- In ihrem Podcast Gut abgehangen sprechen die Comedians Maxi Gstettenbauer und Alain Frei über mögliche Implikationen, die ein Auftritt bei Dieter Nuhrs Show im Ersten haben kann. „Ich glaube, da wird ein Zeitgeist bedient und eine Schwingung, die so unter der Oberfläche echt komisch ist“, sagt etwa Gstettenbauer, der verstehen kann, dass Comedians eine Einladung bei Nuhr im Ersten ablehnen, weil sie das mit ihren politischen Überzeugungen nicht vereinbaren können. Eine gewisse Aufrichtigkeit gewinnt das Gespräch dadurch, dass sowohl Frei als auch Gstettenbauer ja in der Sendung schon aufgetreten sind, wobei Letzterer schon etwas mehr über das Thema nachgedacht zu haben scheint.
- MDR Kultur hat online Kabarettgänger:innen befragt, 12.000 haben mitgemacht, von daher handelt es sich hier nicht um eine repräsentative Studie. Aber den Trend, dass zwei Drittel Stammgäste bestimmter Bühnen sind, kann man wohl so oder so als gegeben hinnehmen. Wollen die Bühnen überleben, müssen sie also neues, womöglich jüngeres Publikum ansprechen. Im Interview mit Hans-Günther Pölitz, dem Leiter der Magdeburger Zwickmühle, erlebt man allerdings auch viel Ratlosigkeit. „Das kann ich prozentual nicht sagen“, liest man darin, oder auch: „Das weiß ich jetzt nicht, ob das an dem [Bühnen-]Nachwuchs liegt.“ Und: „Wir nutzen Social Media, obwohl ich dieser Sache etwas skeptisch gegenüberstehe.“ Außerdem halte ich These, junge Leute heutzutage wüssten nicht mehr, was Satire ist, angesichts der Schwemme von Satireformaten allerorten für wenig überzeugend.
- Vor kurzem konnte ich in München Till Reiners‘ neues Programm Mein Italien sehen – vor 2.000 Menschen in der Isarphilharmonie. Der Erfolg sei dem fleißigen Reiners natürlich gegönnt, aber atmosphärisch ist so ein Raum für Stand-up natürlich eine Katastrophe. Zumal auch der Sound schlecht war und Reiners stellenweise schlecht zu verstehen. Verblüffend, dass ein Konzertsaal wohl ein hundertköpfiges Orchester abmischen kann, mit einem einzelnen Comedian aber Probleme hat. Ich finde Mein Italien schwächer als Reiners bisherige Shows und werde bei Gelegenheit in der Bibliothek mal darüber schreiben. Worauf ich aber eigentlich hinauswollte: Die schönste Besprechung hat das studentische Magazin Philipp der Uni Marburg. Gleich zwei Rezensenten tasten sich langsam an die Show ran, versuchen das Relevante einzukreisen. Wer deutsche Feuilletonartikel gewöhnt ist, wird da bisweilen irritiert („Aber wie gesagt, ich kenne mich im Comedy-Bereich nicht aus“), aber so viel Respekt vor der Kunstform begegnet man in deutschen Medien selten.
- Comedykritiker Seth Simons analysiert mal wieder, was Comedians wie Theo Von, Tim Dillon oder auch unverdächtigere Vertreter wie Tom Segura in ihren Podcasts so Menschenverachtendes von sich geben. Die Beispiele sprechen Bände. „These people are all authoritarians at heart, and it is clear today, in February 2025, that they will cheer on the Trump administration’s worst abuses over the next four years“, schreibt Simons, der weiter auch die schöne Theorie äußert, „comedy functions as a sort of collective id for American culture“, also als Es im Sinne der Freud’schen Psychoanalyse. „Its artistic norms enable comedians to say whatever is currently unacceptable to say in polite society, and the success they enjoy is a bellwether [= Indikator] for which of those unsayable things is gaining (or regaining) credibility, which groups might soon be under (or back under) the chopping block, and which acts of violence the commentariat will be willing to forgive, or even to endorse.“

BIT-EMPFEHLUNG: Christoph Fritz: Das erste Mal (2024)
Sieben Minuten lang misst Fritz in diesem Video mit leicht irrer Gehetztheit immer genau den falschen Sachen Bedeutung zu. Schön und unerwartet, etwa bei der Tupperdose. Die Präzision und uneasiness, mitder der österreichische Comedian das Wort „Sexprozedere“ ausspricht, dürfte ohnegleichen sein. Hier geht’s zum Clip
- Autor und Showrunner Stefan Stuckmann spricht im Deutschlandfunk über seine neue Comedyserie Die StiNos – Ganz besonders stinknormal, die auf Joyn zu sehen ist, dem Streamingservice von ProSiebenSat.1. Ein Projekt mit Signalwirkung, findet Stuckmann selbst, denn: „Die Branche ist ja nach wie vor so ein bisschen in der Krise so, seit zwei Jahren. Es wird sehr wenig gedreht. Comedy ist tatsächlich auch nach wie vor in Deutschland Stiefkind.“ Deswegen sei es wahnsinnig wichtig für den deutschen Comedymarkt, „dass Joyn und ProSiebenSat1 sich reinwagen“, auch mit dem Willen, künstlerischen Freiraum zu geben.
- Saturday Night Livehat seinen 50. Geburtstag gefeiert, darum ging’s hier ja schon. Eine kurze, aber umfassende Einführung in die Geschichte der Sendung gibt es gerade beim Economist. Auffällig ist, dass die allermeisten Artikel angesichts des Jubiläums komplett ohne kritische Töne auskommen, die sicherlich nicht unangebracht wären. Zwei Empfehlungen zum Einlesen, hier und hier.
- Dave Chappelle hat zum dritten Mal hintereinander den Grammy für das beste Comedyalbum gewonnen, diesmal für The Dreamer. ¯\_(ツ)_/¯ Chappelles Trick: Er verwirrt die Grammy-Jury, indem er immer mit demselben Programm auftritt, sich aber jedes Jahr einen neuen Titel ausdenkt. Möglicherweise hat so ein Album-of-the-year-Titel auch gar nicht so die künstlerische Aussagekraft, wie man meint.
- „The complaint that comedy’s harder than it used to be is not a valid complaint„, sagt der kanadische Comedian und Produzent Seth Rogan im Gespräch mit Esquire. „Maybe it was too easy before. And why should it be? Why shouldn’t it be hard?“
Schautipp: Every Stand-Up Special Intro

Die US-amerikanische Sketchgruppe Almost Friday TV hat sehr treffend die Legendenbildung aufgespießt, die gerade die spätpubertären boys-club-Comedians gerne um sich betreiben. Dabei ist die ja nur ein Vehikel für Markenbildung und Vermarktung von deppertem Merchandise oder Alkoholika (Stichwort Por Osos). Bei dem Verweis auf den ewig strapazierten Pagliacci-Witz musste ich sehr lachen. Hier geht’s zum Clip
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