Comedy-Presseschau vom 07.04.22

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Will Smith ohrfeigt Chris Rock bei der Oscarverleihung (Spiegel) und manche Comedians nahmen das zum Anlass, ihre Bedeutung mal wieder um ein paar Nummern aufzublasen. Whitney Cummings twitterte: „When people take jokes literally, society is just over.“ Um es mit Erika Fuchs zu sagen: Seufz. Wenn alle, die sich jetzt wegen einer Ohrfeige vehement gegen „violence in comedy“ stark gemacht haben, sich mit nur einem Hundertstel so viel Verve gegen, hm, vielleicht sexual assault aussprechen würden, wäre schon was gewonnen. (Die beste Pointe in dem Ganzen setzte für mich übrigens der Stern, der titelte: Warum wir aufhören sollten, Will Smith wie die Sau durchs Hollywood-Dorf zu treiben. Und das von einem Magazin, das es gerade in Comedy (Stichwort: Mirko Nontschew, Pete Davidson) wie kein anderes deutsches Medium versteht, Sauen, nicht nur zu treiben, sondern zur Erschöpfung zu schinden. Chapeau.)
  • Vor zwei Wochen gings hier um den neueröffneten Comedyclub Kauz in München. Seitdem wird dort Show um Show geplant, der künstlerische Leiter Freez hat sogar Gastspiele Berliner Formate wie Kallefornia organisiert. Was für ein Boost für die Szene. Hoffentlich hält die Stand-up-Begeisterung Schritt.
  • In Göttingen (und online) fand vergangene Woche die Tagung Loriot und die Bundesrepublik statt. Die lehrreiche Podiumsdiskussion mit allen Vortragenden gibt’s bei Youtube zum Nachsehen. Was nur hätte Loriot wohl aus Zoom-Konferenzen gemacht?
  • Das Improunternehmen Upright Citizens Brigade sah sich immer mehr als „comune, not a company“ und nahm das als dankbare Ausrede, Künstler:innen nicht zu bezahlen. Nachdem wegen der Pandemie einige Theater geschlossen wurden, gab es Pläne, die UCB zu einem künstlerfreundlicheren Non-Profit-Unternehmen umzuwandeln. Daraus wird erst mal nichts: Nun hat ein Risikokapitalgeber den Bühnenarm der UCB gekauft.

Stand-up-Comedian Rodney Dangerfield

SPECIAL-EMPFEHLUNG: Rodney Dangerfield: I Don’t Get No Respect (1970)

Viele Comedians wollen gerne das Rad neu erfinden und vergessen darüber die Grundlagen. Mit die klassischste Stand-up machte dagegen der US-Comedian Rodney Dangerfield. Ohne Abschweifungen liefert er Joke um Joke und natürlich auch mal einen Altherrenwitz. Timing, Betonung und vor allem der Rhythmus sind atemberaubend. Selbst wer kein Englisch versteht, versteht Dangerfield. Der Stand-up-Singsang ist universal.

  • Die internationale filmschule Köln bietet eine Summer School Comedy an. Klingt interessant, jedoch: Knapp 1000 Euro kost‘ der Spaß, und was Fördermöglichkeiten angeht, gibt sich die Filmschule wortkarg. Klingt nicht sehr einladend, wenn man das Geld gerade nicht auf dem Konto hat. Bewerbungsschluss ist der 5. Mai. [Siehe dazu auch, fast ohne Kohärenz, dieses Interview bei Chortle:„We see so few authentic working-class representations, especially in comedy“]
  • Louis CK gewinnt den Grammy für das angeblich beste Comedyalbum, nämlich sein etwas lustloses Sincerely Louis CK. Das berichtet unter anderem The Daily Beast. Offenkundig, dass es dem Business (das ja den Grammy verleiht) hier darum ging, den verlorenen Sohn mit offenen Armen im Kreis der Familie willkommen zu heißen. Comedienne Mona Shaihk kommentiert im Hollywood Reporter: „We need the men and women who run the comedy pipeline to either adjust their attitudes or face being named and shamed in order to make way for better gatekeepers.“
  • Im Economist (!) gibt es ein Porträt des britischen Comedians Phil Wang, der es schafft, das Thema race klug zu bearbeiten, und das nicht etwa, weil er einen Migrationshintergrund hat.
  • Sophie Passmann schreibt in der Zeit über das neue Special von Catherine Cohen:„[E]ine intelligente und natürlich voller Weltekel steckende Satire auf das, was heute Zeitgeist ist. Es ist außerdem vielleicht das beste und auf einer Metaebene stringenteste Comedy-Programm, das Netflix von einer Nachwuchskünstlerin seit Jahren veröffentlicht hat“. Ich freue mich ja, wenn in den großen Medien mal Stand-up Thema ist. Aber anstatt an einem konkreten Beispiel Cohens Brillanz zu exemplifizieren, den Superlativ nur zu behaupten, um ihn in einem Streich mit „vielleicht“ zu entkräften, ist schon ein billiger Trick.

Schau-Tipp: Streetphilosophy Humor

Arte Streetphilosophy Szene aus der Episode

Schon wieder Philosophie hier, zumindest wie das in einer 25-minütigen Folge von Streetphilosophy auf Arte (oder in der Mediathek) möglich ist. Moderatorin Ronja von Rönne widmet sich in dieser Episode dem Humor und besucht unnötigerweise eine Kommunalversammlung in Frankfurt/Oder und ein Museum, aber auch Ma’s Comedy Club in Berlin und spricht mit dem Illustrator Christohp Niemann. Für mich verblüffendste und doch unmittelbar einleuchtende Erkenntnis: Comedians sind keine Hipster.

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