Emmvee: Back to Life / We Are Family (2024)

Comedian Mariano Vivenzio nennt sich EMMVEE in Anlehnung an die Live-Tour M wie Comedy, in deren Rahmen er 2024 zwei Shows im Stuttgarter Im Wizemann gespielt, diese dann zu zwei etwa halbstündigen Specials verarbeitet und unter den Titeln Back to Life und We are Family veröffentlicht, wobei Letzteres auf Youtube noch mit Familie ist alles! angekündigt wird. Das alles ist etwas konfus. Warum nicht einfach ein einstündiges Special entstanden ist, darüber kann nur gemutmaßt werden. Womöglich hatte Vivenzio vergessen, am zweiten Tag dasselbe Outfit anzuziehen. Womöglich wird diese Strategie von irgendwelchen Algorithmen belohnt. Künstlerischen Belang hat sie nicht. Für die Rezension wird hier also einfach beides zusammengefasst.

Back to Life verspricht gleich zum Aufakt viel Nostalgie, da es der deutschen Comedy 2024 offenbar an Späßen über Musikkassetten mangelte, deren Magnetbänder man nur mit einem Bleistift wieder aufrollen kann. Vivenzio ist ein energetischer Performer und starker Sänger, aber was nutzt es, wenn das Material so abgeschmackt ist? Hat irgendjemand schon mal drüber nachgedacht, dass Männer unfähig sind, weibliche Signale zu deuten? Dass Deutschrap merkwürdig ist?

Statt zu erklären, warum die 1990er Jahre für ihn so ein bedeutendes emotionales Zentrum bilden oder Reflexionen darüber anzustellen, warum Menschen sich (verständlicherweise) unter die wärmende Decke der Nostalgie zurückziehen, zapft Vivenzio mit bloßen Zitaten das popkulturelle Reservoir an oder stimmt kurz Songs an. Es gibt keine tieferen Einsichten. Und die raren Gelegenheiten dazu werden verschenkt, etwa wenn Vivenzio als Mensch mit Migrationshintergrund vor Deutschen mit perfektem Hochdeutsch brillieren möchte, während die Deutschen im Bit aber Schwaben sind und diese Sprache selbst nicht verständlich sprechen können. Ja, hier wäre Potenzial, aber wahrscheinlich kam sofort wieder irgendeine Parodie, ein Song oder irgendein „wisst ihr noch“-Moment.

We Are Family fokussiert dann sehr klischeehaft auf Dynamiken in Vivenzios italienischer Familie, aber die Show driftet wiederholt in Scherze über die autoritäre Erziehung ab und darüber, dass Vivenzio und sein Bruder von den Eltern geschlagen wurden. Der Humor ist hier aber kein Verarbeitungsmechanismus, er wird begleitet vom höchsten Respekt vor den Eltern. Dass hier kein Bruch in der Komik stattfindet, ist befremdlich.

Selbstverständlich ist das zu einem großen Teil übertrieben (nein, sie wurden wohl nicht verprügelt, dass sie teilweise ihre Sehkraft verloren haben). Man könnte hier aber durchaus innehalten und fragen, warum das Publikum hier eigentlich so abgeht. Stattdessen folgt ein Themenwechsel, der an Absurdität kaum zu überbieten ist. “Ich glaube, viele von euch haben ähnliche Eltern. Sind eure Eltern auch immer fünf Stunden vorher am Flughafen?” Solange EMMVEE das für den interessantesten Faden hält, den es zu verfolgen gilt, gibt es hier nichts zu sehen. Bitte gehen Sie weiter.

Back to Life, 38 Min, abrufbar auf Youtube
We Are Family, 34 Min, abrufbar auf Youtube

Zurück zur Übersicht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert