Monika Gruber: Hauptsach g’sund (2008)

Eine schon ältere Show von Monika Gruber zu schauen, wird ja schnell zur Exegese und der minutiösen Suche: Hätte man an manchen Stellen etwas merken können? Hätte man sich bei Hauptsach g’sund von 2008 vorstellen können, dass die Kabarettistin (wie Comedians in Bayern früher genannt wurden) sich einmal in pesky Kleinkriegen gegen alles Grüne, Woke und Progressive ergehen würde? Man sollte diese Gedanken aber ausblenden, weil jeder Künstler es verdient hat, im Kontext seiner Zeit analysiert zu werden.

Ein gehöriger Batzen von Grubers Witzen funktioniert in erster Linie wegen des stark eingesetzten bairischen Dialekts, sofern man dessen mächtig ist. Auch ist viel hacky Material dabei, angefangen vom italienischen Kellner (!) als Latin Lover, über die Zeugen Jehovas, Heidi Klum, Florian Silbereisen hin zu polnischen Airlines. Das soll aber nicht verdecken, dass sie eine Handvoll an starken Gedanken und Beobachtungen dabei hat.

Es geht viel um die gute alte Zeit, früher, als das mit der Mülltrennung noch nicht so kompliziert war, als wir noch nicht in „Plem-plem-Land“ lebten, als Steuerhinterzieher noch nicht länger im Knast sitzen mussten als Kinderschänder und als eine Kinderpflegerin noch nicht wegen ihres Dialekts gekündigt wurde (Belege, dass das passiert wäre, habe ich keine gefunden). In Hauptsach g’sund kommt vielfach zum Ausdruck, wie anstrengend und kaputtmachend diese Veränderungen sein können. Gruber empfiehlt, dass man auf sich achten sollte, ohne dabei in Achtsamkeitsgewäsch abzudriften.

Interessant ist, wie es ihr gelingt, die Belagerung des Individuums durch die Welt nicht bloß zu benennen, sondern performativ vorzuführen. In einem Bit ärget sich Gruber kurz über einen Suizidversuch, der ihrem Zug Verspätung einbringt. Dabei redet sie sich immer mehr in Tempo und Rage und sich selbst und Publikum schwindelig. Das Miterleben oder zumindest Präsent-Sein bei einem schrecklichen Ereignis ist der Tropfen zu viel, der das Glas dann komplett leerlaufen lässt (genannt ein „Pythagoreischer Becher“, wie wir aus der Sendung mit der Maus wissen). Für einen Moment hebt sich der Schleier und Gruber gibt Einblick in die Psyche der „normalen Menschen“, um die es, wenngleich vom Suizid weit entfernt, doch auch nicht sonderlich gut bestellt ist.

Dann wieder macht sie die Entfremdung mit fast poetischen Sätzen greifbar: “Und da beißt man in sein Schinkenbrot und wartet auf ‚Wer wird Millionär‘.“ Oder auch: „Worin liegt der Sinn des Lebens? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Aber ich liebe mich gar nicht immer selbst.“ An einer anderen Stelle fädelt sie gekonnt ein, dass sie den Satz „Ich bin ein netter Mensch, ich bin nett zu alle Leut’“ brüllend-zähnefletschend auskotzt.

Und dann gibt es halt auch so ein – selbst 2008 schon problematisches – Bit, in dem sie ihre Vorstellungen von Heimat auflistet und es unter anderem heißt: „Heimat ist für mich da, wo ein Afroamerikaner ein [N-Wort] ist, weil du sagst ja zum Osterhasen auch nicht Frühlingsschokoladenhohlkörper. Ja, des is jetzt rassistisch. Aber Sie wissen, wie’s gmeint is.” Und ich sitze irritiert vor dem Bildschirm und rufe: Stop! Nein! Halt! Ich möchte bitte wissen, wie es denn gemeint ist? Weil selbst wenn man den offensichtlichsten Rassismus ausklammert, ja noch viel Problematisches übrigbleibt. Was ist außerdem davon zu halten, dass ein Schwarzer Mensch für Monika Gruber denselben Status einnimmt wie ein Fantasiewesen aus dem christlichen Brauchtum?

Die Heimat, die Gruber schildert, hat nichts heimeliges, hat keine soziale Dimension, sondern kennzeichnet sich im Gegenteil dadurch, von anderen Menschen, der Gesellschaft (und in der Konsequenz: vom Staat) nicht behelligt zu werden.

Mit derartigen unterirdischen Passagen reißt Gruber alles wieder ein, was sie zuvor gar nicht unkünstlerisch kreiiert hat. Selbst die positive Botschaft: Man solle doch über dem ganzen Viel-zu-wichtig-Wesentlichen nicht das Schöne, Nebensächliche vergessen. Sie empfiehlt, zu leben, zu schauen, zu schmecken, zu suchen. „Holen Sie alles aus diesem kleinen Scheißleben raus.“ Was für ein schöner Satz. Allein, sie selbst hat sich nicht dran gehalten.

Hauptsach g’sund, 2h 2min, abrufbar bei Youtube

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