„Stand-up For Art“: Kunst außer Fokus

Szene aus der Sendung "Stand-up For Art" im WDR: Eine Banane ist mit Gaffa-Tape an einer Wand befestigt
Journalistin Eva Schulz mit Moderatorin Ariana Baborie in einem Sonnenblumenfeld
Moderatorin Ariana Baborie (rechts) und Journalistin Eva Schulz sinnieren über Vincent van Gogh. (Foto: WDR)

Im Jahr 2014 schickte das New Yorker Auktionshaus Christie’s den Skateboard-Profi Chris Martin durch Lager und Ausstellungsräume, damit der zwischen den teuren Kunstwerken seine Tricks vollführte. Kulturpessimisten fanden das schrecklich. Die Optimisten dagegen freuten sich, dass die elitäre Kunstwelt sich mal cool und zugänglich zeigte. Dass sie die Schwelle herabsetzte, sich mit ihr auseinanderzusetzen.

In diesem Spannungsfeld agiert auch die WDR-Produktion Stand-up For Art, die nun Comedians in Museen schickt und ferner voll im Trend der instrumentellen Comedy liegt: Nachdem Comedy in den vergangenen Jahren etwa Nachrichten und komplexe Themen schmackhaft machen oder Aufmerksamkeit auf den Kampf gegen den Klimawandel lenken sollte, soll sie nun auch Kunst nahebringen. Comedy fungiert dabei – im Idealfall – als das Löffelchen voll Zucker, das, wie schon Mary Poppins wusste, die bittre Medizin versüßt.

In sechs etwa 30 Minuten dauernden Episoden besucht Moderatorin Ariana Baborie mit Comedians oder anderen Medienpersönlichkeiten (u. a. Özcan Cosar, Oliver Polak, Eva Schulz) ein Museum und befasst sich dort mit Künstler:innen wie Claude Monet, Frida Kahlo oder Banksy. Dazu gibt es jeweils zwei kurze Sets von Stand-up-Comedians.

Die Fixierung auf die Biografien verstellt den Blick aufs Werk

Logo der WDR-Sendung "Stand-up for Art"
(Logo: WDR)

Jede Episode à 30 Minuten teilen sich also schon fünf Personen, die möglichst komische Akzente setzen sollen. Klingt das schon logistisch schwierig, haben wir damit aber noch gar nicht über die etwas breitbeinig gesetzten Ziele gesprochen: „Was ist Kunst eigentlich und darf man dabei wirklich gar keinen Spaß haben?“, umreißt es Baborie eingangs in jeder Folge. In der Programmankündigung heißt es, die Comedians stellten in ihren Sets „alles in Frage, was man über Kunst und den musealen Raum bisher denken durfte“. Und derartige Mammut-Gedankenleistungen gibt’s für das Publikum obendrein gratis: „Das Tolle an dem Format ist für mich, dass man absolut kein Vorwissen über Kunst braucht“, wird Baborie weiter zitiert.

Natürlich ist das schöne PR-Text-Prosa, aber auch dort darf man ja zumindest ein Korn Wahrheit erwarten. So ehrenwert das Anliegen ist, Kunst zu vermitteln, geht das alles leider nicht zusammen. Die Komik wirkt hingeschludert. Und wer vorher kein Wissen über Kunst hatte, hat auch hinterher keins, denn um Kunst geht es trotz der Aufmachung eigentlich nur am Rande.

Statt auf die Kunstwerke fokussiert die Sendung auf die Biografien der als extravagant bis crazy erlebten Künstlerpersonen, die ausgefallene Dinge tun, für die Menschen aus unerklärlichen Gründen gigantische Summen zahlen. Natürlich kann die Biografie ein Zugang zur Kunst sein (und die Einspieler, mit denen Stand-up For Art diesen Zugang unter anderem herzustellen versucht, haben Drive und Witz und sind das Beste, was die Produktion zu bieten hat). Fragwürdig aber wird die Fixierung auf die Lebensdaten, wenn sie den Blick auf das Werk verstellt oder gar ersetzt.

Interessantere Aspekte werden durchaus auch angerissen: Warum ist es „eben Kunst“ (Polak), wenn Warhol seine Suppendose nicht einmal oder zweimal, sondern 32 Mal druckt? Warum wird Kahlo „absolut verdient“ (Baborie) heute ausgestellt? Warum verpackt denn nun das Künstlerehepaar Christo alles, was es in die Finger bekommt? Für die Antworten ist nur leider keine Zeit, da neben den Lebensdaten ja auch noch die Emotionen der Betrachtenden abgehandelt werden wollen.

Was sagt dir das? Wie fühlst du dich dabei? Was macht das mit dir? Was spielt Kunst für eine Rolle in denem Leben? Nach diesem Schema laufen die Gespräche zwischen Moderatorin und Gästen ab, die dann nicht viel mehr Substanzielles zutage fördern als die Einsicht: Kunst ist, wenn jeder eine Meinung und ein bisschen recht hat. So kann man das im Dienste der Niedrigschwelligkeit sehen, erteilt damit aber auch dem Expertenwissen eine harsche Absage – wo gerade ein Kunstpädagoge oder -historiker, ob vor oder hinter der Kamera, Stand-up For Art nicht geschadet hätte.

Dann hätte man sich vielleicht auch wirklich künstlerischen Aspekten widmen können: Welche ästhetischen Probleme haben sich den betreffenden Künstler:innen zu ihrer Zeit gestellt, welche kunstspezifischen Fragen haben sie erörtert? Welche Lösungen und Antworten haben sie gefunden? Von welchen Strömungen haben sie sich bewusst abgesetzt? Wie sind sie in der Kunstgeschichte zu verorten? Und vor allem: Wie drückt sich das in ihren Kunstwerken (oder zumindest einem exemplarischen) aus? Man muss kein kunsthistorisches Proseminar draus machen. Auch an diese Fragen kann man niedrigschwellig herantreten – und eine Sendung, die erklären möchte, was Kunst „eigentlich“ ist, sollte es sogar. Stand-up For Art lässt sie links liegen.

„Stand-up for Art“ verplempert viel Zeit mit Spielereien

Comedian Oliver Polak und Moderatorin Ariana Baborie vor dem Druck "Red Cat" von Andy Warhol
Comedian Oliver Polak und Moderatorin Ariana Baborie sprechen über Warhol (Foto: Netflix)

Die Sendung erreicht damit das, was der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich in seinem Buch Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie schon Christie’s Skateboard-Stunt attestierte: Nämlich Kunst „weit weg von Kennerschaft und historischer Bildung“ anzusiedeln, und ganz nah an einem extrovertierten Lifestyle. Das Auktionshaus, schreibt Ullrich, habe damit die Botschaft vermittelt, „die angebotene Kunst stamme zwar aus der westlichen Moderne, es sei aber nicht nötig, sich mit deren Eigenheiten und Geschichte auseinanderzusetzen“.

Dankbare Ablenkung von den Gesprächen bieten immerhin die Sets der Comedians. Aber auch diese sind in der Mehrzahl matt und tragen kaum zur Kunstthematik bei. Viele denken sich nur verrückte Dinge über das Leben der behandelten Künstler:innen aus. Niemand stellt irgendetwas in Frage, und schon gar nicht, „was man über Kunst und den musealen Raum bisher denken durfte“. Kleine Ausnahme: In Shari Litts Set in der Episode über Frida Kahlo stecken mehr Gedanken über Kunstgeschichte und Kanonisierung als sonst in der ganzen Serie.

Der Rest der ohnehin knapp bemessenen Zeit wird dann mit allerhand Spielereien verplempert. Oliver Polak muss Suppe probieren (weil Warhol), Bastian Bielendorfer verpackte Gegenstände ertasten (weil Christo), Eva Schulz Ohren raten (weil van Gogh) und Schulz ferner ohne entsprechende Sprachkenntnisse Begriffe aus dem Niederländischen übersetzen (weil…?).

Hochgradig irritierend und damit einer Erwähnung wert: Über sechs Episoden hinweg kann Moderatorin Baborie nicht von einer merkwürdig vulgären Art lassen, die ich als überflüssig und störend empfunden habe. Nicht einmal das Wort „Ständer“ kann sie ohne demonstrativ ironischem Augenzwinkern aussprechen. Und in der Folge über Frida Kahlo lässt Baborie gegenüber dem Gast Pierre M. Krause ein paar bauchkrampf-auslösend peinliche sexistische Sprüche ab, die bestimmt witzig gemeint waren, aber bei vertauschten Geschlechterrollen vermutlich durchaus Shitstorm-Dynamik entwickelt hätten.

Das ist definitiv zu viel unnötiger Ballast für eine ohnehin schon überladene Sendung. Auch ein Löffelchen Zucker will gekonnt verabreicht werden.

Stand-up For Art, mit Ariana Baborie und u. a. Oliver Polak, Eva Schulz, Bastian Bielendorfer, Özcan Cosar, Produktion: Honey Badger Production; 6 Folgen à 30 Minuten, abrufbar in der ARD-Mediathek

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