Wenn ich dir einen Koffer voll Geld gebe, was für ein Projekt würdest du umsetzen? Das werden Drehbuchautor:innen wie Aylin Kockler gerne gefragt, selbstverständlich auch bei Setup/Punchline. Das Besondere daran ist allerdings: Aylin hat ihr Herzensprojekt kürzlich schon umgesetzt, nämlich die Miniserie Hübsches Gesicht für den Streamingdienst RTL+. In dieser Podcastepisode werden wir erfahren, wie es dazu kam, wie man dabei vorgeht, und warum zwischen Buch und Regie manchmal Ideen auf der Strecke bleiben.
Außerdem sprechen wir darüber, welche Ideen Aylin lieber auf Papier bearbeitet und welche sie vielleicht erst einmal auf der Stand-up-Bühne testet. Können Drehbuchautor:innen von Comedians lernen und umgekehrt? Was können sie mitnehmen? Und wir erfahren, dass ganz viel Drehbucharbeit niemals auf der großen oder kleinen Leinwand landet, und warum Aylin auf keinen Fall Judd Apatow enttäuschen möchte.
Wer nur über Comedy Bescheid weiß, weiß auch davon nichts. Deshalb unternehmen wir in den „Gesprächen über Comedy“ kleine Ausflüge: Wir nehmen Stand-up-Comedy als Ausgangspunkt und besuchen die angrenzenden Regionen. Auf diese Weise (und durch Vergleichen, Analysieren, Kritisieren, Hinterfragen und Genießen) hoffen wir, verschiedene komische Phänomene zu beleuchten und Konstanten zu erkennen, die unser Entertainment, unsere Popkultur und unsere alltäglichen Unterhaltungen prägen. Hier geht es zu den restlichen Episoden.
Woche für Woche verarbeitet Henning Bornemann (gemeinsam mit Axel Naumer) in der Radiosendung Satire Deluxe auf WDR 5 das politische und gesellschaftliche Geschehen. Und vor Satire Deluxe tat er das bereits in anderen Sendungen. Und ganz lang davor tat er das als Jugendlicher und Schüler auf der Bühne eigentlich auch schon. Entsprechend häufig fällt in dieser Podcastepisode das Wort „damals“.
Dass Henning schon länger im Geschäft ist, gestattet ihm aber auch, längerfristige Beobachtungen anzustellen: Wie hat sich Satire im Laufe der Zeit gewandelt? Wie muss sie sich vielleicht auch wandeln, um weiter ernst genommen werden zu können? Warum sind wir bei Stimmenimitationen heute so viel kritischer als früher? Außerdem sprechen wir über die Arbeitsweise bei Satire Deluxe, faule und anspruchsvolle politische Witze, den satirischen Gehalt von Nonsens à la Monty Python und den Unterschied zwischen guter Satire und gutem Quatsch.
Wer nur über Comedy Bescheid weiß, weiß auch davon nichts. Deshalb unternehmen wir in den „Gesprächen über Comedy“ kleine Ausflüge: Wir nehmen Stand-up-Comedy als Ausgangspunkt und besuchen die angrenzenden Regionen. Auf diese Weise (und durch Vergleichen, Analysieren, Kritisieren, Hinterfragen und Genießen) hoffen wir, verschiedene komische Phänomene zu beleuchten und Konstanten zu erkennen, die unser Entertainment, unsere Popkultur und unsere alltäglichen Unterhaltungen prägen. Hier geht es zu den restlichen Episoden.
Wer ist schuld an der schlimmen deutschen Comedy? Jetzt ist klar: Es war Ricarda Willimann. Oliver Jungen bespricht in der FAZdie Biografie der fiktiven Figur Willimann, die uns das alles eingebrocht hat.
Jan Freitag porträtiert bei DWDL Showmaster Philipp Walulis – bisschen arg lobhudlerisch und mit manch merkwürdigem Vergleich („Walulis ist dagegen eher der Typ Klassenbester, bei dem man abschreiben, aber auch mitkiffen darf, wenn er sich aufm Schulklo über all jene lustig macht, die mehr Einfluss als Eigensinn [sic] haben, dabei jedoch nicht halb so viel Chuzpe wie Deutschlands lustiger Netz-Normalo.“). Aber auch mit gewissem Recht, denn Walulis ist ja eine der am längsten aktiven Satiresendungen, die zwar weniger Aufmerksamkeit bekommt, aber doch solide ihrer Treffer setzt.
Michael Mauder hat wieder eines seiner mittlerweile leider selten gewordenen Podcast-Interviews bei „Warum Comedy?“ vorgelegt: Mit dem Berliner Comedian Falk Pyrczek spricht er unter anderem über dessen Arbeit als Opener und Warm-up-Comedian für Till Reiners. Und die beiden verhandeln einen alten Comedystreit: Wie oft sollten Künstler auf die Bühne? So oft wie nur möglich? (Pyrczek) Oder lieber seltener, aber dafür mehr von einem Auftritt mitnehmen? (Mauder) Hier geht’s zur Episode.
Der Setup/Punchline-Leser:innen wohlbekannte Josh Kingsfordwidmet sich in seinem neuen und abermals überzeugenden Videoessay auf Youtube dem viel zu unterschätzten Zusammenhang zwischen Stand-up und Rhythmus.
Zum Abschied von Trevor Noah bei Comedy Centrals Daily Showwidmet sich Jason Zinoman in der New York Times den Bühnenfertigkeiten und der stimmlichen Flexibilität Noahs: „In fact, a premis often seems like just an excuse for him to show off verbal gymnastics […].“
Fast 30 Jahre ist dieses Special der koreanisch-amerikanischen Comedienne jetzt alt – könnte aber auch zeitgenössische deutsche Stand-up aus Berlin sein. Eindrucksvoller Beleg, wie einflussreich eine der Urahninnen der amerikanischen alternative comedy war und weiterhin ist. Das Hi-my-name-is-Gwen-Bit wird mich in meine Träume verfolgen.
Dax Werner schreibt in seiner Kolumne bei der Titanicüber humorige Durchsagen in der Bahn und notiert so klar wie einleuchtend: „Ich finde nicht, dass ein Lokführer auch ein Komiker sein sollte, denn Komiker sind ja auch nicht gleichzeitig Lokführer.“ Das ist eigentlich alles, was man dazu wissen muss.
Dave Chappelle hat bei einem Auftritt in San Francisco Elon Musk auf die Bühne geholt. Wie CNN (mit Video) berichtet, wurde der dann gehörig ausgebuht, offenbart er ja nicht nur in der ganzen Chose um Twitter regelmäßig sein faschistoides Gedankengut, sondern hatte eben auch jüngst in der Region (!) Tausende Menschen entlassen. Warum Chappelle dachte, das Ganze sei eine gute Idee, erschließt sich weder mir noch Comedyautor Steve Kaplan, der schreibt:„Who the f*** brings on a billionaire at the end of their comedy set? Why? What was the point of that? It’s not like inviting Richard Pryor up on stage to riff with. Someone please explain that to me.“
Jason Zinoman zum Zweiten, der Comedykritiker hat sich für die New York Times das aktuelle Programm des (social-)media-scheuen britischen Comedians Daniel Kitson angesehen, der sich nun auch den fragilen Charakter von Authentizität und Storytelling als Thema vorgenommen hat.
Der Illustrator und Cartoonist Jonathan Lyons gibt auf seinem Twitter-Account zahlreiche Beispiele gelungener Comedy aus alten Zeichentrickfilmen und -produktionen, etwa von Disney- oder Looney Tunes. Interessant finde ich dabei vor allem, mit welcher Genüsslichkeit Ideen durchexerziert werden, die fast surreal wirken, dabei aber immer einer strengen Logik folgen und fast immer überraschen. Ich will gar kein Beispiel herausgreifen. Großartig zum Stöbern.
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Moderatorin Ariana Baborie (rechts) und Journalistin Eva Schulz sinnieren über Vincent van Gogh. (Foto: WDR)
Im Jahr 2014 schickte das New Yorker Auktionshaus Christie’s den Skateboard-Profi Chris Martin durch Lager und Ausstellungsräume, damit der zwischen den teuren Kunstwerken seine Tricks vollführte. Kulturpessimisten fanden das schrecklich. Die Optimisten dagegen freuten sich, dass die elitäre Kunstwelt sich mal cool und zugänglich zeigte. Dass sie die Schwelle herabsetzte, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
In diesem Spannungsfeld agiert auch die WDR-Produktion Stand-up For Art, die nun Comedians in Museen schickt und ferner voll im Trend der instrumentellen Comedy liegt: Nachdem Comedy in den vergangenen Jahren etwa Nachrichten und komplexe Themen schmackhaft machen oder Aufmerksamkeit auf den Kampf gegen den Klimawandel lenken sollte, soll sie nun auch Kunst nahebringen. Comedy fungiert dabei – im Idealfall – als das Löffelchen voll Zucker, das, wie schon Mary Poppins wusste, die bittre Medizin versüßt.
In sechs etwa 30 Minuten dauernden Episoden besucht Moderatorin Ariana Baborie mit Comedians oder anderen Medienpersönlichkeiten (u. a. Özcan Cosar, Oliver Polak, Eva Schulz) ein Museum und befasst sich dort mit Künstler:innen wie Claude Monet, Frida Kahlo oder Banksy. Dazu gibt es jeweils zwei kurze Sets von Stand-up-Comedians.
Die Fixierung auf die Biografien verstellt den Blick aufs Werk
(Logo: WDR)
Jede Episode à 30 Minuten teilen sich also schon fünf Personen, die möglichst komische Akzente setzen sollen. Klingt das schon logistisch schwierig, haben wir damit aber noch gar nicht über die etwas breitbeinig gesetzten Ziele gesprochen: „Was ist Kunst eigentlich und darf man dabei wirklich gar keinen Spaß haben?“, umreißt es Baborie eingangs in jeder Folge. In der Programmankündigung heißt es, die Comedians stellten in ihren Sets „alles in Frage, was man über Kunst und den musealen Raum bisher denken durfte“. Und derartige Mammut-Gedankenleistungen gibt’s für das Publikum obendrein gratis: „Das Tolle an dem Format ist für mich, dass man absolut kein Vorwissen über Kunst braucht“, wird Baborie weiter zitiert.
Natürlich ist das schöne PR-Text-Prosa, aber auch dort darf man ja zumindest ein Korn Wahrheit erwarten. So ehrenwert das Anliegen ist, Kunst zu vermitteln, geht das alles leider nicht zusammen. Die Komik wirkt hingeschludert. Und wer vorher kein Wissen über Kunst hatte, hat auch hinterher keins, denn um Kunst geht es trotz der Aufmachung eigentlich nur am Rande.
Statt auf die Kunstwerke fokussiert die Sendung auf die Biografien der als extravagant bis crazy erlebten Künstlerpersonen, die ausgefallene Dinge tun, für die Menschen aus unerklärlichen Gründen gigantische Summen zahlen. Natürlich kann die Biografie ein Zugang zur Kunst sein (und die Einspieler, mit denen Stand-up For Art diesen Zugang unter anderem herzustellen versucht, haben Drive und Witz und sind das Beste, was die Produktion zu bieten hat). Fragwürdig aber wird die Fixierung auf die Lebensdaten, wenn sie den Blick auf das Werk verstellt oder gar ersetzt.
Interessantere Aspekte werden durchaus auch angerissen: Warum ist es „eben Kunst“ (Polak), wenn Warhol seine Suppendose nicht einmal oder zweimal, sondern 32 Mal druckt? Warum wird Kahlo „absolut verdient“ (Baborie) heute ausgestellt? Warum verpackt denn nun das Künstlerehepaar Christo alles, was es in die Finger bekommt? Für die Antworten ist nur leider keine Zeit, da neben den Lebensdaten ja auch noch die Emotionen der Betrachtenden abgehandelt werden wollen.
Was sagt dir das? Wie fühlst du dich dabei? Was macht das mit dir? Was spielt Kunst für eine Rolle in denem Leben? Nach diesem Schema laufen die Gespräche zwischen Moderatorin und Gästen ab, die dann nicht viel mehr Substanzielles zutage fördern als die Einsicht: Kunst ist, wenn jeder eine Meinung und ein bisschen recht hat. So kann man das im Dienste der Niedrigschwelligkeit sehen, erteilt damit aber auch dem Expertenwissen eine harsche Absage – wo gerade ein Kunstpädagoge oder -historiker, ob vor oder hinter der Kamera, Stand-up For Art nicht geschadet hätte.
Dann hätte man sich vielleicht auch wirklich künstlerischen Aspekten widmen können: Welche ästhetischen Probleme haben sich den betreffenden Künstler:innen zu ihrer Zeit gestellt, welche kunstspezifischen Fragen haben sie erörtert? Welche Lösungen und Antworten haben sie gefunden? Von welchen Strömungen haben sie sich bewusst abgesetzt? Wie sind sie in der Kunstgeschichte zu verorten? Und vor allem: Wie drückt sich das in ihren Kunstwerken (oder zumindest einem exemplarischen) aus? Man muss kein kunsthistorisches Proseminar draus machen. Auch an diese Fragen kann man niedrigschwellig herantreten – und eine Sendung, die erklären möchte, was Kunst „eigentlich“ ist, sollte es sogar. Stand-up For Art lässt sie links liegen.
„Stand-up for Art“ verplempert viel Zeit mit Spielereien
Comedian Oliver Polak und Moderatorin Ariana Baborie sprechen über Warhol (Foto: Netflix)
Die Sendung erreicht damit das, was der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich in seinem Buch Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie schon Christie’s Skateboard-Stunt attestierte: Nämlich Kunst „weit weg von Kennerschaft und historischer Bildung“ anzusiedeln, und ganz nah an einem extrovertierten Lifestyle. Das Auktionshaus, schreibt Ullrich, habe damit die Botschaft vermittelt, „die angebotene Kunst stamme zwar aus der westlichen Moderne, es sei aber nicht nötig, sich mit deren Eigenheiten und Geschichte auseinanderzusetzen“.
Dankbare Ablenkung von den Gesprächen bieten immerhin die Sets der Comedians. Aber auch diese sind in der Mehrzahl matt und tragen kaum zur Kunstthematik bei. Viele denken sich nur verrückte Dinge über das Leben der behandelten Künstler:innen aus. Niemand stellt irgendetwas in Frage, und schon gar nicht, „was man über Kunst und den musealen Raum bisher denken durfte“. Kleine Ausnahme: In Shari Litts Set in der Episode über Frida Kahlo stecken mehr Gedanken über Kunstgeschichte und Kanonisierung als sonst in der ganzen Serie.
Der Rest der ohnehin knapp bemessenen Zeit wird dann mit allerhand Spielereien verplempert. Oliver Polak muss Suppe probieren (weil Warhol), Bastian Bielendorfer verpackte Gegenstände ertasten (weil Christo), Eva Schulz Ohren raten (weil van Gogh) und Schulz ferner ohne entsprechende Sprachkenntnisse Begriffe aus dem Niederländischen übersetzen (weil…?).
Hochgradig irritierend und damit einer Erwähnung wert: Über sechs Episoden hinweg kann Moderatorin Baborie nicht von einer merkwürdig vulgären Art lassen, die ich als überflüssig und störend empfunden habe. Nicht einmal das Wort „Ständer“ kann sie ohne demonstrativ ironischem Augenzwinkern aussprechen. Und in der Folge über Frida Kahlo lässt Baborie gegenüber dem Gast Pierre M. Krause ein paar bauchkrampf-auslösend peinliche sexistische Sprüche ab, die bestimmt witzig gemeint waren, aber bei vertauschten Geschlechterrollen vermutlich durchaus Shitstorm-Dynamik entwickelt hätten.
Das ist definitiv zu viel unnötiger Ballast für eine ohnehin schon überladene Sendung. Auch ein Löffelchen Zucker will gekonnt verabreicht werden.
Stand-up For Art, mit Ariana Baborie und u. a. Oliver Polak, Eva Schulz, Bastian Bielendorfer, Özcan Cosar, Produktion: Honey Badger Production;6 Folgen à 30 Minuten, abrufbar in der ARD-Mediathek
Stand-up-Comedy ist knifflig. Was einmal zündet, funktioniert höchstwahrscheinlich nicht wieder, und auch beim geschliffensten Joke bleibt ein Restzweifel: Wird das Publikum lachen oder nicht? Im Grunde weiß doch niemand, wie man verlässlich einen guten Witz schreibt.
Einfacher dagegen ist: einen schlechten Witz schreiben – und sich dann wie ein Mechaniker drunter legen. Wo hakts, wo klemmts, wo sind Teile verrostet? Oder hat man es mit einem Totalschaden zu tun, bei dem nichts mehr hilft? Diese Liste will ein paar Anregungen geben und bei der Selbstbefragung helfen, warum der Witz letztens auf der Bühne schiefging.
MENTALITÄT UND ATTITÜDE
Bist du gerade nicht gerne auf der Show? Ist das Publikum vielleicht nicht gerne da? Gibt es irgendeine Störung?
Hast du Angst? Hast du Grund, Angst zu haben? Warum nicht?
Ist deine Erzählhaltung überzeugend? Kann ich mich als Zuschauer:in darauf einlassen? Oder wirkst du bitter und unsympathisch?
Willst du klug, interessant oder sexy rüberkommen, anstatt witzig zu sein? Don’t be a comedian, be a person. (Zum Beispiel auch die Person, die nur zusammenhangslos alberne Witze erzählt.)
Strahlst du Bitter- oder Traurigkeit aus, die nicht aufgehoben werden? Ja, die Welt ist schlecht, aber wollen wir das wirklich sieben Minuten vorgeführt bekommen? (Geschweige denn sieben, zwölf oder dreißig.) Und Zyniker sind wir selbst schon.
„Das mach‘ ich auf der Bühne dann spontan“ – Verlässt du dich zu sehr auf den Zufall? Du musst den Lacher auslösen, nicht darauf hoffen, dass sich das schon irgendwie geben wird. Ein wahrer Comedy-Architekt kann alles lustig machen.
Hast du lange genug am Witz gearbeitet? Seinfeld soll jeden Tag drei bis fünf Stunden schreiben. Warum sollte es bei dir schneller gehen?
PERSÖNLICHKEIT
Hast du eine greifbare, glaubhafte Bühnenpersönlichkeit? Kannst du sie in zwei Sätzen beschreiben? Was will sie? Was tut sie, um ihr Ziel zu erreichen? Was für Mist baut sie?
Hast du ein komisches Koordinatensystem? Gibt es einen für dich typischen Witz? Wärst du imitierbar? (Aber nicht zu sehr!) Hast du eine Stimme?
Versteht das Publikum die Persönlichkeit? Kennt es dich? Verstehen und Kennen heißt nicht, dass du vorhersehbar bist. Wenn das Publikum dich versteht, versteht es auch deine Witze besser. Hängst du dich zu sehr am Witz auf oder liegt das Problem woanders?
Könnte auch jemand anderes deinen Witz erzählen?
Ist, was du sagst, wahrhaftig gegenüber deiner Person?
Bist du jemand, für den das Publikum Partei ergreifen könnte? Mit dem es mitfiebert?
Du kannst ein Lästermaul oder Arschloch auf der Bühne sein. Aber bist du es nur, um fies zu sein? Oder haben die negativen Eigenschaften eine wichtigere Bedeutung für dich?
Widerspricht der Witz deiner etablierten Persönlichkeit auf der Bühne? Hast du deine Persönlichkeit denn etabliert und deutlich gemacht?
THEMA
Ist das Thema originell oder wenigstens neu, zumindest die Perspektive darauf? (Faustregel: Findet man den Witz auf T-Shirts, Frühstücksbrettchen, in Memes oder bei Seiten wie Twitterperlen, lautet die Antwort Nein.)
Bist du voller Leidenschaft für dein Thema? (Siehe B. Burr: „I’m not yelling, I’m passionate about my opinions.“) Interessierst du dich zumindest dafür?
Bist du kontrovers zum Selbstzweck oder interessierst du dich wirklich für trans* Personen, für gendergerechte Sprache, für dead baby jokes etc.? Wirklich? Wird deine Verstrickung in das Thema deutlich? Könnte jemand anders das genauso erzählen?
Ist das Thema nicht subjektiv genug? Kannst du es subjektiver machen?
Ist das Thema zu düster? Vergewaltigung, Rassismus, Abtreibung, Terror etc. – glaubst du, du kannst Substanzielles beitragen? Hast du lustige Aspekte gefunden? Wirklich? Kannst du die im Publikum erzeugte Anspannung auch wieder auflösen?
Hast du dir den gewagten Witz auch verdient? Ist er lustig genug, um entsprechend gewagt zu sein?
Bleibst du rein thematisch oder sprichst du auch über deine Emotionen und deinen Bezug zum Thema?
Ist das Thema zu erzwungen, zu gewollt? Wäre es nicht merkwürdig/komisch, wenn… – Nein. Gibt es eine einfachere, klarere, ehrlichere Beobachtung?
Könntest du eine deiner persönlichen Schwächen zum Thema machen? Geht es existenzieller?
KONZEPT UND STORYTELLING
Passiert in der Geschichte, die du erzählst, etwas? Oder schilderst du eine statische Situation?
Gibt es eine Motivation für die Geschichte? Oder schilderst du nur Beobachtungen, die du z. B. im Hotelzimmer gemacht hast? (Test: Erzähle einer Person (oder dir selbst) mit knappen Worten, worum es in dem Witz/in dem Bit geht. Wo sind Fragen offen?
Ist deine Geschichte glaubwürdig? Ist sie überspitzte Realität oder freiweg absurd?
Gibt es einen Konflikt, einen Gegenspieler, eine Spannung, irgendeine Triebfeder? Bist du genügend in Konflikt mit deiner Welt? Kannst du uns wenigstens weismachen, der Konflikt wäre bedeutend? Ist er bedeutend für dich? Antagonistische Kräfte treiben deine Erzählung. Und bedenke: Disagreeing is not conflict.
Geht es in der Geschichte um etwas? Wie hoch ist der Einsatz? Könntest du den Einsatz erhöhen?
Ist die Szenerie des Witzes normal genug für die absurden Elemente?
Sind die Witze um diesen Witz zu ähnlich? Braucht es mehr Abwechslung?
GEDANKLICHE KLARHEIT
Bist du dir selbst im Klaren darüber, was du dem Publikum kommunizieren möchtest?
Ist dein Sprechhandeln als Comedian schlüssig? Folgt es den dir selbst gesetzten Regeln oder verletzt es sie ungewollt?
Ist absolut klar, was du sagen willst? Ein Witz sollte nicht zu viel Interpretationsspielraum lassen – If they’re thinking, they’re not laughing (Logan Murray)
Gibst du alle Informationen, die zum Verständnis des Witzes notwendig sind? Kommen alle wichtige Informationen auch an? Hast du das an Freund:innen getestet? Gib dabei weniger auf ihre konkreten Anmerkungen als auf ihr generelles Gefühl.
Agierst du zu crazy und überforderst das Publikum damit? Verrücktheit ist nicht ausgeschlossen, aber auch sie muss Regeln folgen, die die Zuschauer:innen verstehen können. Ansonsten verliert die Person ihre Glaubwürdigkeit und das Publikum sein Interesse.
JOKEWRITING
Sind deine Referenzen zu spezifisch?
Sind deine Details nicht spezifisch genug?
Hat der Witz zu viele Wörter? Ist er unklar? (If it doesn’t add, it distracts.)
Ist der mentale Abgrund, den das Publikum überspringen muss, zu groß/zu klein?
Benutzt du Klischees und Floskeln, die dir das Denken abnehmen?
Häufst du zu viele absurde Elemente an, die zwar für sich genommen lustig sind, in der Ballung aber konfus und nicht mehr absurd wirken?
Ist der Witz noch lustig, wenn du ihn ausformulierst, niederschreibst und liest?
Oft gehörte Seinfeld-Regel: Nutzt du ausreichend Wörter mit harten Konsonanten wie K, T, P, G, D und B? Angeblich macht das Wörter lustiger.
Sind deine Zahlen unrund genug?
Sind deine Beispiele zu extrem? Lassen sie sich ein Fitzelchen unter extrem ansiedeln?
Ist der Witz zu verspult, zu gewollt kunstfertig, sodass du schon einen besonders guten Auftritt brauchst, um nicht ins Stolpern zu geraten?
Hängen Informationen in der Luft? Jeder Satz folgt aus einem anderen oder bereitet einen anderen vor.
DAS SETUP
Ist deine Prämisse besonders und interessant, aber völlig klar und einleuchtend? Woher kommt der Ball, wohin wird der Schlag wohl gehen?
Ist die Ablenkung bzw. die aufgebaute Erwartung stark genug? Wie wird sie konstruiert?
Ist dein Setup schon lustig? Ein lustiges Setup bringt einen Witz in Schieflage.
Geht beim Erwartungsaufbau etwas schief? Wird vielleicht sogar die falsche Erwartung aufgebaut?
Ist das Setup zu lang und kompliziert?
DIE PUNCHLINE
Steht die Punchline im Widerspruch zum Setup und führt es nicht etwa fort oder wandelt es ab?
Ist die Punchline gut genug für die Länge des Setups?
Ist die Punchline zu schwach? Fehlen Details? Geht ein besseres Act-out?
Ist die Punchline zu glatt, zu perfekt, zu gebügelt, zu gewollt?
Muss der Punch härter sein? Ist er zu erzählerisch?
Glaubst du nur, den Punch gefunden zu haben?
Verbirgt sich da – unter Verkleidung, lustigen Props, hinter der schrägen Stimme und dem absurden Gehabe – irgendwo wirklich ein Witz? (Vgl. J. Seinfeld: „You can have any kind of furniture, but you gotta have steel in the wall.“)
Ist die Punchline vorhersehbar?
PERFORMANCE
Hast du zu viel gerifft? Hast du dir das Riffen verdient?
Lenkt deine Körpersrapche ab oder widerspricht der Aussage des Witzes? Verletzt du die Regeln, die der Wortlaut des Witzes implementiert?
War die Betonung der Wörter verkehrt?
War die Punchline gut, aber mit der falschen Emotion verknüpft? Oder zu wenig der richtigen Emotion?
Hast du die gewünschte Emotion ausgestrahlt? Hast du auch deinem Gesicht Bescheid gesagt?
Hast du ein Gespür für den Rhythmus deines Materials? Weißt du, wann Pausen Sinn machen? Kannst du während deines Sets ruhig atmen? Machst du zu viele Pausen?
Hast du die Performance übertrieben? Warst du zu laut, zu schnell, zu nervtötend? Geht es sparsamer?
Bist du aus dem Bit geflogen und hast Energie und Emotion verloren?
UMGANG MIT DEM PUBLIKUM
Glaubst du, das Publikum ist für dich da? Warum? Warum nicht?
Hast du dich und den Witz dem Publikum zu sehr aufgezwungen?
Hast du die Stimmung im Publikum fehlinterpretiert?
War der Witz nicht das, was das Publikum gerade gebraucht hat?
Bist du der Meinung, du hättest ein Anrecht darauf, dass das Publikum lacht? Warum?
Fühlst du dich als Dienstleister, willst du dem Publikum helfen? Warum nicht?
Hast du dem Publikum genug Zeit gelassen?
Warst du in der falschen Emotion? Merke: The audience is in whatever state the performer is in.
WENN NICHTS HILFT
Kannst du denn den Witz nicht einfach weglassen? Warum nicht?
NA, SO HALT NICHT…
Na gut. Weitermachen. Und bedenken: Only mediocre comedians are at their best all the time.
Fehlen wichtige Aspekte? Hast du Anmerkungen und Tipps? Möchtest du deine Weisheit beisteuern? Dann kommentiere unten oder schreib mir unter killme@setup-punchline.de
AUSGEWERTETE QUELLEN
• Besser, Matt et. alt.: Upright Citizens Brigade Comedy Improvisation Manual. New York City: Comedy Council of Nicea 2013. • Carter, Judy: The Comedy Bible: From Stand-up to Sitcom. The Comedy Writer’s Ultimate „How To“ Guide. New York City: Atria Books 2001. • Close, Del et.alt.: Truth in Comedy. Englewood: Meriweather Publishing 1994. • Davis, Jeffrey u. Peter Desberg: Now Thats Funny!: The Art and Craft of Writing Comedy. Garden City Park: Square One Publishers 2017. • Dean, Greg: Step by Step to Stand-Up Comedy. Be Funny Inc. 2019. • Gervais, Ricky et. alt.: Talking Funny. New York City: HBO Studio Productions 2011 • Gulman, Gary: Gary Gulman’s Comedy Tips: The Complete Collection. In: vulture.com vom 26.03.2020, zuletzt abgerufen am 16.11.22 • Hines, Will: How To Be Funny. In: medium.com vom 19.12.2021, zuletzt abgerufen am 01.11.22. •How to Make People Laugh | Brian Regan | Talks at Google. Mountain View: Google 2017. •Interview With Louis C.K. at the Paley Center. New York City: The Paley Center for Media 2010. •Jerry Seinfeld & Eddie Murphy Debate The Funniest Comedian Of All Time. Netflix: Los Angeles 2019. • Kaplan, Steve: The Hidden Tools of Comedy: The Serious Business of Being Funny. Studio City: Michael Wiese Productions 2013. • McBride, Jeff u. Harrison Tweed: Let’s Talk About Sets.The „science“ & craft of stand-up comedy. A playful podcast by comics in NYC. 2016-2020 • Mendrinos, James: The Complete Idiot’s Guide to Comedy Writing. Indianapolis: Alpha 2004. • Murray, Logan: Be a Great Stand-up: How to master the art of stand up comedy and making people laugh. London: Hodder Education 2007.
Es sind wohl solche deplatzierten Kommentare über die Blockadeaktionen von Klimaaktivist:innen wie die von Dobrindt, die das Team vom ZDF Magazin Royale Ende November zu einer Sendung über die „RAFDP“ verleitet haben. Moderator Jan Böhmermann spann wahnwitzige verschwörungstheoretische Fäden, um Politiker:innen der FDP, Kabarettist Dieter Nuhr oder Journalisten wie Ulf Poschardt und Anna Schneider von der Welt als Terroristen hinzustellen. Die Redaktion ließ ein Raster aus Porträts auf ein Fahndungsplakat drucken, das im Layout an die Plakate erinnerte, mit denen in den 1970er Jahren nach Mitgliedern der RAF gesucht wurde.
Dieser Artikel gehört zur Reihe Noten zur Comedy, in der wir alle zwei Wochen einen Blick auf ein virulentes Thema rund um Comedy werfen. Ihr könnt die Noten auch als Newsletter abonnieren, dann kommen sie direkt (mit aktueller Presseschau und besonderem Comedytipp) ins Postfach.
Für ein fast 30-minütiges Segment fast ein wenig dünn als Idee. Und deutlich als Satire zu erkennen, egal wo im politischen Spektrum man sich verortet. Aber ihre Wirkungs verfehlte die Sendung trotzdem nicht, die getroffenen Angesprochenen bellten laut. Wenn das von rechts käme! kritisierte etwa Anna Schneider, die „Chefreporterin Freiheit“ bei der Welt. Ulf Poschardt, Chefredakteur von WeltN24, schrieb auf Twitter„wird einfach super, wenn das juste milieu irgendwann so richtig an die macht kommt“.
Nun ist das Label Satire ja kein Freibrief für alles
Ziemlich kringös die Reaktionen (ein Begriff, der sich hoffentlich durchsetzt) und möglicherweise ein „Fall von taktischer Selbstdummstellung“, wie Daniel Gerhardt das in der ZEIT nannte. Denn, wie Elena Witzeck (FAZ) zusammenfasste: „Diese satirische Warnung vor der liberalen Radikalisierung empörte die Liberalen, die vorher in radikalen Posen Eigenwerbung gemacht hatten.“
Nun ist das Label Satire ja kein Freibrief für alles, wie gemeinhin angenommen wird. Vielmehr kann sich einen Freibrief (nicht absolut, sondern zeitlich und thematisch begrenzt) verdienen, wer seine Satire mit Bedacht gestaltet. Je gewagter Botschaft oder Kritik sind, umso deutlicher muss der satirische Modus markiert werden – wobei Deutlichkeit nicht zwangsläufig den Holzhammer bedeutet.
Wie dem auch sei: Meiner Meinung nach gelingt diese Balance dem ZDF Magazin Royale im vorliegenden Fall. Natürlich ist es problematisch, ein Fahndungsplakat zu drucken – beziehungsweise: Es wäre problematisch, wäre der satirische Kontext nicht so eindeutig. Da dieser jedoch ausreichend klar wird, müssen die Zuschauer:innen eben nicht in Sorge um die abgedruckten Personen sein. Sie können sich vielmehr auf das Argument hinter dem Plakat konzentrieren, das Böhmermann machen möchte.
Darum ist zum Beispiel die Klage von Anna Schneider (das Ganze sei heuchlerisch, weil Progressive nun Beifall klatschten, während sie das bei derselben Satire von rechts nicht tun würden) eine Nebelkerze. Denn solche Satire kommt eben nie von rechts. Und selbst wenn man ein Fahndungsplakat mit progressiven oder linken Köpfen bedrucken würde, ist die Form Fahndungsplakat nicht allein entscheidend – es spielt schon auch eine Rolle, was für eine Haltung dahintersteht. Wenn es auf der rechten Seite mal Fahndungsplakate (oder zum Beispiel Galgen oder Porträts mit Fadenkreuezn) auf Demonstrationen zu sehen gab, war eben nie ganz klar, ob damit nicht vielleicht eine Meinung zum Ausdruck gebracht wird, die eine Person wirklich hatte. Vielleicht eine etwas überspitzte Version, aber doch eine echte Meinung.
Satire, die auf Altbekanntem fußt, hat es schwer
Man kann darüber streiten, wie tiefgründig die Sendung ist, oder ob die Episode überhaupt zu Böhmermanns schwächeren gehört, ob sie allein manierierte Spielerei ist. Aber sie basiert auf der Überzeugung, dass der Vorwurf des Terorrismus überzogen ist und viel zu locker sitzt. Nicht sonderlich originell, aber eben origineller als viele Aussagen, die generell Gegner des Klimaaktivismus so machen. Und sich Einmischung verbitten und jüngere Generationen in die zweite Reihe zurückwünschen, ist keine originelle Haltung. Satire, die darauf fußt, hat es schwer.
Offenbar wurde durch die Sendung einmal mehr, wie sehr sich manche Menschen verbiegen. Wie sie es wütend von sich weisen, von der eigenen Medizin zu kosten. Anderes Beispiel in diesen Tagen: Elon Musk. Über den wird viel gesprochen und geschrieben, weil er kürzlich die Plattform Twitter gekauft hat, um der dort angeblich so unterdrückten free speech zum Durchbruch zu verhelfen – wobei er diese free speech nun bereitwillig untergräbt, wenn sie aus den für ihn falschen Gründen gebraucht wird. Nämlich, um sich über ihn lustig zu machen oder ihn zu kritisieren.
Musk-Witze sind nicht automatisch gut, weil sie Musk zum Thema haben. Böhmermanns RAFDP-Sendung ist nicht automatisch gelungen, weil er auf „die Richtigen“ zielt. Aber, davon erzählen die zur Schau gestellte Weinerlichkeit und Getroffen-Hundigkeit: Er hat getroffen. Keine geringe Leistung. Ausruhen sollte man sich auf ihr allerdings nicht.
Eklat bei Chez Krömer! heißt es allerorten, zum Beispiel in der FAZ. Nach einem fast mit Ansage verunfallten Interview mit Faisal Kawusi (hier zum Nachkucken) hat der rbb das Ende der Sendung bekanntgegeben. Kawusi leistet sich keinen seiner üblichen Aussetzer, sagt aber doch wenigstens milde haarsträubende Dinge. Zum Beispiel glaubt er, er könne nicht nach unten treten, da er ja selbst ganz unten in der Gesellschaft stehe. Außerdem verbat er sich, mit Fehltritten aus der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Schließlich habe er sich ja entschuldigt. Ächz. Naja. Etwas war aber doch schön an dem Ding: Tragen sonst solche Talksendungen ihren Teil dazu bei, problematische Figuren dem Mainstream nahe- bzw. noch-näher-zu-bringen (jüngst etwa auch Julian Reichelt oder Heinz-Christian Strache), hat Krömer in diesem Fall, indem er Kawusi respektlos behandelt hat und die Sendung verließ, unterstrichen, dass Kawusi Positionen vertritt, die nicht respektabel sind. Das Ende von Chez Krömer kann auch als Absage an das Modell Debatte interpretiert werden.
Luisa Charlotte Schulz und Ben Schafmeister folgen als Moderatoren bei Brainpools bzw. Banijays Stand-up-Format Nightwashauf Simon Stäblein. Durch die Neubesetzung solle der Fokus wieder mehr auf Show und Entertainment gerichtet werden, zitiert DWDL aus der Pressemitteilung. Wo lag der Fokus vorher, frage ich mich – womöglich doch noch eher auf der Plattform und Nachwuchsakquise (also dem, was im System Brainpool als Nachwuchs gilt). Offenbar soll nun die Show selbst mehr zum Produkt werden.
Ende November fand an der Ludwig-Maximilians-Universität in München die erste Ausgabe des mit einigen Professoren, Feuilleton-Menschen und etwa Kabarettist Bruno Jonas besetzten Humor-Symposiums des sogenannten „Zentralrats des deutschen Humors“ statt. Bei Lektüre der Zusammenfassung von Timo Frasch in der FAZ wundere ich mich, dass bei einem Treffen eines solch‘ hochdekorierten Humor-Thinktanks dann doch wieder nur dieselben belämmerten Fragen wie eh und je abgehandelt werden: Darf man jetzt? Oder darf man nicht? Und ist eine dicke Politikerin, hihi, nicht ziemlich lustig? Na, wer sonst keine Probleme hat.
Sat.1 hat Comedian Luke Mockridge ins Programm zurückgeholt, wie DWDL berichtet. Nun, you do you, damit war zu rechnen. Dass man denen, „die auf Twitter so gerne Richter spielen“ dann noch einen mitzugeben glaubt und einen ziemlich problematischen und verzerrenden Artikel postet, zeigt aber dann doch, dass dort noch weniger begriffen wurde als bisher vermutet.
Bei Vatterott entwickeln Personen im Act-out ein Eigenleben, zehn Minuten macht er nur einen zappenden Fernseher nach. Und dann ist da auch noch das wunderbare director’s-commentary-Metaelement. Schwer zusammenzufassen. Derart Experimentelles, Verspultes, nachgerade Idiotisches habe ich in Comedy lange nicht mehr gesehen.
Interview mit der neuen Titanic-Chefin Julia Mateus gab’s schon in so gut wie allen Medien. Die Süddeutsche Zeitung hat nun sogar ein Porträt.Das kommt selber ironisch-leichtfüßig daher, gelangt dann aber spätestens bei der sperrigen Definitionsarbeit am Objekt Humor ins Stolpern. Zwar eloquent vorgetragen, kommt im Artikel doch nur wieder die alte Hoffnung auf eine gnädige den Humorablass erteilende Autorität zum Ausdruck.
Adrian Horton geht im Guardiander Frage nach, wie die US-amerikanischen Late-Night-Shows damit umgehen könnten, sollte Donald Trump noch einmal bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren. Sieht man sich die Union unter Friedrich Merz an, ist das durchaus ein Thema, das auch in Deutschland interessieren könnte. „It is perhaps unrealistic to fully ignore an attention hog, especially one in power (Musk) or under federal investigation (Trump), but late-night shows could stand to feed them less“, schreibt Horton. Allerdings: „Das Problem an Souveränität ist aber, dass sie leichter zu leben ist als zu verkaufen.“ (Daniel Gerhardt in der ZEIT)
Netflix-Chef Reed Hastings bei einer Veranstaltung der New York Timesüber seine vielkritisierte Cashcow Dave Chappelle gesagt: „He is the best, or one of the best and that special was one of the most entertaining and watched specials we’ve ever had. We would do it again and again.“ Ich lese da eine belegte und drei unbelegte Aussagen. Hastings glaubt womöglich, er habe viermal dasselbe gesagt.
„Frauen machten bislang in der Regel keine Witze, sondern über sie wurden Witze gemacht. Erst in den vergangenen Jahren gelang es Stand-up- und Improvisationskomikerinnen, sich ihre Nische in der Comedy zu ergattern.“Das ist bei der Deutschen Welle zu lesen, es geht dabei nicht um Deutschland, sondern um Comedy in Pakistan.
Die 1898 geborene jüdische Schauspielerin Therese Giehse kenne ich vor allem als Großmutter in Helmut Dietls Münchner Geschichten. Ihr bewegtes Leben, das ein biiiiisschen mehr umfasst als eine Serie, bringt einem der Podcast Therese Giehse und wir näher. In Folge 6 geht es ausführlich um Satire und Kabarett in der Weimarer Republik bzw. wie die Nazis dem ein Ende setzten. Mit dem Münchner Comedian Nathan Bilga kommt auch ein Vertreter der jüngeren Stand-up-Generation zu Wort. Hier geht’s zur Episode
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München bekommt ein Stand-up-Festival – zumindest singulär, relativ klein und weitläufig über die Stadt verteilt: Bei der Langen Nacht der Stand-up-Comedy finden am 17. Dezember in vier Clubs fünf Shows statt. Wie es in der Ankündigung heißt, treten als Headliner Shahak Shapira, Maria Clara Groppler, Tony Bauer und der US-amerikanische und in Deutschland lebende Comedian Tamer Kattan auf.
Den Grundstock bilden mehr als ein Dutzend Comedians aus der Münchner Stand-up-Szene. Vier Spots werden mit absoluten Newcomern besetzt. Diese können sich in zwei Workshops qualifizieren, die am Nachmittag vor der Langen Nacht stattfinden.
Organisiert wird die Lange Nacht vom Münchner Comedian und Veranstalter Freez, der früher die Stand-up-Show Urban Comedy gehostet hat. Freez übernimmt neben den Hosts der Showreihen Servus Comedy, Stuss mit Spargel, Senatore, Fremdjam und der englischsprachigen Medium Rare auch die Moderation der einzelnen Veranstaltungen. Tickets kosten 16 Euro pro Show.
Gleich zwei neue Comedyclubs sind geplant
Das Line-up der Langen Nacht der Stand-up-Comedy am 17.12.22 in München (Foto: Urban Comedy)
Die Lange Nacht bildet gleichzeitig den inoffiziellen Startschuss für gleich zwei weiterer Comedyclubs in München. Zum einen wird die Show Urban Comedy, die 2020 als Open-Mic-Bühne begann, in feste Infrastruktur überführt: Mit dem Urban Comedy Club in der Schützenstraße, nahe dem Hauptbahnhof, soll München dann den ersten reinen Club für Stand-up-Comedy bekommen. Bislang existiert neben vielen Open-Mics fest nur die Filiale des Quatsch Comedy Clubs im Werksviertel. Zum anderen soll laut Ankündigung ein zweiter Club für englischsprachige Shows folgen.
Der Urban Comedy Club ist der nächste Anlauf, der alternativen Stand-up-Comedy in München eine feste Anlaufstelle zu geben. Im Frühjahr hatte Freez mit dem Kauz den ersten Versuch unternommen, einen Stand-up-Club zu gründen. Der Plan, die ehemalige Indiedisco zu einem Treffpunkt für Comedians zu machen und jeden Tag Comedy zu veranstalten, wurde jedoch wieder eingemottet.
Von der Zwischennutzung an den Gasteig
Der Veranstalter und Comedian Freez möchte die Open-Mic-Szene stärker im öffentlichen Bewusstsein verankern. (Foto: Setup/Punchline)
Täglich Shows bei freiem Eintritt soll es dann voraussichtlich – so denn alle nötigen Genehmigungen vorliegen, etwa für Nutzungsänderung und Brandschutzkonzept – ab Mitte Januar 2023 im neuen Urban Comedy Club geben, sowie Workshops, Kurse und writing sessions, wie auf der Homepage zu lesen ist.
Auf Anfrage erklärt Freez, dass der Club als Zwischennutzung in der Schützenstraße starte. Später sei ein Umzug auf das Gelände des Kulturzentrums Gasteig in Sendling geplant. Der Start des bislang namenlosen englischsprachigen Clubs ist für Februar vorgesehen.
Die Anstaltim ZDF hat die Gestaltung einer Ausgabe über die Situation im Iran und die unrühmliche Rolle Deutschlands bei der Unterstützung des Regimes in den vergangenen Jahrzehnten den iranischstämmigen Comediennes Enissa Amani und Negah Amiri überlassen. Abrufbar in der ZDF-Mediathek,die Frankfurter Rundschau bespricht.
Zum 30. Jubiläum des Quatsch Comedy Clubs will sich Gründer Thomas Hermanns als Moderator zurückziehen und nur mehr hinter den Kulissen agieren. (Spiegel) Ferner sind bei Sky keine weiteren Staffeln des QCC mehr geplant, wie der Sender DWDL mitteilt.
Anja Rützel nennt beim Spiegel die Neuauflage der von Stefan Raab erdachten Wok-WM einen „Anachronismus, der sich wie so viele andere aktuelle Showaufgüsse im Privatfernsehen traurig an den ranzigen Kultbehauptungen vergangener Tage labt“. Ihr Fazit: „Nicht nur die wirklich beschämend faul zusammengeklaubten Niedriginstinkt-Lacher der Einspielfilme wirken wie grobschlächtiges Rumpelfernsehen aus einer anderen, fipsasmussigeren Zeit […].“
Der US-amerikanische Comedian Leo Gallagher ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Gallagher war bekannt dafür, mit einem Vorschlaghammer Wassermelonen zu zerschmettern (siehe dazu etwa diesen Clip aus den Simpsons). Einen Nachruf gibts zum Beispiel beim Hollywood Reporter.Sehr empfehlen kann ich auch dieses ältere Stück von 2013 aus der Tampa Bay Times, das illustriert, wie Gallagher mit seinen bisweilen rassistischen oder ausländerfeindlichen Altherrenwitzendem Zeitgeist abhanden kam. Für Stand-up-Nerds ein Muss ist die Podcastepisode von WTF With Marc Maronvon 2011, bei der Gallagher aus Wut über die konfrontativen Fragen des Hosts das Studio verlässt.
Ein absoluter Klassiker US-amerikanischer Stand-up-Comedy und das neunte Album von Stanhope, der immer ein wenig klingt wie der etwas zu laute Betrunkene an der Bar, der sich ins Gespräch einmischt. Verdient sich die gewagteren Themen mit gekonntem Jokewriting und originellen Takes, etwa der vollkommen unbitteren und obendrein originellen Kritik an progressiven Protestbewegungen.
Dieter Nuhr macht Witze über das Bürgergeld und warnt ob der Erhöhung von Hartz IV um sagenhafte 50 Euro davor, dass hierzulande niemand mehr arbeiten wolle. Fabian Lichter schreibt in seiner Kolumne bei der Titanicdazu: „Die Warnung von der Einwanderung in die Sozialsysteme, die hat man in dieser Deutlichkeit früher schließlich noch gerne der NPD überlassen oder wurde selbst unschön dafür abgewatscht. Heute bekommt man dafür zur besten Sendezeit Applaus. Und einen Batzen Geld obendrein – starke Leistung eben.“
Der Comedian-turned-Podcaster Joe Rogan hat seine reichweitenstarke Plattform wieder mal zur Verbreitung transphober Inhalte genutzt. Trans* zu sein, sei eine psychische Krankheit, ähnlich einem Kult, sagte er in einer Episode seines Podcasts. Das Watchblog Media Matters erklärt ausführlich, warum diese Äußerungen jeder Grundlage entbehren.
Nicht wenige Leute halten US-Comedian Dave Chappelle für den Greatest of all times.Dieses Image (oder was davon noch übrig ist) zu zertrümmern, scheint Chappelle ein drängendes Anliegen zu sein. Früher ganz firm in Stand-up ist er offenbar jetzt nicht mehr ohne Kontroverse zu haben. Beim Eröffnungsmonolog bei Saturday Night Live transportierte er eine antisemitische Verschwörungserzählung. CNN fasst den Fall zusammen. Ein mahnendes Beispiel für Comedians: Ist der Weg des Provokateurs erst einmal beschritten, gibt es oft nur noch eine Richtung.
In diesem Kontext ein nicht explizit an Comedians gerichteter kluger Text von Andrej Reisin bei Übermedien: Man muss kein Nazi sein, um antisemitische Klischees zu verbreiten – es geht eben nicht darum, was man ist, sondern was man sagt und tut.
Bei SWR2 wird eine Simplicissimus-Ausstellung im baden-württembergischen Waiblingen besprochen.
Schautipp:Stand-up and Win
Wenn Comedians Witze von Jerry Seinfeld imitieren, leiten sie die sehr oft mit „What’s the deal with…“ ein. Dabei hat Seinfeld diese Formel selbst kaum je benutzt. Woher kommt also das Klischee? Schuld ist ein Sketch aus Saturday Night Live von 1992, in der schlechte Comedians bei einer Gameshow (mit Seinfeld als Host) gegeneinander antreten. Beleuchtet ein Stück Stand-up-Geschichte.
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