zu würdigen wissen.“

BIT-EMPFEHLUNG: Emilia Suchlich: Mir folgt Klaas Heufer-Umlauf (2025)
Emilia Suchlich aus Hamburg macht noch nicht so lange Stand-up. Aber ihr kurzes Segment darüber, dass ihr neuerdings Klaas Heufer-Umlauf auf Instagram folgt, illustriert sympathisch vieles, was Stand-up ausmacht. Es drückt das spezielle Alltagsempfinden eines Menschen im Jahr 2025 aus, individuell und gleichzeitig anschlussfähig. Respektlosigkeit und Altklugheit gemischt mit existenzieller Irritation. Ein heller Blitz in Form von Stand-up-Comedy.
- Die Essayistin Yasmin Nair schreibt über die neue Staffel von John Mulaneys Late-Night-Show auf Netflix und geht vor allem darauf ein, wie die Anrufer in der Serie weniger lustig werden, weil immer professioneller: „The result is that everyone online seems to be trying out a bit, all the time, convinced that standup requires little more than the ability to tell a joke when, in fact, it demands a sense of narrative, timing, and the ability to pack entire histories into a few seconds without explaining everything to an audience.“
- Honig im Kopf I: Dietmar Hallervorden kann es nicht lassen und benutzt in einer Wiederauflage seines alten Palim-palim-Sketches zwei rassistische Begriffe. Als Häftling sagt er, er sei eingesperrt worden, weil er diese angeblich verbotenen Begriffe benutzt habe. „Wenn ich das gewusst hätte, dass man das nicht mehr sagt…“, wundert er sich. Ja, wie sollte man sowas im Jahr 2025 auch nur mitkriegen? „In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern grade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt“, beschwert sich Hallervorden und findet auch, dass „woke Menschen“ keine Satire verstünden. Aber das Problem ist doch: Menschen wie Hallervorden haben nichts (mehr?) zu sagen. Ihre Satire will ausschließlich den Wokeismus aufspießen. Um mit Hallervorden selbst zu sprechen: Wie wäre es mal mit Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen? Hallervorden vollzieht mehr und mehr eine Transformation zu diesen Dudel-Weihnachtsmännern, die sich manche Leute vor ihre Haustüren hängen und die losdudeln, wenn sich ihnen jemand nähert. In Hallervordens Fall dudelt dann halt immer irgendwas Sinnentleertes bis Rassistisches los.
- Honig im Kopf II: „Jimmy Carr explains his comedy theory after string of controversies“, heißt es im britischen Independent. Carr sagt, er sei ein Anhänger der benign violation theory. Dieser Theorie nach gelingen Witze, wenn gesellschaftliche Normen oder Konventionen verletzt werden (violation), diese Verletzung aber gleichzeitig als nicht bedrohlich (benign) empfunden wird. Carr aber sagt: „You take a violation, no matter how extreme, but make it benign by joking about it.“ Und das ist ja Käse. Der Witz ist bei Carr das Ergebnis und die Voraussetzung des gelungenen Witzes. Es ist ein Zirkelschluss: Meine Witze sind gelungen, weil meine Witze gelungen sind. Es geht Carr um keine Theorie. Hier sucht einer mit gehöriger Energie nach Ausreden, um einfach niemals niemals einmal das Hirn einschalten zu müssen.
- A Social Media Strategy For Comedians Who Don’t Do Crowd Work. Ohne weitere Worte 😃
- Von South Park über die Chappelle’s Show, Key & Peele, hin zur Daily Show – Comedy Central war einst der Benchmark für junge, aufregende Comedy. Inzwischen rutscht der einstige Riese immer weiter in die Bedeutungslosigkeit, konstatiert der Youtube-Essayist Nerdstalgic.
Hörtipp: Mental Health im Musikbusiness

Sind Musiker häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als Nicht-Musiker? Das schätzt zumindest der Verband Mental Health in Music. Der rbb hat sich in dieser Hördoku dran gemacht, herauszufinden, ob das stimmt und woran es liegen könnte. Unter anderem spricht ein Therapeut darüber, was es mit Künstler:innen macht, wenn sich der Erfolg auf Tiktok oder Instagram nicht einstellt und beim Kollegen aus unerfindlichen Gründen aber doch. Unbedingte Hörempfehlung auch für Comedians.
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