- Oh was für einen schönen Artikel schenkt uns der Atlantic: Dear Therapist: My Son Has an Impractical, Ridiculous Career Plan. Er möchte nämlich Stand-up-Comedian werden, schreibt eine Mutter an die Ratgeber-Kolumnistin. Die umsichtige Antwort der Therapeutin ist nicht nur etwas für besorgte Eltern, sondern auch für alle Comedians.
- Die ganze Wokeness ruiniert mir Disney Land! Das schrieb ein erzürnter Fan im Orlando Sentinel (leider in Deutschland nicht abrufbar, die NY Times fasst den Fall zusammen). Die Klage: Politik werde immer wichtiger als das Vergnügen der Fans, der Konzern entferne sich immer weiter von Idealen seines 1966 verstorbenen Gründers! Das Paste Magazine hat mit einem satirischen Artikel auf die Chose reagiert: I Love Disney World, But I’m Going to Act Like „Wokeness“ Is Ruining the Experience Because I Hate Respecting Others More. 🙂
- (Für den Fall, dass die erste News zu konzernfreundlich rüberkam: Disney ist schon immer noch Disney und fiel jüngst damit auf, einen älteren krebskranken Urheber mit pflegebedürftiger Ehefrau um Tantiemen zu betrügen.)
- Die merkwürdige Aktion #allesdichtmachen von 50 deutschen Schauspieler:innen, die sich kritisch über Coronamaßnahmen äußerten, hat viele Artikel nach sich gezogen. Samira El Ouassil beschreibt im Podcast von Übermedien, finde ich, am besten, was alles schiefgelaufen ist. Es ist ein deutsches Paradox: Einerseits nehmen Künstler:innen ein Ziel ins Visier (sonst könnten sie sich ja nicht auf Satire berufen). Andererseits erachten sie es dann als unter ihrer Künstlerwürde, über das eigentliche Anliegen aufzuklären. Ist ja Kunst, heißt es dann immer. Ja, that’s a tough one, will ich gar nicht absprechen. Aber wolkiges Rumraunen ist halt nicht zwangsläufig Satire. Einen Versuch wert wären mal Klarheit in der Analyse und Präzision im Handwerk. Und wenn das dann unkünstlerisch und dumpf ist, können wir ja nochmal reden.
- Tesla-Gründer Elon Musk wird Gasthost bei der kommenden Ausgabe von Saturday Night Live und das Autor:innen-Team findet das nicht uneingeschränkt toll. Denn Musk ist, wie zum Beispiel sein Kampf gegen Gewerkschaften in Tesla-Werken zeigt, ein umstrittener Zeitgenosse. Er ist aber eben auch mehr als das, nämlich Milliardär und schillernde Persönlichkeit. Und das ist in der Welt von Showgründer Lorne Michaels entscheidend. Wie etwa in den Memoiren von Head-Autor Colin Jost nachzulesen ist, hat Michaels mit Geld und Psychospielchen ein System errichtet, das Comedy, die etwas wagt, eher bestraft als fördert. Solange dieses System besteht, ist es also letzten Endes vollkommen wurscht, ob ein Comedian die Show hostet oder ein Start-up-Milliardär.
- Die Süddeutsche Zeitung hat mit Gerhard Polt über Satire und Rassismus gesprochen, und der bayerische Kabarettist sagt: „Ich will mich nicht zu einer bestimmten Redeweise zwingen lassen.“ Hoppla, wird nun also auch Polt angegriffen!?, dachte ich erschrocken, wo doch gerade Polt einer der wenigen trittsicheren Satiriker in Deutschland ist. Aber falscher Alarm: „Ich warte auf denjenigen, der es mir verbietet. Hoffentlich kommt der bald und ich werde in Ketten abgeführt.“ Satire-Berichterstattung in Deutschland: Polt hat eigentlich überhaupt kein Problem und wird folgerichtig von zwei SZ-Journalisten zu diesem Nicht-Problem befragt. Dass mehr herauskommt als nur die bekannten talking points der Mehrheitsgesellschaft, dafür müssten eigentlich die Journalisten sorgen. Aber deren Fragen zeugen nicht unbedingt davon, dass sie tief in Diskursen über Rassismus oder Blackfacing drinsteckten. Wie es anders ginge, zeigt zum Beispiel…
- … das Onlinemagazin Junkee: Hier schreibt die trans Comedienne Chloe Black:What Offends Me Most About Transphobic Jokes Is How Lazy They Are. Und weiter: „Most of [comics who do trans jokes] are uniting the audience in their mutual ignorance of us and that isn’t helping at all. No one goes home with any renewed insight into trans people’s lives.“
- Male fragility plus white fragility ergibt leider allzu oft: comic fragility! Aktuelles Beispiel: Weil der US-Journalist Seth Simons seit Längerem kritisch über Comedyclubs und ihre laxen Coronamaßnahmen berichtet, fühlte sich ein Clubbesitzer aus New York berufen, Simons „zu Ehren“ ein Comedyfestival in der Kleinstadt zu veranstalten, in der dieser wegen Corona festsaß. Hier gibts einen kleinen Twitterthread zum Einlesen. Was soll man dazu sagen, außer: Oh je? Wenn diese Art kreativer Energie doch mal für etwas Sinnvolles eingesetzt würde…
- Specials, auf die ich gespannt bin: Tig Notaro bringt eine komplett animierte Show heraus. Und Bo Burnham hat eines allein bei sich zu Hause aufgezeichnet.
- Proseminar „Was soll uns Satire sagen?“: Tilo Jung interviewt bei Jung und naiv drei Stunden lang (!) den Kabarettisten Dieter Nuhr. Ich habe mich noch nicht ganz durchgeschaut, möchte aber eine Empfehlung aussprechen.
Lesetipp: Running the Light
Der US-Comedians Sam Tallent hat einen Roman über, na endlich, die Stand-up-Welt geschrieben. In Running the Light (quasi: bei einem Open-Mic das Lichtsignal des Hosts ignorieren, also die Spielzeit überziehen) begleiten die Leser:innen einen, natürlich, abgehalfterten Comedian on the road. Das gibt markige Szenen und Anekdoten für Fans der Kunstform, als Roman ist das Buch eher enttäuschend. (Ich werde demnächst rezensieren.)
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