100 Jahre Setup/Punchline.
Die hard facts: Dieser Newsletter erscheint alle zwei Wochen. Vor ein paar Wochen habe ich den 26. Newsletter verschickt. Macht in Summe 26 x 2 = 52 Wochen = 1 Jahr Setup/Punchline. Gemerkt hat das natürlich mal wieder niemand. Auch ich selbst hab’s verpasst. Drum jetzt hier ein verspätetes: Hurra.
In diesem Jahr habe ich Dutzende Stand-up-Specials und Comedyserien geschaut, Artikel, Interviews und Podcastfolgen produziert, habe einen Impro-Comedykurs belegt, um Comedians besser zu verstehen. Ich habe Tucholsky, Schiller, Aristoteles, Waalkes gelesen, seit einiger Zeit etwa viele theoretische Texte über Komik in der Weimarer Republik, um Comedy in Deutschland besser zu verstehen, habe – oh darn – viel zu viele Anglizismen in meinen Wortschatz aufgenommen. Und ich habe viele Entscheidungen getroffen, von denen die wichtigste und richtigste zweifellos war, hust, den Podcast nicht „Adolf Bitler – Witze aus dem tausendjährigen Reich der Comedy“ zu nennen. Stattdessen hieß er dann „Setup Punchline – Ein Podcast über Stand-up-Comedy“. Puh. Grade noch mal gut gegangen.
Kannst du überhaupt noch über Witze lachen, werde ich oft gefragt. Einfache Frage! Na klar. Schwieriger ist: Was macht einen Witz zum Witz, was bringt den Lacher? Keine Ahnung. Jedes Mal, wenn ich dachte, dass ich nun der Antwort auf der Spur bin, kam ein neuer Witz daher und war wieder auf ganz originelle Weise neu lustig. Sich mit Comedy zu beschäftigen, kann, Stichwort Fäkal- oder Flachhumor, eine Quälerei sein. Aber eines wird die Beschäftigung nie: langweilig.
Eine zaghafte Erkenntnis noch: Ja, Deutschland hat ein Problem mit Comedy. Allerdings kein grundsätzliches, sondern vor allem ein sprachliches. Comedy in Deutschland ist Begriffsverwirrung. Solange Nuhr, Kebekus, Pocher, Schaffarczyk, Tucholsky, Somuncu, Priol und Gstettenbauer in einen Topf zusammengerührt werden, dreht sich die Debatte um Comedy im Kreis. Worüber reden wir eigentlich, wenn wir über Comedy reden? Wenn wir diese Frage beantwortet haben, kann die richtige Arbeit ja endlich mal losgehen.
Neu bei Setup/Punchline
… gibt’s grade nichts. Ich bin wegen Jubiläumsfeier geschlossen und feiere aus Hygienegründen mit mir allein. Dafür heute mehr News! |
Comedy-News
- Die Jahrestage nehmen kein Ende, zuerst Setup/Punchline, jetzt auch noch Saturday Night Live. Die US-amerikanische Sketchshow geht in ihr 46. Jahr. Beim WDR gab’s zu diesem Anlass ein hörenswertes 15-minütiges Radiofeature. Die Huffington Post fasst den Auftakt zur neuen Staffel in einer Überschrift so zusammen: „Host Bill Burr Insults Just About Everyone In Controversial Monologue“
- Normalerweise hält Comedian Andy Kindler seine State of the Industry Address immer beim Just-for-Laughs-Festival im kanadischen Montreal, das in diesem Jahr aus Gründen, die mir gerade entfallen sind, nicht stattfinden kann. Drum gab’s die Rede dieses Jahr digital. Vulture zeigt und fasst zusammen.
- Eine Veranstaltung, die den Beinamen „German Spaß- und Satire Open“ trägt, sollte an sich verboten werden. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, erlebt beim Prix Pantheon Erwartbares (Hape Kerkeling gewinnt einen Preis) und erfreulich Neues: Der Berliner Stand-up-Musik-Brite Tim Whelan gewinnt einen Preis! Unbedingt mal auschecken.
- Die Comedy-Truppe RebellComedy hat eine Serie gemacht: ETHNO ist im Auftrag des WDR entstanden. Bei der Berliner Zeitung gibt’s eine kleine Besprechung und Hintergründe zur Gruppe, die sich einst gründete, weil sie sich von Ethno-Comedians „wie Kaya Yanar oder Bülent Ceylan nicht vertreten“ sah.
- Beim SZ-Magazin gibt die Illustratorin Liana Finck Einblicke in ihre Arbeiten, die sie regelmäßig zu den legendären Cartoons im US-amerikanischen New Yorker beisteuert. (Hoffentlich, denke ich, färbt Finck ein wenig auf das SZ-Magazin ab und damit auch auf das Mutterblatt, die Süddeutsche Zeitung, die seit Jahrzehnten ein Problem mit ihren „Karikaturen“ und „satirischen“ „Zeichnungen“ „hat“.
- Vulture zeigt Comedians You Should and Will Know in 2020 – mit vielen (zumindest mir) unbekannten Gesichtern.
- Der britische Comedian Harry Hill macht einen Podcast und ist dabei, to say the least, sehr britisch: „Harry Hill’s Noise sees Harry Hill in a different location every episode and at some point, he’ll make a noise. It’s your job to predict the nature of Harry’s noise and when he will make it.“
- Stand-up wird immer mehr zur Industrie-basierten Szene (schrieb kürzlich Eike L. Sell bei s/p). Soll heißen: Immer mehr und immer größere Player steigen ein. Weiterer Beleg: Der amerikanische Produktionskonzern DLT Entertainment kauftAnteile einer britischen Talentagentur. (Chortle)
Lese-Tipp: Chappelle, C.K. & Basquiat
Acid Rant ist ein alternatives kanadisches Kulturportal, das in wilden Essays Stand-up mit Hiphop, Film, Graffiti, Philosophie und Kulturtheorie zusammenwirft. Heute: Warum Dave Chappelle der beste Comedian ist? Weil er getan hat, was alle Größen getan haben: they fold and refold the katana blade.
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