Comedy-Presseschau vom 22.12.22

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Wer ist schuld an der schlimmen deutschen Comedy? Jetzt ist klar: Es war Ricarda Willimann. Oliver Jungen bespricht in der FAZ die Biografie der fiktiven Figur Willimann, die uns das alles eingebrocht hat.
  • Jan Freitag porträtiert bei DWDL Showmaster Philipp Walulis – bisschen arg lobhudlerisch und mit manch merkwürdigem Vergleich („Walulis ist dagegen eher der Typ Klassenbester, bei dem man abschreiben, aber auch mitkiffen darf, wenn er sich aufm Schulklo über all jene lustig macht, die mehr Einfluss als Eigensinn [sic] haben, dabei jedoch nicht halb so viel Chuzpe wie Deutschlands lustiger Netz-Normalo.“). Aber auch mit gewissem Recht, denn Walulis ist ja eine der am längsten aktiven Satiresendungen, die zwar weniger Aufmerksamkeit bekommt, aber doch solide ihrer Treffer setzt.
  • Michael Mauder hat wieder eines seiner mittlerweile leider selten gewordenen Podcast-Interviews bei „Warum Comedy?“ vorgelegt: Mit dem Berliner Comedian Falk Pyrczek spricht er unter anderem über dessen Arbeit als Opener und Warm-up-Comedian für Till Reiners. Und die beiden verhandeln einen alten Comedystreit: Wie oft sollten Künstler auf die Bühne? So oft wie nur möglich? (Pyrczek) Oder lieber seltener, aber dafür mehr von einem Auftritt mitnehmen? (Mauder) Hier geht’s zur Episode.
  • Der Setup/Punchline-Leser:innen wohlbekannte Josh Kingsford widmet sich in seinem neuen und abermals überzeugenden Videoessay auf Youtube dem viel zu unterschätzten Zusammenhang zwischen Stand-up und Rhythmus.
  • Zum Abschied von Trevor Noah bei Comedy Centrals Daily Showwidmet sich Jason Zinoman in der New York Times den Bühnenfertigkeiten und der stimmlichen Flexibilität Noahs: „In fact, a premis often seems like just an excuse for him to show off verbal gymnastics […].“

Stand-up-Comedienne Margaret Cho

SPECIAL-EMPFEHLUNG: Margaret Cho: Drunk With Power (1996)

Fast 30 Jahre ist dieses Special der koreanisch-amerikanischen Comedienne jetzt alt – könnte aber auch zeitgenössische deutsche Stand-up aus Berlin sein. Eindrucksvoller Beleg, wie einflussreich eine der Urahninnen der amerikanischen alternative comedy war und weiterhin ist. Das Hi-my-name-is-Gwen-Bit wird mich in meine Träume verfolgen.

  • Dax Werner schreibt in seiner Kolumne bei der Titanic über humorige Durchsagen in der Bahn und notiert so klar wie einleuchtend: „Ich finde nicht, dass ein Lokführer auch ein Komiker sein sollte, denn Komiker sind ja auch nicht gleichzeitig Lokführer.“ Das ist eigentlich alles, was man dazu wissen muss.
  • Dave Chappelle hat bei einem Auftritt in San Francisco Elon Musk auf die Bühne geholt. Wie CNN (mit Video) berichtet, wurde der dann gehörig ausgebuht, offenbart er ja nicht nur in der ganzen Chose um Twitter regelmäßig sein faschistoides Gedankengut, sondern hatte eben auch jüngst in der Region (!) Tausende Menschen entlassen. Warum Chappelle dachte, das Ganze sei eine gute Idee, erschließt sich weder mir noch Comedyautor Steve Kaplan, der schreibt:„Who the f*** brings on a billionaire at the end of their comedy set? Why? What was the point of that? It’s not like inviting Richard Pryor up on stage to riff with. Someone please explain that to me.“
  • Jason Zinoman zum Zweiten, der Comedykritiker hat sich für die New York Times das aktuelle Programm des (social-)media-scheuen britischen Comedians Daniel Kitson angesehen, der sich nun auch den fragilen Charakter von Authentizität und Storytelling als Thema vorgenommen hat.
  • Die ARD stellt zwei Formate des Kabarettisten Florian Schroeder ein, nämlich Spätschicht und die Florian Schroeder Satire Show. Ein neues Projekt soll 2023 folgen.

Schautipp: Comedy for Animators

Logo von Comedy for Animators

Der Illustrator und Cartoonist Jonathan Lyons gibt auf seinem Twitter-Account zahlreiche Beispiele gelungener Comedy aus alten Zeichentrickfilmen und -produktionen, etwa von Disney- oder Looney Tunes. Interessant finde ich dabei vor allem, mit welcher Genüsslichkeit Ideen durchexerziert werden, die fast surreal wirken, dabei aber immer einer strengen Logik folgen und fast immer überraschen. Ich will gar kein Beispiel herausgreifen. Großartig zum Stöbern.

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