Die Show Leider nein. Leider gar nicht!, das erste Programm von Der Dennis (dem Dennis?) aus dem Jahr 2016, aufgezeichnet in der Essener Grugahalle, macht Gruseln. Sie macht Gruseln angesichts von Unausgegorenheit und angesichts der Chuzpe, diese Unausgegorenheit dann auch noch auf die Bühne zu bringen und von Zuschauer:innen dafür Geld zu verlangen.
„Der Dennis“ ist eine Kunstfigur des Schauspielers und Comedians Martin Klempnow. Er stellt einen selbstgebräunten rheinischen Assi mit Ed-Hardy-Käppi dar, der ein 21 Jahre alter Azubi sein soll – und es geht schon damit los, dass Klempnow zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 42 war und eben nicht wie ein 21-Jähriger aussieht. Vermutlich hoffte Klempnow, dass daraus Komik entsteht, bei mir war es ausschließlich Irritation, die die Show von Sekunde eins an begleitete und nicht mehr los wurde.
Dazu kommt, dass Klempnow Dennis‘ Lebenswelt offenbar allenfalls aus dem Fernsehen kennt. Ich möchte nicht ausschließen, dass es eine Figur wie Dennis tatsächlich geben könnte, aber der Schöpfer tut nichts dafür, dass man Dennis für ein echtes Lebewesen halten könnte, eines mit eigenen Gedanken und Gefühlen. Dennis ist selbst nur ein Mikrofon für Klempnow, durch das dieser Flachwitze, Signalwort-Humor („ey was für ein Otto“) und abgedroschene Komikkonstellationen (der Chef, die Tante, die Freundin) absondert.
Man würde ja viel verzeihen, wenn denn ein Gedanke erkennbar wäre. Warum wird Dennis auf die Bühne gebracht? Für was steht die Figur? Für eine Entwicklung unserer Zeit? Hat Klempnow einen solchen Dennis in seinem Bekanntenkreis, hat er möglicherweise selbst einen zum Sohn oder Neffen? Was findet er faszinierend daran? Klempnow hat auf dise Fragen nicht mal annäherungsweise Antworten. Würde Dennis eine Propellermütze tragen statt ein Ed-Hardy-Käppi, wäre das eine überzeugendere Darstellung eines jungen Menschen. Klempnow scheint kein wirkliches Interesse an Dingen zu haben, die 21-Jährige umtreiben.
Die Figur ist nicht unsympathisch, vor allem aber aus Mitleid. Dennis wird nämlich meistens nur bloßgestellt. Er lacht dümmlich, macht schlechte Witze, alte Witze („MILF“), benutzt Wörter falsch. Einige Minuten lang zeigt Dennis Produkte aus dem Supermarkt vor: Energydrink, Eistee, Puffreis. Es ist ein lahmer Abklatsch der lahmsten Nostalgie-Show. Ich hoffe, dass sich Klempnow sein Curry-King-Endorsement wenigstens bezahlen hat lassen.
An anderer Stelle macht er sich drüber lustig, wie „Ostendeutsche“ reden – und das ist eine interessante Verdoppelung der Perspektive, betont es doch unfreiwillig, wie sich ja Klempnow wiederum ein ganzes Programm lang darüber lustig macht, wie ein rheinischer Assi redet, der den Fernsehmillionär Robert Geiss für so reich hält, dass „der […] doch bestimmt 2000 Euro brutto im Monat” verdient. Das ist lustig, weil? Ach ja, Dennis ist dumm und hat obendrein wenig Geld. Und außerdem: die Geissens. Tada!
Entweder ist Klempnow, der als Dennis Tausende Tickets à 35 Euro verkauft, sehr unreflektiert, oder er ist er ein Zyniker, der sich aus Publikumshass immerhin noch die Taschen vollmachen will. Dass der Kulturindustrie nichts zu blöd ist, wissen wir ja nicht erst seit Adorno und Horkheimer. Aber was das in der Konsequenz konkret bedeuten kann, lässt einem doch manchmal vor Staunen den Mund offenstehen.
Leider nein. Leider gar nicht!, 1h 30min, abrufbar auf Netflix
Schreibe einen Kommentar