Zwischen Podcast und Live-Stand-up: „Off Stage“

Stand-up-Comedian Yorick Thiede in Off Stage
Stand-up-Comedian Yorick Thiede in Off Stage
Stand-up-Award-Gewinner, und jetzt? (Foto: Off Stage/Yorick Thiede)

Wie dreht man eine ansprechende Doku über Stand-up-Comedy? Menschen stehen auf Bühnen, vor Bühnen, hinter Bühnen, manchmal auch neben Bühnen. Optisch wird das schnell ermüdend. Das Vorhaben ist an sich schon schwer genug. Und was tut man erst, wenn Menschen kaum mehr auf Bühnen stehen, und häufig nicht mal in der Nähe, wie das im vergangenen Jahr unter Corona passiert ist?

Yorick Thiede hat es trotzdem versucht und mit Off Stage eine Dokuserie über Stand-up gedreht. Vier Episoden à zehn Minuten gibt es bislang auf dem Youtube-Kanal des Comedians aus der Nähe von Hamburg zu sehen. Und es sollen noch mehr folgen. Das Projekt sei auf unbestimmte Zeit angelegt, erklärt Thiede am Telefon, auch wenn das Coronavirus den Output im vergangenen Jahr stark beeinträchtigt habe.

Einige Jahre dauert der Comedyboom nun schon an, auch in Deutschland. Die Zahl der Produktionen wächst und wächst. Trotzdem schafft Off Stage etwas Besonderes. Stand-up begegnet einem Außenstehenden normalerweise in zwei Aggregatzuständen: unmittelbar live oder mittelbar über Podcasts und Sendungen wie Heroes. Anders herum: Man hat entweder teil an den Gedankenprozessen hinter den Witzen und Karrieren – oder sieht direkt die Resultate dieser Gedankenprozesse.

Off Stage besetzt eine Leerstelle

Szene aus Off Stage
Wo spielen Stand-up-Dokus? Wieso nicht nachts auf dem Bauernhof? (Foto: Off Stage/Yorick Thiede)

Mit Off Stage besetzt Thiede nun die Leerstelle in der Mitte. Was läuft konkret backstage und in den Köpfen der Comedians ab, wenn sie versuchen, das umzusetzen, was sie sonst in Podcasts nur erzählen? Wie sehen Leben und Arbeitsalltag eines Comedians aus? Welche Karriereschritte kann man machen? Fragen, die sich Thiede selbst gestellt hat, bevor er als Comedian anfing. Aber es sei schwierig gewesen, konkrete Antworten zu bekommen, sagt er. „Jetzt habe ich einfach diesen Einblick selbst gedreht, den ich mir damals gewünscht habe.“

In seiner Freizeit hat sich Thiede früher gerne durch alle möglichen Comedy-Clips auf Youtube geklickt: Stand-up, Saturday Night Live, Late-Night-Shows, quer durch die Bank von Steven Wright bis Otto Waalkes. Lange hält er das für nichts besonderes, viele machen das. Aber es geht immer tiefer hinein in den Kaninchenbau der Comedygeschichte. Das macht ihn stutzig. Schaut man sich Auftritte von, sagen wir, dem US-Entertainer Don Rickles aus den 1960er Jahren an, allein weil man Stand-up-Nerd ist? „Irgendwann habe ich gesagt: Wem machst du hier eigentlich was vor“, sagt Thiede. „So tief geht man nur, wenn man auch selber als Comedian auftreten will.“

Im Oktober 2018 steigt er zum ersten Mal als Comedian auf die Bühne. Seitdem hat er das hingelegt, was man im kleinen deutschen Stand-up-Zirkus als steile Karriere bezeichnen kann. Mit zwei Sets, die er vor allem in der Hamburger Szene rundspielt, gewinnt er im Oktober 2020 den Nightwash Talent Award. Und die Dokuserie dient ihm auch dazu, all das festzuhalten. „Off Stage ist für mich wie ein outgesourctes Gedächtnis“, sagt er. „Das sind vor allem die Momente, an die ich mich erinnern will.“

Was tun, wenn man nicht nur Bühnen zeigen will?

Und die Serie ist noch mehr: Sie erschöpft sich nicht in historischer Dokumentation, sie wird auch getragen von Thiedes Lust auf visuelle und bescheuerte Einfälle. Visuell etwa, wenn er (wohl aus rechtlichen Gründen) in der Serie seinen Siegerauftritt vom Talent Award nicht einspielen kann, das dann aber mit einer Beamer-Projektion löst. Bescheuert, wenn er zum Beispiel in Folge drei völlig zusammenhangslos mit einem alten Mercedes vorfährt, den er sich gekauft hat. Vom Fahrersitz spricht er in die Kamera („Ich hab keine nachweisbare Expertise oder Qualifikation in irgendwas“) und später dreht er mit dem Auto Runden auf der Wiese. Off Stage gelingt das Kunststück, nicht zur Lustiges abzubilden und das Drumherum zu zeigen, sondern selbst lustig zu sein. So gelingt eine Doku über Stand-up, ohne allein Bühnen zu zeigen.

Stand-up-Comedian Yorick Thiede

Auch die kleinen, ernsten Momente, die das Comedianleben eben auch ausmachen, fallen in Off Stage nicht unter den Tisch: Nach dem Nightwash-Sieg erklärt ein nachdenklicher Thiede, dass auch ein Talent-Award nur einer von vielen Karriereschritten ist. Es gehen nie plötzlich alle Türen auf, die Trophäe von Talent-Award in Form einer Wäscheklammer „ist halt nur eine Wäscheklammer“, sagt Thiede.

Das wirkt realistisch, ohne cool-abgeklärt oder undankbar zu sein. Es zeigt die Rastlosigkeit von Comedians bei gleichzeitiger Akzeptanz, dass alles seine Zeit hat, dass sich nachhaltige Karrieren stetig entwickeln müssen und es für nichts eine Abkürzung gibt. Ein komplizierter Gefühlsmix, der untrennbar zum Leben von Comedians gehört und doch in den vielen Comedy-Podcasts so gut wie nie zur Sprache kommt.

Off Stage, Regie, Kamera, Schnitt, Buch, alles: Yorick Thiede. Bislang vier Folgen auf Youtube