Aus dem Leben eines Online-Comedians

Social-Media-Stars Maria Ziffy und Karim Jamal im Gespräch mit Jim Sengl auf den Medientagen München
Social-Media-Stars Maria Ziffy und Karim Jamal im Gespräch mit Jim Sengl auf den Medientagen München

Wenn ein Comedian einen Witz macht und niemand da ist, der ihn hört – ist es dann Comedy? Klingt wie eine philosophische Spielerei, ist aber eine Frage, die die Stand-up-Szene in den vergangenen Jahren handfest umgetrieben hat. Likes, Favs und Kommentare in Sozialen Medien – sprich: messbare Reichweite – zählen in der Branche als wichtige Währung, mitunter mehr als die schwer zu bestimmende künstlerische Qualität. Künstler:innen, die ihren Fokus auf Jokewriting und Präsentation legen, fühlen sich dann schon mal vom Business übergangen, weil es ihnen nicht gelingt, sich online eine Followerschaft aufzubauen.

Zwei, die das mit der Followerschaft auf jeden Fall geschafft haben, sind Karim Jamal und Maria Ziffy. Beide posten lustige Sketche und Clips für ihre jeweils rund 200.000 Follower auf Instagram und ihre zwei (Ziffy) bzw. drei (Jamal) Millionen Follower auf Tiktok. Beide sind mit ähnlichen Inhalten auch im öffentlich-rechtlichen System aktiv: Jamal mit der Funk-Produktion Ey Jamal, Ziffy mit dem SWR-Podcast we be like.

Und beide waren Ende Oktober bei den Münchner Medientagen zu Gast, auf dem Panel Lustig Sein im Internet. Online-Humor trifft Debattenkultur. Ein etwas steiler Titel (wäre doch erst zu ergründen, was speziell Urheber von lustigen Clips beim Thema Debattenkultur beitragen könnten), der dann aber auch gar nicht eingelöst wurde. Stattdessen gaben Jamal und Ziffy, von Moderator Jim Sengl befragt, Einblick in ihren Alltag als Comedians im Internet.

Das Publikum ist auch am Quellcode interessiert

Jamal schilderte, wie viel Zeit bei ihm in die Erstellung der Videos fließe, vor allem in die Erstellung seiner Kulissen. Obwohl oder gerade weil diese so notdürftig zusammengeschustert und provisorisch aussehen. Auf Fan-Anfrage hin lässt Jamal manchmal in eigenen Clips hinter die Kulissen blicken und zeigt etwa, wie er einen Kassenbereich im Supermarkt gestaltet und ein Laufband als Warenband fungieren lässt. Sein Publikum ist nicht nur an seinen komischen Inhalten interessiert, sondern durchaus auch an den Entstehungsbedingungen des Komischen selbst. „Ich hätte nicht erwartet, dass die behind-the-scenes-Videos so gut ankommen“, sagte Jamal.

Schreiben sei für ihn eine systematische Tätigkeit. „Ich schau’ mir oft ganz genau und lange Sachen in meinem Umfeld an – ein Glas zum Beispiel oder einen Stuhl – und frage mich: Was kann ich aus dieser Kleinigkeit machen?“ Daraus entstünden dann die kleinen Sketche (zum Beispiel die Darstellung verschiedener Typen von Menschen im Bus). Diese wirken zwar eher konventionell. Mit der akribischen Arbeit an den Kulissen gelingt es Jamal aber, einen eigenen, roughen Stil und somit Wiedererkennungswert zu schaffen.

Die Online-Comedians Karim Jamal und Maria Ziffy (Fotos: we.create, Endgame Entertainment)

 

Maria Ziffy kam über die Bühne mit der Komik in Kontakt: Vor drei Jahren habe sie als damals 15-Jährige mit Stand-up-Comedy angefangen, sagte sie. Inzwischen war sie auch Teil größerer TV-Produktionen, wie etwa beim von ihrem Management Endgame Entertainment verantworteten Comedy Clash. Auf der Bühne wie auch online orientiert sie sich für ihre Themen meist am Bereich Schule und benutzt dabei auch gezielt den entsprechenden Jargon. In der Darbietung gebe es aber naturgemäß Unterschiede, erklärt sie: Was auf der Bühne funktioniere, tut dies nicht zwangsläufig bei Instagram, und umgekehrt.

Ziffy dreht ihre Clips simpel und ohne große Vorbereitung, wie sie sagt. Ideen bekomme sie selten auf Kommando, eher typischerweise kurz vorm Schlafengehen. Im Vergleich zu Jamal verweist sie darauf, sich für die Kulisse allenfalls mal eines über Google gefundenen Bilds als Hintergrund zu bedienen. Sie probiere manchmal Dinge aus, beende Experiment aber auch wieder, „wenn’s nicht klappt“, das heißt, wenn Reichweite und Engagement hinter vergleichenden Erfahrungswerten zurückblieben.

Sie setze auch Videos um, die auf Vorschlägen aus ihrer Community basieren. „Dann gibt’s einen zweiten Teil und ich mache das, was die mir sagen“, erklärt Ziffy das Vorgehen. Etwa habe sie aus der Community einmal der Wunsch nach einem Video erreicht, in dem sie ihr Zimmer aufräume. Nachdem sie den Clip produziert habe, werde sie nun immer wieder gefragt, wann sie das denn wiederhole.

Es scheint egal, was sie tun – Hauptsache sie tun es

Eine schöne Illustration dessen, was Künstler:innen oft mit Sozialen Medien hadern lässt: Menschen geht es dort oft nicht darum, Kunst, Comedy oder überhaupt Inhalte wahrzunehmen. Es scheint vollkommen egal, was die Community sieht, Hauptsache: Ziffy tut es. Man will Nähe zu einer als authentisch angenommenen Künstlerperson erfahren. Likes und Kommentare sind dann eher als Instrumente zur Stärkung dieser Bindung zu verstehen denn als Kanal für inhaltliches Feedback. Ein paradoxer Effekt: Obwohl es vordergründig nicht um die Inhalte geht, stehen Social-Media-Stars doch unter dem Druck, den Wünschen nach bestimmten Inhalten nachkzuommen, damit die Bindung zu den Fans nicht abreißt.

Bei Comedians und Podcastern, die auf moralisch fragwürdige bis politisch radikale Inhalte setzen, kann so eine Spirale der Radikalisierung in Gang gesetzt werden – zu beobachten etwa in den USA bei Tim Dillon oder der Legion of Skanks. Die Community ist wegen der edgy Inhalte oder etwa wegen der Schimpfworte da und muss entsprechend gefüttert werden. Das ist natürlich bei Jamal und Ziffy und ihren Comedyclips nicht der Fall, trotzdem wäre interessant gewesen zu erfahren, ob sie den Unterhalt der großen Followerschaft mitunter denn auch als Verantwortung oder Belastung empfinden würden.

Der Aspekt blitzte bei den Medientagen nur kurz auf, als Jamal beschrieb, wie sich das Posten von Videos für ihn manchmal unangenehm anfühle. Schließlich sei nie im Voraus klar, ob der Inhalt zu seiner Person passe oder der Community auch zusagen werde. Wobei die Beantwortung dieser Fragen hauptsächlich an den Interaktionen in den Sozialen Medien bemisst. „Das Allererste, was ich jeden Morgen mache: Ich geh’ auf meine Kanäle und schau’, was ich für ein Engagement hab“, sagte Jamal.

Etwaige negative Implikationen wurden beim Panel aber entweder sofort wieder positiv gewendet („Ganz ehrlich, du brauchst auch manchmal dieses unangenehme Gefühl, damit du etwas erreichen kannst“, sagte Jamal. „Wenn es dir in diesem Game zu bequem wird, dann machst du was falsch.“) oder verdeckt von Dankesformeln à la „Die Community ist die, die dich aufbaut“, wie Jamal es ausdrückte, oder einem lobenden „meine Community ist total irre“ von Ziffy.

Die Livetour als natürliche Verlängerung der Accounts ins Analoge

Als negativer Aspekt wurden allein beleidigende Kommentare von außerhalb der Community adressiert. Von Moderator Sengl zum Umgang mit solchem Feedback befragt, schilderte Ziffy ihren Abwehrmechanismus: „Nur die erste halbe Stunde bin ich drin [im Kommentarbereich auf Instagram, s/p]“ und verfolge aktiv die Reaktionen ihren Follower. Erst später, wenn Posts zum Beispiel über die Empfehlungsseite bei Tiktok auch anderen User:innen angezeigt würden, „kommen die Reaktionen, die nicht so nett sind“ und sie ziehe sich zurück.

Sowohl Ziffy als auch Jamal gaben an, mittelfristig auf Bühnentour gehen zu wollen. Jamal schon im kommenden Jahr, wie er sagte. Ziffy dagegen erklärte, sie finde den Gedanken zwar schön, wolle aber noch mehr üben und überhaupt ihr „Set zu Ende schreiben“.

Egal ob klassisch-kumulativer Stand-up-Ansatz oder komplettes Programm aus dem Nichts: Weder Ziffy noch Jamal scheint es auf die Bühne zu treiben, weil sie Stand-up als passgenaue Ausdrucksform für sich entdeckt haben. Eher fungiert die Live-Tour als weiteres Element auf der bucket list für erfolgreiche Social-Media-Größen. Der Eindruck verdichtet sich, dass die Stand-up-Show als Verlängerung der Instagrampersönlichkeit in die analoge Welt dient, als fortgesetzte Erfüllung des Nähebedürfnisses der Fans, und zwar auf eine Weise, die sich durch Ticketverkäufe leicht monetarisieren lässt.

Wenn ein Comedian einen Witz macht und niemand da ist, der ihn hört – ist es dann Comedy? Bei Social-Media-Stars lautet die Frage etwas anders: Wenn viele Leute da sind, die zuhören – ist es dann Comedy? Ziffy und Jamal haben es in der Hand, ob sie diese Frage selbst beantworten wollen oder die Beantwortung lieber ihren Fans überlassen.

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