Ein sehr simpel produziertes und vom komischen Inhalt her exzellentes Special. Obwohl der Vortrag aufgrund von Stoldts unterkühltem Naturell sehr monoton ist, wird es nie langweilig. Denn der Hamburger Comedian hat einfach Ideen. Ob er via Handyaufnahme mit seinem zukünftigen Ich spricht, er mangels Überleitungen zwischen seinen Witzen die Übergänge aus Powerpoint-Präsentationen nachspielt oder er schlicht und einfach die Bühne verlässt und von hinter dem Vorhang weiterspricht, da er ohnehin kaum über Gestik und Mimik verfügt: Man möchte anderen, bekannteren Comedians nur einen Bruchteil dieser Kreativität wünschen.
Stoldt ist ein Meister der Erwartungsenttäuschung und des Kippeffekts. Die Witze suchen immer den unerwarteten Ausgang, auch wenn er dazu mehr als einmal auf den (an sich billigen) pull back and reveal setzen muss. Die Comedy drückt eine einzigartige Perspektive auf die Welt aus, erkennbar zum Beispiel im Witz, wo er an der Innenseite einer Hotelzimmertür das “Bitte nicht stören”-Schild entdeckt und in der Folge also vermuten muss, die ganze Welt hätte sich vor ihm zurückgezogen. Eine wiedererkennbare Situation wird durch einen winzigen Perspektivwechsel von den Beinen auf den Kopf gestellt.
Mehrere Parts wiederholen sich ständig (“Ich hab immer so wiederkehrende Alpträume”), immer wieder treibt Stoldt ein mise-en-abyme–Spiel, das aber nie langweilig wird, weil es immer um ein Quantum variiert wird. Zudem beziehen sich die Wiederholungen nicht nur auf die vorangegangenen Wiederholungen in einem Themenkomplex selbst, sondern die Wiederholungen kommunizieren auch untereinander und werden von Stoldt fast schon mathematisch und ökonomisch effizient (Wiederholungen setzen eine Erwartung, die der Comedian enttäuschen kann), aber jedes Mal unerwartbar kombiniert. Es entsteht ein sehr dicht gewebtes Netz an Struktur, das doch niemals overwritten ist.
“Ich stand neulich vorm Spiegel”, beginnt ein kurzes Bit über Komplexe. Stoldt findet Comedy nicht in Geschichten und lustigen Erlebnissen, sondern er formt sie aus hyperkleinen Beobachtungen im Alltag. Ein typischer Stoldt-Witz geht so: Woher haben Menschen, die immer passend bar zahlen, eigentlich immer das Kleingeld, um passend bar zu zahlen? Schließlich nimmt ihr Besitz an Kleingeld stetig ab. Das ist eine so simple wie geniale Beobachtung. Und wer sagt: Ist doch banal, kann doch jeder – der müsste erst einmal eine Antwort auf die Frage finden, warum diese Beobachtungsschärfe in der deutschen Comedy dann so ungemein selten zu finden ist.
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