Mit Vaudeville wird im Comedy-Kontext ein temporeiches Showformat mit bunt gemischten Acts bezeichnet, das Ende des 19. Jahrhunderts bis etwa 1930 in den USA weit verbreitet war und in entsprechenden V.-Theatern dargeboten wurde. Eine typische Vaudeville-Show bestand aus mehreren unverbundenen Acts, etwa Clowns, Zauberern, Jongleurinnen, Rollschuh-Artisten, Musikerinnen etc. Comedians wie Milton Berle, George Burns oder Bob Hope traten zu Beginn ihrer Karrieren noch in Vaudeville-Theatern auf.
Die Herkunft des Ausdrucks ist umstritten. Möglicherweise handelt es sich um eine Verballhornung des französischen Vaux-de-vire, eine Art satirisches Lied mit mehreren Strophen, das sich ausgehend vom gleichnamigen französischen Ort in der Normandie verbreitete. In seiner Geschichte der komischen Oper von 1981 beschrieb Hellmuth Christian Wolff eine besondere Gattung. Als im Frankreich des 18. Jahrhunderts Jahrmarktstheater den Opern und gediegeneren Theatern den Rang abzulaufen drohten, wurden sie strenger reglementiert. Das ging sogar so weit, den Darstellern auf der Bühne das Sprechen und Singen komplett zu verbieten. Die Jahrmarktstheater waren jedoch erfinderisch, wie Wolff schreibt:
[M]an ließ die Schauspieler jetzt den auf große Schriftbänder (“écritaux”) aufgezeichneten Text zusammengerollt aus der Tasche holen und vom Publikum nach bekannten Melodien singen, die von einem kleinen Orchester gespielt wurden. Die Schriftbänder wurden jeweils von zwei als Amoretten verkleideten Kindern entrollt und vor das Publikum gehalten. Diese Gattung der “piéce en vaudeville” wurde so beliebt, daß sie bis ins 19. Jahrhundert hinein in Paris fortgesetzt wurde.
Als den Jahrmarktstheatern das Singen wieder erlaubt war, behielten diese das Prinzip, neue Texte auf alte Melodien zu dichten, offenbar bei:
Das Zitieren fremder Melodien und deren Parodie durch neue Texte war ein Hauptkennzeichen der französischen opéra comique – das Verfahren war in Frankreich schon seit dem 17. Jahrhundert durch das Marionettentheater des Tabarin bekannt. Die bekanntesten Melodien, die übernommen wurden, hießen “Vaudeville” […]. Noch in Mozarts “Entführung” steht am Schluß ein “Vaudeville”, dessen Strophen abwechselnd von den verschiedenen Personen gesungen werden.
An späteren Stellen kommen zwar etwas ausdrücklichere Definitionen, die jedoch wieder dan Nachteil haben, mehrere zu sein: Einmal schreibt Wolff, dass es sich bei den piéces um “jene gesprochenen Komödien mit eingelegten Liedern auf bekannte Melodien” handele. Später folgt dann noch die Definition “Strophenlied, in dem jede Strophe von einer anderen Person gesungen wird”. Ja was denn nun, möchte man da rufen. Aber immerhin.
Ferner verliert Wolff leider auch kein Wort darüber, wie die Namensgebung zu erklären sein könnte. Man kann nur mutmaßen, wie der Begriff in die USA gelangte und zur Bezeichnung für unterhaltsame Nummernshows wurde. MeineHypothese wäre: Das Merkmal der Neuinterpretation des Alten ließ sich von der Musik leicht auf andere Unterhaltungsnummern übertragen. “Vaudeville” wurde also zum Begriff für die in den Pariser > Cabarets gezeigten Nummernrevuen und gelangte später auch in die Vereinigten Staaten.
Zur Hochzeit der Ära gab es in den USA etwa 2.000 Vaudeville-Theater, die meist großen Ketten wie dem United Booking Office oder Martin Beck’s Orpheum Circuit angehörten. Mit Aufkommen des Kinos wurden auch Filme in das gemischte Programm aufgenommen, die die ursprünglichen Acts immer mehr an den Rand drängten. Nach der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre wurde Vaudeville allmählich dann komplett abgelöst von Fernsehen und Kino. Vor allem bei Letzerem fiel der Umschwung leicht: Ein Konzern, der viele Vaudeville-Theater besaß war etwa Metro-Goldwyn-Mayer, ein einschlägiger Name in der Filmgeschichte. Nach und nach wurden die Vaudeville-Theater mit Leinwänden ausgestattet und wurden so zu den ersten Kinosälen.
Leseempfehlung: Nesteroff, Kliph: The Comedians. Drunks, Thievbes, Scoundrels and the History of American Comedy. New York: Grove Atlantic 2015.