2011 ließ der Comedian Mario Barth einen T-Shirt-Hersteller abmahnen, weil der einen Spruch verwendet hatte, der gar nicht von Barth war. Über besonderen Geschäftssinn im Comedybusiness.
Auch Comedians sind ja nur Menschen. Menschen, die, ob nun gegen Geld oder aus Leidenschaft, sehr viel Energie darauf verwenden, von anderen Menschen als sympathisch-nerdig-liebenswürdig wahrgenommen zu werden. Sie betreiben das so professionell, dass man denken könnte, dass sie wirklich sympathisch-nerdig-liebenswürdig etc. sind. Aber zum Menschsein gehören halt auch die anderen Eigenschaften: Geiz, Gier, Verbissenheit, Kleinkariertheit, und so weiter.
Wenn Menschen, die auf professionelle Weise sympathisch wirken müssen, dann auch negative Seiten ihrer Persönlichkeit offenbaren, verrät uns das einiges über die menschliche Natur. Wo endet die inszenierte Authentizität?
Eine besondere Episode der Diskrepanz komödiantischer Charaktere ist mir vor einiger Zeit untergekommen, darum möchte ich anlässlich von Weihnachten an sie erinnern. Sie handelt vom Comedian Mario Barth, sehr wahrscheinlich dem erfolgreichsten Comedian Deutschlands. Zum Stadion-Comedian wird man nicht einfach so, zumindest nicht durch Konzentration auf die Bühne. Barth war schon immer sehr gut darin, sich zu vermarkten, ließ T-Shirts drucken, schrieb Bücher, betrieb das, was er für investigativen Journalismus hält.
Dieser Artikel gehört zur Reihe Noten zur Comedy, in der wir unregelmäßig einen Blick auf ein virulentes Thema rund um Comedy werfen. Ihr könnt die Noten auch als Newsletter abonnieren, dann kommen sie direkt (mit aktueller Presseschau und besonderem Comedytipp) ins Postfach.
Im Jahr 2010 ließ er sich den Spruch “Nichts reimt sich auf Uschi”, den er offenbar in einem damaligen Programm benützte, beim Patentamt als Marke schützen. Unter anderem ließ er sich schützen, den Spruch auf “Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Porzellan und Steingut” prägen zu lassen, Kämme, Schwämme, Bettwäsche, Handtücher, Kopfbedeckungen, Fußmatten, T-Shirts oder “Sparbüchsen (nicht aus Metall)” zu bedrucken. “Der Spruch hat offenbar noch großes, um nicht zu sagen größtes Geschäftspotential”, hielten zwei Autoren der dpa damals fest.
Aber! Auch damals gab es natürlich schon eine große Brotzeitbrettchen-Schlüsselanhänger-und-Sparbüchsen(nicht aus Metall)-Industrie, die sich ständig auf der Suche nach augenzwinkernden Botschaften befindet, mit denen sie ihre Souvenirs und Geschenkartikel und den ganzen Müll versehen kann. Ein T-Shirt-Hersteller kam denn damals auch naheliegenderweise auf die Idee, den Uschi-Spruch auf T-Shirts zu drucken. Barth, dessen Markenrechte damit technisch gesehen verletzt wurden, fand das gar nicht lustig und forderte knapp 2.000 Euro Abmahnkosten.
Lustigerweise hatten Barths Anwälte in der Begründung der Abmahnung auf “unlautere Nachahmung” und “Herkunftstäuschung” abgehoben, wie etwa das Markenmagazin festhielt. Denn der Spruch stammte erwiesenermaßen nicht von Barth. Die (damals) Radiokomiker Oliver Kalkofe und Dietmar Wischmeyer hatten ihn bereits 1991 im Frühstyxradio des niedersächsischen Senders Radio FFN verwendet. 1992 gingen sie sogar auf eine komplette Tour mit genau diesem Titel. Auch T-Shirts wurden damals bedruckt.
„Wenn man es schon geschafft hat, einen alten Kalauer erfolgreich zu klauen, dann muss man ihn auch schonungslos mit allen Mitteln des Gesetzes verteidigen“, sagte Kalkofe. Die Komiker boten Barth „kistenweise alte Witze“ an, „die wir bedürftigen Komikern gern für ihre Vermarktung zur Verfügung stellen“.
Auch beantragten sie die Löschung der eingetragenen Marke, was das Patentamt aber 2013 zurückwies. Wie die Behörde auf Anfrage heute mitteilt, habe die Markenabteilung damals ausgeführt, “dass der Spruch keinen inhaltlichen Bezug zu den beanspruchten Waren aufweise und nach Meinung der Markenabteilung auch nicht allgemein bekannt sei”. Das klingt etwas kryptisch, heißt im Endeffekt aber: Das Patentamt hatte nicht überprüft, wem nun eigentlich die Rechte an dem Spruch gehörten (ist ja auch nicht seine Aufgabe), sondern nur formale Kriterien. Etwa: Ist der Spruch tatsächlich weit verbreitet? Oder versucht hier jemand, zum Beispiel eine Gattungsbezeichnung oder Beschreibung zu schützen? Das ginge nämlich nicht. Ein Waschmittelhersteller kann sich zum Beispiel nicht “superweiß” als Marke schützen lassen, da der Ausdruck das Produkt beschreibt. Waschmittel ist ja weiß, es gibt also einen inhaltlichen Zusammenhang. Da Barth den Uschi-Spruch clevererweise in Verbindung mit dem ganzen Krimskrams geschützt hatte, sah das Patentamt keinen solchen Zusammenhang gegeben. Der Spruch sagt ja nichts über das T-Shirt oder die Fußmatte aus, auf die er gedruckt ist. Hey, Comedy!
Können Künstler Skrupel haben, sich mit fremden Federn zu schmücken?
Kalkofe/Wischmeyer legten dann offenbar noch Beschwerde gegen diese Zurückweisung ein, dieses Verfahren endete aber laut Patentamt im September 2012. “Über die Hintergründe, die zur – vergleichsweise schnellen – Erledigung des Beschwerdeverfahrens geführt haben, ist uns nichts bekannt”, schreibt eine Sprecherin des Patentamts. Vielleicht haben die Radiocomedians die Beschwerde zurückgezogen, vielleicht wurde sie abgelehnt. Auf jeden Fall hätte bewiesen werden müssen, dass der Spruch weit verbreitet und allgemein bekannt war. Nur dann wäre die Eintragung als Marke rückgängig gemacht worden. Dieser Nachweis ist Kalkofe/Wischmeyer wohl nicht gelungen, wer weiß, war es ihnen am Ende auch egal und die Mühe nicht wert. Ich habe sie jedenfalls nicht gefragt. Ich recherchiere ja gerne und viel in Sachen Comedy, aber beim Patent- und Markenrecht hört’s dann doch irgendwann mal auf.
„Ich habe nie behauptet, dass der von mir wäre“, sagte Barth damals dem Spiegel, Auch Kalkofe und Wischmeyer seien nicht die Urheber, ferner seien diese selber schuld, sie hätten den Spruch ja ebenso als Marke eintragen können. Dass Künstler Skrupel haben könnten, sich mit Leistungen anderer zu schmücken, manche gar Skrupel, mit diesen Leistungen anderer sogar noch Geld zu verdienen? Es sind Überlegungen, mit denen sich Mario Barth offenbar nicht belasten wollte.
Von wem der Spruch stamme, sei sowieso einerlei, sagte Barth. Es gehe einzig darum, dass er nun den Spruch als Marke angemeldet habe. Barth erklärte das so: “Klar dürfen Sie am Chiemsee wohnen, aber wenn Sie unter der Marke Sportartikel verkaufen, kriegen Sie Ärger mit der gleichnamigen Firma.“
Ein Witz, der allen gehört. Aber mit Nutzungsgebühr
Wer da beim Lesen eine leichte Irritation verspürt, kann beruhigt sein: Ja, das ergibt wirklich überhaupt keinen Sinn. Es ist nachgerade Blödsinn, vor allem wenn man miteinbezieht, dass Barth dem Spiegel gegenüber dann erklärte, es handele sich bei dem Spruch um “Allgemeingut”. Barth verglich den Uschi-Spruch also mit Dingen, die allen gehören: Pilzen in öffentlichen Wäldern etwa, Fischgründen, Parks, Straßen oder Volksliedern. Der Chiemsee-Vergleich hätte also Sinn ergeben, wenn Chiemsee-Jacken in öffentlichen Wäldern an Bäumen wachsen würden.
(Lustiges, markenrechtliches Paradoxon nebenbei: Barth nennt den Spruch “Allgemeingut”, während das Patentamt ihn als “nicht allgemein bekannt” einstufte und deshalb ja erst die Eintragung als Marke erlaubte. Hat Barth also mit dem Allgemeingut recht, hätte die Marke nicht eingetragen werden dürfen. Hat das Patentamt recht, widerspricht Barth sich selbst. Es handelt sich hier wohl um einen seltenen Fall von Schrödingers Markeneintragung.)
Es stellen sich also recht grundsätzliche Fragen: Warum um alles in der Welt lässt man einen Spruch markenrechtlich schützen, den man sich nicht selbst ausgedacht hat? Wie kann man etwas als Allgemeingut anerkennen und gleichzeitig exklusive Rechte daran beanspruchen? Was ist das für ein Kopf, der Gedanken ausbrütet wie den, ihm stünden Vorrechte an Allgemeingütern zu?
Die Antworten könnten Sie verunsichern haben natürlich mit Geschäftssinn zu tun, den Barth hat wie kein anderer Comedian. Nichts gegen Geschäftemacherei, irgendwie muss das viele Geld ja auch verdient sein. Aber dass Barth – einer, der sich auf der Bühne ja gern über Aufgeblasenheit oder Großmäuligkeit von anderen lustig macht – gleich überhaupt gar kein Bewusstsein für die Ironie der Situation hatte; dass er weder über sich noch über die eigene Kleingeistigkeit oder die eigene Lächerlichkeit lachen konnte; dass er sich um des Jokes willen nicht großzügig und menschlich zeigen konnte; dass er, kurz gesagt, mit einer harmlosen Business-Entscheidung sämtliche Prinzipien mit Füßen tritt, für die Comedy steht, das schaffen wirklich nur die Allergrößten.

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